Heft 
(1.1.2019) 01
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PUTZ 1-2/01

Forschung

Menschenwerk oder Laune der Natur?

Axel Bronstert hielt Antrittsvorlesung

Weltweit haben Hochwasser und die daraus resultierenden Schäden in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Schnell ist der Mensch als Verursacher dieser Katastro­phen gefunden. Axel Bron­stert, Professor für Geo­ökologie an der Uni Potsdam, warnte in seiner Antrittsvor­lesung aber vor vorschnellen, undifferenzierten Urteilen.

Im Juli 1997 kam es nach starken Regenfällen zu einem Jahrhunderthochwasser an der Oder. Ganz Deutschlanci hielt den Atem an, als viele tausend Helfer versuchten, dem aufsteigenden Wasser Paroli zu bieten. Der Schaden ging in die Millionen.

Das Hochwasser an der Oder ist keineswegs das einzige Ereignis dieser Art im letzten Jahrzehnt. Viele werden noch die dramati­schen Überschwemmungen in Mocambique oder in England und Portugal im vergangenen Jahr vor Augen haben. Die Liste der Hochwasser ist schier end­los: der Rhein stieg 1993 und 1995 stärker als üblich über seine Ufer, im Jahr 1999 war es die Donau. Auch international hatten viele Länder mit Hoch­wassern zu kämpfen, beispiels­weise die iberische Halbinsel, die Slowakei, Mittelamerika, China, Bangladesh, Frankreich, die Schweiz, Venezuela, Rumänien, Ungarn, Italien, Südspanien und Nordengland.

Hochwasser kein Zufall

Wer ist schuld an diesen extremen Überschwemmungen mit teils hohen Folgeschäden? In der Öffentlichkeit ist diese Frage schon gelöst, meinte Axel Bronstert und spielte damit auf Veröffentlichungen in den Medien an, in denen dem Menschen die Verantwortung für diese Katastrophen zuge­schrieben wird. Doch Bronstert warnte vor allzu pauschalen Urteilen.

Zwar ist es richtig, dass die hochwasserbedingten Schäden in den letzten Jahren drastisch

gestiegen sind. Dies wird zum Beispiel durch Zahlen des Versicherungsunternehmens Münchener Rück belegt. In deren Statistiken ist die Hälfte aller Schäden, die durch Natur­katastrophen entstehen, auf Hochwasser zurückzuführen.

Richtig ist sicher auch, dass der Mensch durch Eingriffe in die Natur auf verschiedene Faktoren einwirkt, die eine Entstehung von Hochwassern begünstigen können. Dazu gehören anthro­pogene Klimaveränderungen, die in Teilen Deutschlands für eine Zunahme und Verlän­gerung so genannter west­zonaler Wetterlagen sorgen. Wetterlagen, die kräftige Niederschläge bringen. Verän­dert hat sich auch das Landnutzungsverhalten der Menschen. Die Siedlungsfläche ist in den letzten 50 Jahren auf etwa das Doppelte angestiegen. Die Bewirtschaftungsart der Böden ist eine andere geworden. So legt die Flurbereinigung Felder zusammen, betoniert Wege, schafft Abwassergräben und sorgt damit für einen

höheren Abfluss des Regen­wassers in die Flüsse.

Doch Vorsicht ist geboten, wenn man aus einer dieser Tatsachen allein auf das Ausmaß einer Überschwemmung schlie­ßen will. Stets muss auch das Zusammenspiel zwischen Nie­derschlagsmenge, Abflussbil­

dung und Abflusskapazität des Flusssystems berücksichtigt wer­den.

Schaden größer

Wie sich das Einwirken des Menschen quantitativ auf die Entstehung von Hochwasser auswirken kann, demonstrierte Bronstert an einigen Beispielen. Der Vergleich der Abflussraten zweier nahe beieinander gelege­nen Flüsse im Kaiserstuhl zeigt den Einfluss der Flurbereini­gung. Plötzliche starke Gewitter ließen die maximale Abflussrate eines Flusses nach der Flurbe­reinigung um das 20fäche dessen ansteigen, um das die Abflussmenge in einem Fluss im naturbelassenen Gebiet stieg. Trotzdem ist die insgesamt über die Flüsse abgeflossene Menge des Niederschlags gering. Sie liegt bei nur einem bezie­hungsweise sechs Prozent.

Beim Rhein zeigen Aufzeich­nungen der letzten 20 Jahre, dass nicht nur die Niederschläge in seinem Einzugsgebiet zuge­nommen haben, sondern auch

die Abflussmengen tatsächlich angestiegen sind. Die Abfluss­kapazität ist dagegen gefallen, zum Beispiel aufgrund der Staustufen am Oberrhein, die den Fluss dort von seinen Über- schwemmungsflächen abschnei­den. Dadurch liegt Simulationen zufolge der Scheitel eines Hoch­wassers in Karlsruhe heute um

rund 15 Prozent höher als vor Beginn des Staustufenbaus (1932). Gleichzeitig ist das Schadenspotenzial durch

Ansiedlung von Industrie und Wohngebieten in den Über­schwemmungsbereichen dras­tisch angestiegen. Metropolen am Niederrhein, wie Düsseldorf, Duisburg oder Köln, müssten heute bei sehr großen Hochwassern mit Schadens­summen bis zu 40 Milliarden Mark rechnen, wenn keine Schutzmaßnahmen ergriffen würden.

Am Beispiel der Selke, ein Fluss im Harz, machte Bronstert deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur globale Klimaveränderun­gen, sondern auch die lokale Wetterlage zu berücksichtigen. Erst wenn beide Aspekte in eine Hochwassersimulation einflies- sen, wird deutlich, dass nicht immer von einer Zunahme der Überschwemmungen auszuge­hen ist. Vielmehr kann die Abflussmenge des Flusses je nach Jahreszeit ansteigen aber auch sinken. Ähnliches zeigen auch Berechnungen für die Mulde. In 50 Jahren, so die Szenarienrechnungen, wird die Hochwassergefahr bei Mulde und Elbe sogar rückläufig sein.

Quantitative Vorhersagen über die Entwicklung von Hoch­wassern, zu diesem Schluss kam Axel Bronstert, sind nur mit detaillierten Modellen unter Berücksichtigung aller Aspekte von der Niederschlagsmenge über die Bodenbeschaffenheit im Abflussgebiet bis hin zum Verhalten des Grundwassers zu haben. Eine Schlüsselfrage dabei wird sein, ob es gelingt, zuver­lässige Szenarien für lokale und regionale Starkregenfälle und Temperaturen zu entwickeln. Eine besonders große Bedeu­tung dürfte in Zukunft dem effektiven Hochwassermanage- ment zukommen. Dies beginnt bei der Erstellung zuverlässiger Wettervorhersagen, beinhaltet die Entscheidung, Gebiete am Flusslauf mit hohem Sachwert zu schützen, und endet bei effektiven Reaktionen im Schadensfall. urs

Weltweit haben Hochwasser in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In Mofambique standen im März 2000 weite Flächen unter Wasser. Foto: zg.

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