DER URANIA-VEREIN POTSDAM
Oxford und Cambridge haben das Problem von„town“ und„gown“, von Stadt und Talar, das Problem des Verhältnisses von Stadt und Universität. Potsdam hat dies auch. Trotz vieler Bemühungen und trotz eines Kooperationsvertrages zwischen der Stadt und der Universität ist die Hochschule bisher nicht nur geographisch peripher. Zu wenig spürt man die Uni im geistig-kulturellen Leben der Stadt.
Eine Möglichkeit, hier Brücken zu bauen, sich selbst und sein Gebiet einem nichtuniversitären Publikum vorzustellen, bietet der URANIA-Verein ‚Wilhelm Foerster“ e.V. Potsdam. Entstanden im Jahre 1991, gegründet auf eine lange Tradition der Bemühung um wissenschaftliche Volksbildung, sorgt sich der Verein um die Vermittlung wissenschaftlicher und kultureller Kenntnisse für ein breites Publikum.
Sprachkurse, Vorträge zu naturwissenschaftlich-technischen Themen, zu Rechtsfragen, zu Geschichte, Kunst und Kultur des Auslands und Deutschlands prägen das Profil des Vereins. Besondere Aufmerksamkeit erfahren Geschichte und Kultur des Landes Brandenburg und Potsdams. Die Reihe der „Lindstedter Begegnungen— Gespräche über Preußen“ mit prominenten Referenten, begonnen durch Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe, ist ein besonderer Beitrag auf diesem Gebiet. Hier profitiert der Verein von seinen guten Beziehungen zu anderen Kultur- und Bildungsträgern der Region.
Wie sieht das Publikum der URANIA aus? Der Kreis der Besucher reicht von Schülern bis zu bildungsinteressierten Senioren. Zumeist sind es etwa 20 bis 25 Teilnehmer pro Vortrag, die in den späten Nachmittagsstunden oder am Abend den Weg in das schöne URANIA-Haus im Holländischen Viertel, in der Brandenburger Straße 38 finden. Diese Größe garantiert eine angenehme Kommunikationsatmosphäre und ist eine gute Möglichkeit,„town“ und„gown“ näherzubringen.
Die Wissenschaftler der Uni sind aufgerufen, dazu beizutragen, daß die Hochschule in der Stadt mehr Präsenz zeigt. Ein Beitrag dazu wäre, dem URANIA Verein populärwissenschaftliche Themenvorschläge aus Forschung und Lehre zu unterbreiten. Die Mitarbeiter des Vereins sorgen dann für passende Termine der Vorträge, die auch honoriert werden. Sehr willkommen wäre eine fördernde Mitgliedschaft im 450 Personen starken Verein. Die Universität ist bereits an der URANIA-Arbeit beteiligt. Wissenschaftler der Uni arbeiten als Referenten und im Vorstand, wie z.B. Prof. Dr. Guido Baumann aus der Biochemie als stellvertretender Vereinsvorsitzender. Der Geograph Prof. Dr. em.
Klaus Bürger, jahrelang Vereinsvorsitzender, und der Zoologe Prof. Dr. em. Erich Rutschke sind Träger des jährlich verliehenen„‚Wilhelm-Foerster-Preises". Wer sein Fach oder seine Forschung vorstellen oder Themenvorschläge unterbreiten möchte, melde sich telefonisch unter 0331/291741 bei Renate Bormann.
Rainer Schnoor
ZUM QUOTENURTEIL DES EUGH
Der Europäische Gerichtshof(EuGH) hat am 11. November 1997 entschieden, daß das Frauenfördergesetz von NordrheinWestfalen nicht grundsätzlich den Gleichbehandlungsrichtlinien der EU-Gemeinschaft widerspricht. Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Potsdam, Monika Stein, nimmt dazu wie folgt Stellung:
Für mich ist das Urteil unter mehreren Gesichtspunkten bemerkenswert. Der EUCH hatte über die Rechtsmäßigkeit von Quoten zu entscheiden, also über die Zulässigkeit positiver Maßnahmen zur Frauenförderung, wie sie in modifizierter Form in den Frauenförderrichtlinien(FFR) der Universität verankert wurden. Die FFR sehen bei Einstellungen und Beförderungen für Frauen eine Vorrangregelung mit Öffnungsklausel vor, d.h. sind Frauen in einer Qualifikationsstufe oder Besoldungsgruppe unterrepräsentiert, sind Frauen unter Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zu bevorzugen. Insbesondere diese Regelung wurde im Diskussionsprozeß zu den FFR heftig attackiert und als verfassungswidrig deklariert.
