Forschung
PUTZ 1-2/01
Was die Unis lernen können
Ein Wirtschaftsmann über
Wir schreiben das Jahr 2005. Die Universität Potsdam hat eine zügige Universitätsreform hinter sich gebracht, in der ideale Studienbedingungen, Internationalität und Kundenorientierung im Vordergrund standen. Wer ein juristisches, wirtschafts- oder sozialwissenschaftliches Studium plant, kommt nun an der Uni Potsdam nicht mehr vorbei.
Dieses Bild zeichnete Heinz Knebel, seit Juni 2000 Honorarprofessor an der Wirtschaftsund Sozial wissenschaftlichen
Fakultät, in seiner Antrittsvorlesung. Zuvor hatte er mit Kritik an der aktuellen Situation der deutschen Hochschulen nicht gespart. Knebel legte den Universitäten nahe, von der Wirtschaft zu lernen, wenn sie zukünftig im internationalen Vergleich zur Weltspitze gehören wollen.
Die Wirtschaft reagiere bereits auf die stetig zunehmende Globalisierung, deren Auswirkungen nicht nur dort, sondern auch auf dem Aus- und Weiterbildungsmarkt zu spüren seien.
Die internationale Konkurrenz wächst und Innovationen kommen immer schneller auf den Markt. Unternehmen, die diese Entwicklung überdauern wollen, müssen ihre Strukturen und Arbeitsbedingungen ändern. “In der alten Industriegesellschaft kam es darauf an, unter hierarchischer Kontrolle zu funktionieren und einmal gespeichertes Faktenwissen bei Bedarf abzurufen”, erklärte Knebel. Diese Art von Wissen tauge heute, wo das Internet Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort zu geringen Kosten zugänglich macht, nichts mehr. Statt dessen seien Teamfähigkeit, Kreativität, Unternehmertum, Kontmuni- kations- und Medienkompetenz gefragt.
Eine besondere Bedeutung maß Knebel starken Persönlichkeiten an den Unternehmensspitzen zu, die sich einer “den Fortschritt hemmenden Gleichmacherei und Reglementierung” widersetzen.
die Zukunft der Unis
Die Ausbildung solcher Persönlichkeiten sieht Knebel allerdings nicht gewährleistet.
Orientierung am Wettbewerb
“Wie man feststellen muss, fehlt es dem Nachwuchs bei aller guten - wenn auch meist zu einseitigen - fachlichen Ausbildung oft an dem wünschenswerten Persönlichkeitsprofil, da unsere Gesellschaft und auch die meisten Universitäten dieses nicht genügend fördern und belohnen”, kritisierte Knebel. Gerade hier, so seine Überzeugung, können Universitäten von
Professoren können die Hochschulpolitik und flhialität der Lehre richtungsweisend beeinflussen. Sie müssen es nur vehement wollen, meinte Heinz Knebel in seiner Antrittsvorlesung.
Foto: Fritze
der Wirtschaft lernen. Universitäten müssten sich, wie Wirtschaftsunternehmen stärker auf den internationalen Wettbewerb und eine internationale Kundenorientierung einlassen. Dies erfordere ein kundenorientiertes Management mit klaren Visionen, Strategien, Zielen und einem starken Umsetzungswillen.
Bevor Knebel seine Vision der Uni Potsdam im Jahr 2005 deutlich machte, analysierte er den aktuellen Zustand.
Die deutschen Unis spielen heute in der zweiten und dritten Liga und sind schlecht vorbereitet auf den internationalen Wettbewerb, konstatierte er. Deutschland habe eine geringe Attraktivität für die Besten aus dem Ausland. Obwohl Studieren an staatlichen deutschen Hochschulen kostenlos ist, bewerben sich nur wenige Ausländer. Von 50 000 Indern, die im Ausland studieren, sind in Deutschland nur 500 eingeschrieben. Kamen Mitte der 70-er Jahre noch mehr als die Hälfte der indonesischen Auslandsstudenten nach
Deutschland, waren es 1992 nur noch zwölf, heute sind es etwa fünf Prozent.
Eine der Ursachen sieht Knebel in cier Qualität des deutschen Studiums und dem daraus resultierenden Imageproblem. Es fehlen Spitzenhochschulen wie Harvard oder Stanford in den USA. Den deutschen Hochschulen mangele es an Internationalität. Gelehrt würde nicht in Englisch und international anerkannte Abschlüsse fehlten weitgehend. Es gebe keinen Bildungsmarkt und keinen Leistungs-Wettbewerb.
Knebel kritisierte auch das Verhalten gegenüber ausländischen Absolventen. In den USA blieben 80 Prozent der ausländischen Absolventen der Naturwissenschaften nach Abschluss ihrer Dissertation im Land und bereicherten dort den Arbeitsmarkt. In Deutschland dagegen erlischt die Aufenthaltsgenehmigung und die Studenten müssen nach Abschluss des Studiums ausreisen. “Wir bilden kluge Leute jahrelang kostspielig aus, und kaum sind sie fertig, schicken wir sie weg”, kritisierte Knebel.
Auch habe sich hier noch nicht herumgesprochen, dass man mit Bildung Gelei verdienen könne. In Australien seien Universitätskurse inzwischen der drittgrößte Devisenbringer. In den USA sei Bildung der zweitgrößte Wirtschaftsfaktor mit 740 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr.
Abhilfe könne, so Knebel, das neue Hochschulrahmengesetz schaffen, dass den Hochschulen mit Zustimmung der Länder- Kultusminister die Möglichkeit zu strukturellen Änderungen gäbe. Dabei denke er beispielsweise an die Umwandlung der Hochschulen in Stiftungen, die Einstellung von Hochschullehrern auf Zeit und eine leistungsabhängige Vergütung.
Alternatiue
Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Uni Potsdam sieht Knebel trotz aller Kritik auf einem guten Weg an die Weltspitze. Er entwarf eine Vision für das Jahr 2005, in der jemand, “der an ein juristisches oder wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Studium denkt, an Potsdam nicht mehr vorbeikommt.” Erreichbar würde dieses Ziel durch konsequente Umsetzung eines 10-Punkte Plans, der unter anderem eine hohe Betreuungsdichte, Ein- gangsprüfungen, Studiengebühren, eine Studienplanung gemeinsam mit der Wirtschaft und die Internationalität der Ausbildung beinhaltet. Die Professoren sollten nach seiner Ansicht nicht nur im Bereich der Forschung zur Weltspitze gehören, sondern auch gute Moderatoren und Berater sein, die begeistert an der Entwicklung der Studenten arbeiten und diesen Höchstleistungen abverlangen.
“Der Prozess zu dieser Universität kostet für alle Verantwortlichen viel, viel zusätzliche Arbeit und Ärger”, warnte Knebel, aber er sei auf Dauer die einzige Alternative, um zu überleben.
Besonders die Professoren nahm Knebel bei der Durchführung der notwendigen Reformen in die Pflicht. Sie seien “in der Lage, die Hochschulpolitik und Qualität der Lehre richtungsweisend zu beeinflussen. Sie müssen es nur vehement wollen!”
urs
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