Heft 
(1.1.2019) 01
Einzelbild herunterladen

Forschung

PUTZ 1-2/01

Als die Landsknechte zu Kunstobjekten wurden

Aufschwung des Soldatenbildes im 16. Jahrhundert

v ~

««kr,

«Sa

Albrecht Dürer: Landsknecht von hinten gesehen. Die um 1500 entstandene Federzeichnung ist heute im Kupferstichkabinett Berlin zu sehen. Das hier gewählte Motiv zieht sich wie ein roter Faden dttrch die Soldatenbilder des 16. Jahrhunderts. Foto: Repro

Barett tragend, bunt geklei­det, mit einer Feder ge­schmückt, auf jeden Fall bär­tig, ein bisschen wild, aber auch irgendwie abenteuerlich, das sind die Insignien eines Soldatenbildes aus längst ver­gangenen Tagen. Was eigent­lich dahinter steckt, welche Lebenswirklichkeit und Fremd­wahrnehmung sich damit ver­band, wollte Dr. Matthias

Rogg, Lehrbeauftragter im Historischen Institut der Universität Potsdam genau wissen. Er beschäftigte sich deshalb mit der Darstellung von Kriegsleuten in Bildern des 16. Jahrhunderts.

Was sich ihm bot, war eine

Vielzahl von überlieferten Bildzeugnissen. Fast 4000 von ihnen, vor allem aus dem ober­deutschen Raum, der Schweiz, dem Eisass und Teilen Öster­reichs sah er sich an. Die

Konzentration auf dieses Gebiet hatte seinen Grund. Hier

existierten die Hauptrekru­tierungsgebiete der Söldner, lebten aber auch wohlhabende, kaufkräftige Bürger in den Städten, gab es die Kunstzentren der Zeit.

Die Forschungen haben sich gelohnt, urteilt der Wissen­schaftler stolz. Rogg sammelte mit seiner Arbeit weitere Bau­steine für ein vollständiges Mosaik über die tatsächliche Rolle der damaligen Lands­knechte. Und die scheint anders, als sie beispielsweise in der Moralliteratur Luthers oder Erasmus dargestellt wurde. Während die beiden und auch ihre Gesinnungsgefährten den Soldaten von vornherein am Rand der Gesellschaft plat­zierten, zeichnete man offen­sichtlich in den zahlreichen nun durch den Buchdruck mögli­chen illustrierten Flugblättern, Flugschriften, in den Holz­schnitten, Grafiken, privaten Handzeichnungen ein anderes Bild - ein sehr ambivalentes. Zum einen begegnete dem Be­trachter ein Mann, der die eige­nen Sehnsüchte nach Freiheit, Bewaffnung, Selbstbewusstsein, Weltoffenheit, Schönheit aus­drückte, zum anderen durch seine Putzsucht, materielle und

auch sexuelle Begierde durchaus Ablehnung assoziierte. Differen­zierung also. Eine, wie Rogg annimmt, sicher auch nötige Reverenz an die Käufer, in der Regel Menschen aus dem städtischen Bürgertum. Ihnen präsentierte man den Soldaten in den unterschiedlichsten Posen. Er wurde wie ein Bauer auf dem Schachbrett benutzt, er­klärt der ansonsten im Potsdamer Militärgeschicht­lichen Forschungsamt der Bundeswehr tätige Kenner der Materie. Soldaten seien dem­nach auch im konfessionellen Bilderkampf zu finden.Es gibt zum Beispiel den von katholi­scher Seite aufs schärfste über­zeichneten Luther, der gehar­nischt herumläuft wie ein Landsknecht oder den Papst als Landsknecht, um die Verwerf­lichkeit der katholischen Kirche zu zeigen.

Jene Instrumentalisierung im Rahmen obrigkeitlicher sowie konfessioneller Propaganda pas­sierte nicht per Zufall. Das Militär hatte im Machtgefüge der Frühen Neuzeit an Bedeu­tung gewonnen. Die gepan­zerten Ritter waren dem Fuß­knecht, dem Infanteristen gewichen, Massenheere ent­standen. Rekrutieren ließen sich vor allem Männer aus den sozial niederen Schichten, zum Bei­spiel arbeitslose Handwerker, aber eben auch Bürger- und Patriziersöhne, Angehörige des niederen Adels.Es war ge­radezu ein Schmelztiegel, ver­sucht Rogg die Situation zu beschreiben. Zwei Gründe bewegten die Männer demnach vor allem zum Dienst mit der Waffe: die relativ gute

Bezahlung und die Aussicht auf Teilhabe an der Beute. Ganze Stoffballen, wertvolle sakrale Gewänder, umfangreicher Haus­rat wechselten immerhin in den zahlreichen kleinen und großen Kriegen des 16. Jahrhunderts die Besitzer.

Dass diese große Bewegung in der Bevölkerung ihren Nieder­schlag auch in den Bildern fand, ist für Rogg fast selbstver­ständlich. Auch, dass es an Käufern nicht mangelte. Sie fän­den hier projiziert, was sie selbst

vermissten: Freiheit, ein Leben nach anderen Gesetzen als den für sie selbst gültigen. Personen aus dem städtischen Bürgertum unterlagen unter anderem der Kleider-, Heirats- oder Zunft­ordnung, strenger religiöser Sittlichkeit.Diese Zwänge gal­ten für landsknechte nicht, so der Historiker. Das habe gereizt. Wenn man auch nicht wirklich aus jener Norm ausbrechen wollte.

Dieses Bild von Freiheit und Bodenständigkeit hat seine Wirkungsmächtigkeit bis heute nicht verloren unterstreicht Rogg. Längst habe die Werbung den deutschkonnotierten Lands­knecht für ihre Zwecke ent­deckt. Ob für Bier, Korn oder Wurst - die Reklame mit jenem

Helden aus alter Zeit, der für Abenteuer und Imst an leicht entrücktem Leben stehe, ver­fehle ihre Wirkung nicht. Es ist das Phänomen von wirkungs­mächtigen Stereotypen.

P.G.

Mehr über die Darstellung des Soldaten in den Bildern des 16. Jahrhunderts erfahren Interessenten in dem im Frühjahr 2001 erscheinenden Buch von Matthias Rogg Landsknechte und Reisläufer - Bilder vom Soldaten. Ein Stand in der Kunst des 16. Jahrhunderts (= Krieg in der Geschichte, Bd.5). Verlag Ferdinand Schöningh Pader­born. 501 Seiten. DM 88,-. ISBN 3-506-74474-7.

19