Heft 
(1.1.2019) 01
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Forschung

PUTZ 1-2/01

Was die Unis lernen können

Ein Wirtschaftsmann über

Wir schreiben das Jahr 2005. Die Universität Potsdam hat eine zügige Universitäts­reform hinter sich gebracht, in der ideale Studienbedingun­gen, Internationalität und Kundenorientierung im Vor­dergrund standen. Wer ein juristisches, wirtschafts- oder sozialwissenschaftliches Stu­dium plant, kommt nun an der Uni Potsdam nicht mehr vorbei.

Dieses Bild zeichnete Heinz Knebel, seit Juni 2000 Hono­rarprofessor an der Wirtschafts­und Sozial wissenschaftlichen

Fakultät, in seiner Antrittsvor­lesung. Zuvor hatte er mit Kritik an der aktuellen Situation der deutschen Hochschulen nicht gespart. Knebel legte den Universitäten nahe, von der Wirtschaft zu lernen, wenn sie zukünftig im internationalen Vergleich zur Weltspitze gehören wollen.

Die Wirtschaft reagiere bereits auf die stetig zunehmende Globalisierung, deren Auswir­kungen nicht nur dort, sondern auch auf dem Aus- und Weiter­bildungsmarkt zu spüren seien.

Die internationale Konkurrenz wächst und Innovationen kom­men immer schneller auf den Markt. Unternehmen, die diese Entwicklung überdauern wollen, müssen ihre Strukturen und Arbeitsbedingungen ändern.In der alten Industriegesellschaft kam es darauf an, unter hierar­chischer Kontrolle zu funktio­nieren und einmal gespeichertes Faktenwissen bei Bedarf abzu­rufen, erklärte Knebel. Diese Art von Wissen tauge heute, wo das Internet Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort zu geringen Kosten zugänglich macht, nichts mehr. Statt dessen seien Teamfähigkeit, Kreativität, Unternehmertum, Kontmuni- kations- und Medienkompetenz gefragt.

Eine besondere Bedeutung maß Knebel starken Persönlichkeiten an den Unternehmensspitzen zu, die sich einerden Fortschritt hemmenden Gleich­macherei und Reglemen­tierung widersetzen.

die Zukunft der Unis

Die Ausbildung solcher Persön­lichkeiten sieht Knebel allerdings nicht gewährleistet.

Orientierung am Wettbewerb

Wie man feststellen muss, fehlt es dem Nachwuchs bei aller guten - wenn auch meist zu ein­seitigen - fachlichen Ausbildung oft an dem wünschenswerten Persönlichkeitsprofil, da unsere Gesellschaft und auch die meis­ten Universitäten dieses nicht genügend fördern und be­lohnen, kritisierte Knebel. Gerade hier, so seine Überzeu­gung, können Universitäten von

Professoren können die Hochschul­politik und flhialität der Lehre rich­tungsweisend beeinflussen. Sie müssen es nur vehement wollen, meinte Heinz Knebel in seiner Antrittsvorlesung.

Foto: Fritze

der Wirtschaft lernen. Univer­sitäten müssten sich, wie Wirtschaftsunternehmen stärker auf den internationalen Wett­bewerb und eine internationale Kundenorientierung einlassen. Dies erfordere ein kundenorien­tiertes Management mit klaren Visionen, Strategien, Zielen und einem starken Umsetzungs­willen.

Bevor Knebel seine Vision der Uni Potsdam im Jahr 2005 deutlich machte, analysierte er den aktuellen Zustand.

Die deutschen Unis spielen heute in der zweiten und dritten Liga und sind schlecht vorberei­tet auf den internationalen Wettbewerb, konstatierte er. Deutschland habe eine geringe Attraktivität für die Besten aus dem Ausland. Obwohl Studieren an staatlichen deutschen Hochschulen kostenlos ist, bewerben sich nur wenige Ausländer. Von 50 000 Indern, die im Ausland studieren, sind in Deutschland nur 500 eingeschrieben. Kamen Mitte der 70-er Jahre noch mehr als die Hälfte der indonesischen Auslandsstudenten nach

Deutschland, waren es 1992 nur noch zwölf, heute sind es etwa fünf Prozent.

Eine der Ursachen sieht Knebel in cier Qualität des deutschen Studiums und dem daraus resul­tierenden Imageproblem. Es fehlen Spitzenhochschulen wie Harvard oder Stanford in den USA. Den deutschen Hochschulen mangele es an Internationalität. Gelehrt würde nicht in Englisch und interna­tional anerkannte Abschlüsse fehlten weitgehend. Es gebe keinen Bildungsmarkt und keinen Leistungs-Wettbewerb.

Knebel kritisierte auch das Verhalten gegenüber ausländi­schen Absolventen. In den USA blieben 80 Prozent der aus­ländischen Absolventen der Naturwissenschaften nach Ab­schluss ihrer Dissertation im Land und bereicherten dort den Arbeitsmarkt. In Deutschland dagegen erlischt die Aufenthalts­genehmigung und die Studen­ten müssen nach Abschluss des Studiums ausreisen.Wir bilden kluge Leute jahrelang kostspielig aus, und kaum sind sie fertig, schicken wir sie weg, kritisierte Knebel.

Auch habe sich hier noch nicht herumgesprochen, dass man mit Bildung Gelei verdienen könne. In Australien seien Universitäts­kurse inzwischen der drittgrößte Devisenbringer. In den USA sei Bildung der zweitgrößte Wirt­schaftsfaktor mit 740 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr.

Abhilfe könne, so Knebel, das neue Hochschulrahmengesetz schaffen, dass den Hochschulen mit Zustimmung der Länder- Kultusminister die Möglichkeit zu strukturellen Änderungen gäbe. Dabei denke er beispiels­weise an die Umwandlung der Hochschulen in Stiftungen, die Einstellung von Hochschul­lehrern auf Zeit und eine leis­tungsabhängige Vergütung.

Alternatiue

Die Wirtschafts- und Sozialwis­senschaftliche Fakultät der Uni Potsdam sieht Knebel trotz aller Kritik auf einem guten Weg an die Weltspitze. Er entwarf eine Vision für das Jahr 2005, in der jemand,der an ein juristisches oder wirtschafts- und sozialwis­senschaftliches Studium denkt, an Potsdam nicht mehr vor­beikommt. Erreichbar würde dieses Ziel durch konsequente Umsetzung eines 10-Punkte Plans, der unter anderem eine hohe Betreuungsdichte, Ein- gangsprüfungen, Studienge­bühren, eine Studienplanung gemeinsam mit der Wirtschaft und die Internationalität der Ausbildung beinhaltet. Die Professoren sollten nach seiner Ansicht nicht nur im Bereich der Forschung zur Weltspitze gehören, sondern auch gute Moderatoren und Berater sein, die begeistert an der Entwick­lung der Studenten arbeiten und diesen Höchstleistungen abver­langen.

Der Prozess zu dieser Univer­sität kostet für alle Verant­wortlichen viel, viel zusätzliche Arbeit und Ärger, warnte Knebel, aber er sei auf Dauer die einzige Alternative, um zu über­leben.

Besonders die Professoren nahm Knebel bei der Durchführung der notwendigen Reformen in die Pflicht. Sie seienin der Lage, die Hochschulpolitik und Qualität der Lehre rich­tungsweisend zu beeinflussen. Sie müssen es nur vehement wollen!

urs

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