Heft 
(1.1.2019) 09
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DER URANIA-VEREIN POTSDAM

Oxford und Cambridge haben das Pro­blem vontown undgown, von Stadt und Talar, das Problem des Verhältnisses von Stadt und Universität. Potsdam hat dies auch. Trotz vieler Bemühungen und trotz eines Kooperationsvertrages zwi­schen der Stadt und der Universität ist die Hochschule bisher nicht nur geographisch peripher. Zu wenig spürt man die Uni im geistig-kulturellen Leben der Stadt.

Eine Möglichkeit, hier Brücken zu bauen, sich selbst und sein Gebiet einem nicht­universitären Publikum vorzustellen, bietet der URANIA-Verein ‚Wilhelm Foerster e.V. Potsdam. Entstanden im Jahre 1991, ge­gründet auf eine lange Tradition der Bemü­hung um wissenschaftliche Volksbildung, sorgt sich der Verein um die Vermittlung wissenschaftlicher und kultureller Kenntnis­se für ein breites Publikum.

Sprachkurse, Vorträge zu naturwissenschaft­lich-technischen Themen, zu Rechtsfragen, zu Geschichte, Kunst und Kultur des Aus­lands und Deutschlands prägen das Profil des Vereins. Besondere Aufmerksamkeit er­fahren Geschichte und Kultur des Landes Brandenburg und Potsdams. Die Reihe der Lindstedter Begegnungen Gespräche über Preußen mit prominenten Referenten, begonnen durch Ministerpräsident Dr. Man­fred Stolpe, ist ein besonderer Beitrag auf diesem Gebiet. Hier profitiert der Verein von seinen guten Beziehungen zu anderen Kul­tur- und Bildungsträgern der Region.

Wie sieht das Publikum der URANIA aus? Der Kreis der Besucher reicht von Schülern bis zu bildungsinteressierten Senioren. Zu­meist sind es etwa 20 bis 25 Teilnehmer pro Vortrag, die in den späten Nachmittags­stunden oder am Abend den Weg in das schöne URANIA-Haus im Holländischen Viertel, in der Brandenburger Straße 38 fin­den. Diese Größe garantiert eine angeneh­me Kommunikationsatmosphäre und ist eine gute Möglichkeit,town undgown näherzubringen.

Die Wissenschaftler der Uni sind aufgerufen, dazu beizutragen, daß die Hochschule in der Stadt mehr Präsenz zeigt. Ein Beitrag dazu wäre, dem URANIA Verein populärwissen­schaftliche Themenvorschläge aus For­schung und Lehre zu unterbreiten. Die Mit­arbeiter des Vereins sorgen dann für passen­de Termine der Vorträge, die auch honoriert werden. Sehr willkommen wäre eine för­dernde Mitgliedschaft im 450 Personen star­ken Verein. Die Universität ist bereits an der URANIA-Arbeit beteiligt. Wissenschaftler der Uni arbeiten als Referenten und im Vor­stand, wie z.B. Prof. Dr. Guido Baumann aus der Biochemie als stellvertretender Vereins­vorsitzender. Der Geograph Prof. Dr. em.

Klaus Bürger, jahrelang Vereinsvorsitzen­der, und der Zoologe Prof. Dr. em. Erich Rutschke sind Träger des jährlich verliehe­nen‚Wilhelm-Foerster-Preises". Wer sein Fach oder seine Forschung vor­stellen oder Themenvorschläge unterbrei­ten möchte, melde sich telefonisch unter 0331/291741 bei Renate Bormann.

Rainer Schnoor

ZUM QUOTENURTEIL DES EUGH

Der Europäische Gerichtshof(EuGH) hat am 11. November 1997 entschieden, daß das Frauenfördergesetz von Nordrhein­Westfalen nicht grundsätzlich den Gleich­behandlungsrichtlinien der EU-Gemein­schaft widerspricht. Die Gleichstellungs­beauftragte der Universität Potsdam, Mo­nika Stein, nimmt dazu wie folgt Stellung:

Für mich ist das Urteil unter mehreren Ge­sichtspunkten bemerkenswert. Der EUCH hatte über die Rechtsmäßigkeit von Quoten zu entscheiden, also über die Zulässigkeit positiver Maßnahmen zur Frauenförderung, wie sie in modifizierter Form in den Frauenförderrichtlinien(FFR) der Universität verankert wurden. Die FFR sehen bei Ein­stellungen und Beförderungen für Frauen eine Vorrangregelung mit Öffnungsklausel vor, d.h. sind Frauen in einer Qualifikations­stufe oder Besoldungsgruppe unterreprä­sentiert, sind Frauen unter Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zu bevorzugen. Ins­besondere diese Regelung wurde im Dis­kussionsprozeß zu den FFR heftig attackiert und als verfassungswidrig deklariert.

