Titel
PUTZ 1-2/01
Von wegen Lehrerbildung
Die Praxis kommt zu kurz - Eigene Unterrichtsuersuche kaum möglich
eigentlich nicht. Es soll sogar Lehramtsstudenten geben, die ihr Studium ohne ein einziges Referat und schweigend verbracht haben. Es gibt ja auch nichts, das sie daran hindern könnte. Das Referendariat ist oftmals mehr Qual als Hilfe. Es gibt die drei - Vorgesetzten, nicht wählbaren - Seminarleiter, mit denen alles steht und fällt, vom Unterrichtsstil bis zur Staatsexamensnote. Und auch hier erhalten theoretische Traktate viel Aufmerksamkeit.
suche. Vorbereitet wird man auf die damit verbundenen entscheidenden Fragen jedoch wieder nicht. Ziemlich auf sich allein gestellt erfolgt die Suche nach dem besten Mittel, um eine Klasse zur Ruhe zu bringen oder mehr Beteiligung am Unterricht zu erreichen.
Entrümpelung
Doch das muss nicht so sein. Um besser vorbereitet in den Beruf zu starten, scheinen
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Auch in Brandenburg werden aus Altersgründen in den nächsten Jahren viele Lehrer ihre Schielen verlassen. Sowohl die Kollegien als auch die Schüler warten dann auf die neuen “Pauker”. Für ihre Ausbildung sorgt im Land allein die Universität Potsdam. Foto: Tribukeit
Tischler wird man, indem man lernt, mit Holz zu arbeiten. Verkäufer, indem man verkauft. Lehrer soll man werden, indem man in Vorlesungen und Seminaren sitzt - und zuhört. Nun braucht man als Lehrer aber mehr als bloßes Fachwissen: Es geht um die Kunst, mit Schülern umgehen und Wissen vermitteln zu können. Diese aber wird kaum gelehrt, meint der Lehramtsstudent Frederik Ahlgrimm.
Dieses Problem scheint man in Potsdam erkannt zu haben: Die Studenten müssen mindestens 30 Semesterwochenstunden Erziehungswissenschaften belegen, viel mehr als in anderen Bundesländern. Und doch: Zum Lehrer wird man dabei nicht gemacht, denn die Betonung liegt auf Wissenschaft. Man lernt Theorien kennen und über sie zu reden. Den Schülern soll man es nachher, Pestalozzi gemäß, ermöglichen, mit Kopf, Herz und Hand zu lernen - im Studium wird davon konsequent nur der erste Teil eingelöst. Vor einer Klasse steht man bis auf die wenigen Stunden im Rahmen der Fachdidaktiken gar nicht. Etwa dreitausend Stunden verbringen angehende Lehrer in der Universität - bloß zwei Dutzend am Lehrerpult. Das ist fatal: Denn als Lehrer muss man unablässig handeln. Darüber reden hilft in der Schule nicht.
Im Referendariat zu spät
Nun mag jemand auf das Referendariat verweisen, in dem man all das lernen soll, was man nachher wirklich braucht, um sein Fachwissen zu vermitteln. Da aber ist es zu spät. Nach vier oder fünf Jahren Studium fallt es schwer, die Berufswahl zu ändern - und vorher wird man kaum erkennen, ob sie richtig war oder nicht. Denn erst im Hauptstudium stehen die Studis vor eine Klasse, und dann nur für wenige Stunden. Eine Möglichkeit, vor dem Referendariat wegen offensichtlicher pädagogischer Nichteignung auf- oder durchzufällen, gibt es
Die Trennung von Universität und Schule, von Theorie und Praxis führt dazu, dass Austausch von Erfahrungen und Personal über diese Grenze hinweg nicht stattfinden kann. Mit zwei Ausnahmen: die Universitätsdozenten mit langjähriger Schulerfährung und die Lehrer, die für wenige Stunden an die Uni abgeordnet werden, um dort etwa in der Fachdidaktik zu unterrichten. In deren Seminaren wird alles auf Verwendbarkeit im Unterricht überprüft. Nur sie schaffen die entscheidenden Bezüge zwischen Theorie und der alles entscheidenden Schulpraxis. Und trotzdem gilt: Selbst ausprobieren kann man das Gelernte an der Uni nicht. Für den wichtigsten Bestandteil der Ausbildung halte ich daher die eigenen Unterrichtsver
Änderungen des gegenwärtigen Ausbildungssystems nötig. Und die müssten nicht einmal sehr umfangreich sein. Ohne eine Plntriimpelung von Seminaren und Vorlesungen ginge es aber wohl nicht. Ein Großteil der theoretischen Beiträge kann problemlos ersetzt werden durch Rollenspiele, Kommunikationstraining und unterrichtspraktische Übungen.
In großem Umfang, von Anfang an und studienbegleitend. Unterrichtet werden müsste die Didaktik von Praktikern.
Frühes Training
Wir reden von Lehrerbildung. Am zukünftigen Lehrer wird aber bisher nichts gebildet, was
ihm helfen würde, den Berufsstart ohne große Schwierigkeiten zu meistern. Zukünftig müssten Stärken und Schwächen jedes Einzelnen auch im Seminar thematisiert und behandelt werden. ln der derzeitigen Lehrerausbildung bleibt die Auseinandersetzung mit der Person des Lehrers jedoch vollständig aus. Weder dem Studenten noch seinen späteren Schülern ist damit geholfen, dass er seine Schwächen bis ins Referendariat mitschleppt. Gefragt ist hier Training, wenigstens für Körperhaltung und Rhetorik. Die Erziehungswissenschaften sollten sich dabei zur Aufgabe machen, keine Erziehungswissenschaftler, sondern Lehrer hervorzubringen, trainierte und gelehrte Praktiker.
Schon in der Uni müsste viel mehr im Team und mit gegenseitiger Unterstützung gearbeitet werden. Denn riesige Unsicherheiten entstehen, wenn von Beginn der Ausbildung an pädagogische Qualitäten immer nur verlangt, nie aber vermittelt werden. Das Feedback, das die Universität dem Einzelnen derzeit zukommen lässt, ist viel zu schwach. Wenn man aber nicht lernt, die eigenen Schwächen zu sehen und damit umzugehen, fällt es ungemein schwer, sich von anderen helfen zu lassen oder sogar um Hilfe zu bitten. So bilden sich schon in der Ausbildung Einzelkämpfer- mentalitäten heraus. Gruppengeist ist nirgendwo gefragt. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass sich in den meisten Lehrerzimmern aus Angst voreinander niemand in seine Karten gucken lässt.
Universität und Schule müssten enger Zusammenarbeiten, sei es, dass die Studenten mehr Zeit aktiv in der Schule verbringen, sei es, dass berufstätige Lehrer für Fortbildungen wieder in die Universitäten zurückkehren. Vom Austausch können beide Seiten nur profitieren: die
Studenten von den Erfahrungen der Lehrer und diese vom Elan und den neuen Ideen ihrer Nachfolger.
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