In der nun vorliegenden Urteilsbegründung des EuCH wird ausdrücklich festgestellt, daß solche Vorrangregelungen dazu beitragen können,„ein Gegengewicht zu den nachteiligen Auswirkungen zu schaffen...“, die sich für weibliche Bewerber aus den traditionellen Verhaltensmustern und Strukturen der Gesellschaft ergeben. Es wird weiter ausgeführt, daß die„geltenden Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung, die zur Stärkung des Rechts des einzelnen erlassen wurden, nicht ausreichen, um alle faktische Ungleichheit zu beseitigen, wenn nicht die Regierung, die Sozialpartner und sonstige beteiligte Stellen gleichzeitig tätig werden, um gegen die‘ Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt vorzugehen...“. Gerade in dieser Begründung sehe ich eine positive Entwicklung in der Rechtsprechung, die berücksichtigt, daß Frauen nicht deshalb bevorzugt werden, weil sie Frauen sind, sondern weil Frauen in bestimmten Bereichen unterrepräsentiert sind und dies dem Gleich
. berechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG
widerspricht und deshalb durch eine Vorrangsregelung verändert werden soll.
DER CHOR UND SEINE
WANDLUNGEN
Mit der Chefdramaturgin des Hans Otto Theaters im Gespräch
Die Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit von Hans Otto Theater (HOT) und Universität Potsdam tragen Früchte. Anknüpfungspunkte gibt es viele. So fand Mitte Oktober 1997 auf der Theaterbühne in der Zimmerstraße das zweitägige Symposium„Der Chor im antiken und modernen Drama“ des Institutes für Klassische Philologie statt. Der Chor in seiner Vielfältigkeit und Wandlung, angefangen von der griechischen Antike über das Theater Bertolt Brechts bis hin zu Filmen Woody Allens, stand dabei im Mittelpunkt. Die Referenten der nicht ausschließlich für Insider gedachten Veranstaltung waren Wissenschaftler und Theaterleute aus Berlin, Greifswald, Tübingen, München, Potsdam ebenso wie aus Palermo, Bologna und London. Zu Eindrücken und Ergebnissen der Tagung befragte PUTZ-Redakteurin Dr. Barbara Eckardt die Chefdramaturgin des HOT, Heike Wintz.
PUTZ: Der Chor stellt bekanntermaßen den Ursprung des Theaters dar. Deshalb liegt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik auch durch Theaterleute nahe. Wie kam es aber zum gemeinsamen Symposium mit der Uni?
Heike Wintz: Die erste Begegnung zwischen der Hochschule und unserem Theater resultierte aus der Kontaktaufnahme von seiten der Uni-Pressestelle. Daraus entwikkelten sich Ideen. Im Falle des Symposiums kam Prof. Dr. Peter Riemer aus dem Institut für Klassische Philologie auf uns zu. Das Theater vor der Haustür, wollte er es für seine wissenschaftliche Konferenz zum Thema Chor zum gegenseitigen Nutzen einbeziehen.
PUTZ: Das Theater ist bis heute ein Ort, an dem Besonderes schaubar gemacht wird, so formulierten Sie es. Welche Rolle spielte bzw. spielt der Chor beim Sichtbarmachen?
Heike Wintz: Im Gegensatz zum Musiktheater, wo der Chor nach wie vor ein tragendes Element ist, hat sich seine Funktion im Schauspiel im Laufe der Jahrhunderte doch erstaunlich gewandelt. Das zeigte auch dieses Symposium ganz deutlich. Schon im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Chor immer weniger eingesetzt. Heutige Autoren, wie beispielsweise Heiner Müller,
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PUTZ 9/97