lassen bei der Bearbeitung klassischer Stoffe den Chor oftmals wegfallen. Es gibt an
dererseits Inszenierungen, in denen Antikenchöre in unterschiedlichen Einzelpersonen oder gar in eine einzige Figur aufgelöst werden. PUTZ: Woraus resultiert Ihrer Meinung nach diese veränderte Stellung?
Heike Wintz: In den bürgerlichen Dramen der vergangenen Jahrhunderte dominieren individuelle Konflikte. Der Chor hat dor deshalb keine Funktion. Heute gerät das Phänomen des Individuellen wieder ins Wanken. Das heißt, der Chor wird, wenn auch anders als im antiken Drama, wieder eingesetzt. So haben beispielsweise Regisseure wie Frank Castorf, Christoph Marthaler oder Einar Schleef Stücke chorisch umgesetzt, die das in den Textfassungen gar nicht vorsahen.
PUTZ: Nach Auffassung Prof. Riemers ist der Chor in seiner Natürlichkeit jedoch bis heute nicht wiedererstanden.
Heike Wintz: Ich führe diese Tatsache auf die schon genannte Entwicklung zur Individualisierung zurück. Bei diesen auf die Bühne gebrachten individuellen Konflikten fehlt der mythologische Hintergrund, daher auch der Chor mit seinen früheren Aufgaben. Das einheitliche Weltbild als Voraussetzung für antike Chöre existiert nicht mehr. PUTZ: Nicht nur Theorie stand auf dem Tagungsprogramm... Heike Wintz: Verschiedene Regisseure haben, unterstützt von Videovorführungen, über ihre Inszenierungen gesprochen. Für den Workshop„Der Chor: Sprechen, Bewegen, Rhythmus“ bildete das Stück„Werwölfe“ von Stefan Schütz, das 1995 am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt wurde, die Arbeitsgrundlage. Hier hat der Chor die Funktion, Volk wiederzugeben, ist er Gestaltungselement. An diesem Beispiel zeigte sich für alle Beteiligten, daß für solche Aufführungen eine intensive Vorarbeit nötig ist. Denn das Zusammenatmen, Zusammensprechen als chorische Leistung verlangt umfangreiche Probenzeit. PUTZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Chöre im Iyrischen Drama„Euripides’ Bakchen“ von Arghyris Kounadis, hier ein Szenenausschnitt, gehörten zum Themenkreis
des Symposiums.
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WER OHREN HAT, DER HÖRE!
Gelungene Premiere des Universitätsorchesters
Jeweils vor ausverkauftem Haus debütierte das im April neugegründete Orchester der Uni Potsdam am 13. und 14. November 1997 mit Werken von Beethoven, Mozart und Mendelssohn im Audimax am Neuen Palais. Einem Konzert und einem Hörsaal im wörtlichen Sinne entsprechend, sollte das„Haupt-Ohrenmerk“ dabei auf das(Zu-)Hören gerichtet werden. Den Gegrüßungsworten von Kristian Commichau, Professor für Chor- und Ensembleleitung am Institut für Musik und Musikpädagogik sowie Orchesterleiter, konnte man entnehmen, welche prioritären Ziele sich das Laienorchester gesetzt hat. Von Identifikationsmöglichkeiten mit der eigenen Universität war hier die Rede und von einem instituts- und fakultätsübergreifenden„Spielraum“. Das gemeinsame Musizieren der Studierenden, Mitarbeiter und Professoren, auch mit außeruniversitären Interessierten, stehe im Mittelpunkt. Die überwiegende Mehrheit des Publikums hatte die Botschaft gehört und honorierte die konzentrierte und klanglich vielseitig gestaltete Premierenleistung des Orchesters mit herzlichem und langanhaltendem Beifall. Aber nicht alle hatten neben den Tönen auch den Worten gelauscht. Es waren jene, welche ihr musikalisches Hörvermögen beweisen und andere belehren wollten, an welchen Stellen es sich gehört zu applaudieren. Ja, sie trauten sich gar zu kommentieren, welche Nachricht sie den Gesichtern einzelner Instrumentalisten entnehmen konnten. Köstlich, wie ein Beobachter darin entschuldigende Überforderung, eine andere aber„Spielfreude pur“ abzulesen imstande war. Und so relativiert sich letzt
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Kompositionen von Beethoven, Mozart und Mendelssohn standen auf dem Programm der ersten Konzerte des Uni-Orchesters.,
Foto: Fritze
endlich vieles auf den überaus positiven Gesamteindruck, den dieser erste Schritt
des Universitätsorchesters an die Öffent
lichkeit hinterlas Die Nennung de
Musikdirektor der Humboldt-Universität zu Berlin, hätte dagegen unbedingt einer se
rnösen Informa
Aufgrund dessen persönliche
gen mit der Lei ist seine bemerkenswer Commichaus zu
Besetzung und
sen hat. s Solisten Constantin Alex,
ionspflicht entsprochen. Erfahrunung von Laienorchestern Einladung als er Schachzug Kristian werten. Alex überzeugte
mit brillantem Klavierspiel und durch seine Flexibilität, Anpassungsvermögen nicht
nur zu erwarten
mitzuverantworten.
Dem Orchester tung des näch
‚ sondern gleichermaßen
ist auch für die Erarbeisten Programmes Lust,
Schwung und die nötige Beharrlichkeit beim„musikalischen Arbeiten“ zu wün
schen. Zukünfti
g nicht mehr kümmern
wollen wir uns um Dinge, die dieses Mal un-erhört blieben und somit unerhört wa
ren:
Werner Beidinger
KUNST IN DER BIBLIOTHEK- STUDENTEN STELLEN AUS
Schon zur Tradition geworden sind kleine Ausstellungen in der Bibliothek des UniStandortes Golm. Jetzt zeigen noch bis Semesterende vier Prüfungskandidaten der Lehramtsstudiengänge Kunst Ergebnisse aus ihren Examina der Kunst- und KGestaltungspraxis. Diese aus einem breiten Spektrum ausgewählten Werke dokumentieren die Intensität der künstlerischen Auseinandersetzung der jungen Leute. Die Konzentration und Reduzierung dieser Exposition auf die tradierten Kunstarten Malerei und Graphik würden jedoch keine Einengung der künstlerischen Tätigkeit der Studierenden bedeuten, so Harald Herzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lernbereich musisch-ästhetische Erziehung des Institutes für Grundschulpädagogik. Vielmehr enthielten die Lehrangebote im Grund- und Hauptstudium alle wichtigen Ausdrucksmöglichkeiten. Der interessante Eindruck der Ausstellung„Absolventen stellen sich vor“ wird etwas beeinträchtigt durch
die teilweise räumliche Trennung thematisch zusammenhängender Arbeiten. Dennoch lohnt ein Besuch auf jeden Fall. Kunstliebhaber können die Bilder in der Bibliothek, Haus 22, des Uni-Komplexes Golm in Augenschein nehmen. Die Einrichtung ist montags bis donnerstags von 9.00 bis 20.00 Uhr, freitags von 9.00 bis 16.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 14.00 Uhr geöffnet. B.E./Foto: Fritze
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