In der nun vorliegenden Urteilsbegründung des EuCH wird ausdrücklich festgestellt, daß solche Vorrangregelungen dazu beitra­gen können,ein Gegengewicht zu den nachteiligen Auswirkungen zu schaffen..., die sich für weibliche Bewerber aus den tra­ditionellen Verhaltensmustern und Struktu­ren der Gesellschaft ergeben. Es wird wei­ter ausgeführt, daß diegeltenden Rechts­vorschriften über die Gleichbehandlung, die zur Stärkung des Rechts des einzelnen erlas­sen wurden, nicht ausreichen, um alle fakti­sche Ungleichheit zu beseitigen, wenn nicht die Regierung, die Sozialpartner und sonsti­ge beteiligte Stellen gleichzeitig tätig wer­den, um gegen die Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt vorzugehen.... Gerade in dieser Begründung sehe ich eine positive Entwicklung in der Rechtsprechung, die berücksichtigt, daß Frauen nicht deshalb bevorzugt werden, weil sie Frauen sind, son­dern weil Frauen in bestimmten Bereichen unterrepräsentiert sind und dies dem Gleich­

. berechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG

widerspricht und deshalb durch eine Vor­rangsregelung verändert werden soll.

DER CHOR UND SEINE

WANDLUNGEN

Mit der Chefdramaturgin des Hans Otto Theaters im Gespräch

Die Bemühungen um eine engere Zu­sammenarbeit von Hans Otto Theater (HOT) und Univer­sität Potsdam tra­gen Früchte. An­knüpfungspunkte gibt es viele. So fand Mitte Oktober 1997 auf der Thea­terbühne in der Zimmerstraße das zweitä­gige SymposiumDer Chor im antiken und modernen Drama des Institutes für Klassische Philologie statt. Der Chor in seiner Vielfältigkeit und Wandlung, ange­fangen von der griechischen Antike über das Theater Bertolt Brechts bis hin zu Fil­men Woody Allens, stand dabei im Mittel­punkt. Die Referenten der nicht aus­schließlich für Insider gedachten Veran­staltung waren Wissenschaftler und Thea­terleute aus Berlin, Greifswald, Tübingen, München, Potsdam ebenso wie aus Paler­mo, Bologna und London. Zu Eindrücken und Ergebnissen der Tagung befragte PUTZ-Redakteurin Dr. Barbara Eckardt die Chefdramaturgin des HOT, Heike Wintz.

PUTZ: Der Chor stellt bekanntermaßen den Ursprung des Theaters dar. Deshalb liegt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik auch durch Theaterleute nahe. Wie kam es aber zum gemeinsamen Symposium mit der Uni?

Heike Wintz: Die erste Begegnung zwi­schen der Hochschule und unserem Thea­ter resultierte aus der Kontaktaufnahme von seiten der Uni-Pressestelle. Daraus entwik­kelten sich Ideen. Im Falle des Symposiums kam Prof. Dr. Peter Riemer aus dem Institut für Klassische Philologie auf uns zu. Das Theater vor der Haustür, wollte er es für seine wissenschaftliche Konferenz zum Thema Chor zum gegenseitigen Nutzen einbeziehen.

PUTZ: Das Theater ist bis heute ein Ort, an dem Besonderes schaubar gemacht wird, so formulierten Sie es. Welche Rolle spiel­te bzw. spielt der Chor beim Sichtbar­machen?

Heike Wintz: Im Gegensatz zum Musik­theater, wo der Chor nach wie vor ein tra­gendes Element ist, hat sich seine Funkti­on im Schauspiel im Laufe der Jahrhunder­te doch erstaunlich gewandelt. Das zeigte auch dieses Symposium ganz deutlich. Schon im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Chor immer weniger eingesetzt. Heutige Autoren, wie beispielsweise Heiner Müller,

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PUTZ 9/97