Heft 
(1.1.2019) 01
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Sprechende Steine

Rückschlüsse auf Bruchvorgänge durch Erdbebenwellen

Unter den Naturkatastrophen, die durch geologische Prozesse ausgelöst werden können, spielen Erdbeben eine besonders große Rolle. Denn sie sind es, die das größte Gefährdungspotenzial besitzen. Geoforscher widmen sich dem Phänomen von unterschiedlichen Seiten, um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Dabei schauen sie sozusagen unter unterschiedlichen Aspekten ins Innere der Erde.

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| rdbeben sind verantwortlich für mehr als die Hälfte der bei I Naturkatastrophen im 20. Jahr­hundert zu beklagenden Todesopfer sowie für wirtschaftliche Schäden in der Größenordnung von Milliarden Euro jährlich. Dem gegenwärtig dra­matischen Anwachsen der Anzahl und des Aus­maßes von Erdbeben-Katastrophen steht bisher nur eine lückenhafte Kenntnis der Mechanismen gegenüber, die zu Erdbeben führen. Wir wissen heute, dass eine vermutlich nur geringe Span­nungsumlagerung den Bruch des Gesteins in unterschiedlicher Tiefe in der Erdkruste auslösen kann. Die dabei als Erdbebenwellen ruckartig frei- gesetzte elastische Energie kann mit Seismogra­fen in geeignet platzierten Stationen aufgezeich­net werden. Erdbebenwellen erlauben dem For­scher Rückschlüsse auf den Bruchvor­gang, der in der Herdregion des Bebens abläuft.

Am GeoForschungsZentrum Pots­dam besteht die Möglichkeit, diesen Bruchvorgang an Gesteinsproben im Labormaßstab nachzustellen. Hierzu werden Probenzylinder mit einer Län­ge von 100 Millimeter und einem Durchmesser von 50 Millimeter unter einer Druckpresse bis zum Bruch belastet. Wie bei einem Erdbeben, wer­den bei der Entstehung von Mikroris­sen im Gestein elastische Wellen aus­gesandt, die als akustische Emissionen bezeichnet werden. Die Aufzeichnung dieser akustischen Wellen erfolgt mit Spezialmikrofonen, so genannten pie- zokeramischen Sensoren, und einem zur schnellen Speicherung zahlreicher

Einseitig belastete Gesteinsprobe.

Ein unter der Kante einer Metallplatte ent­standener Scherriss, der einen aufgeschnittenen Zylinder durchquert.

Signale geeigneten Oszillos­kop. Mit Berechnungsver­fahren analog zur Seismolo­gie wird der Ort bestimmt, an dem das akustische Signal im Gesteinszylinder ent­stand. Für jedes Signal kön­nen Ort, Zeit und Typ des Bruchereignisses erfasst wer­den. Durch Bestimmung vie­ler Rissorte lässt sich der Bruchvorgang in der Labor­probe zeitlich verfolgen. Dar­über hinaus ergeben sich aus einer detaillierten Signalana­lyse Abschätzungen über Energie, Dauer und Fre­quenz der Einzelbruchvor­gänge. Je nach Gesteinstyp, Versuchsbedingungen und Sensitivität der Sen­soren erhält man pro Bruchversuch etwa 1000 (Sandstein), 10000 (Granit) oder 100 000 (Salz) Signale. Statistische Analysen der Signalabfolgen erlauben Hinweise auf den Bruchbeginn bezie­hungsweise Bruchvorläufer. Diese Experimente tragen zu einem besseren Verständnis der Physik von Bruchprozessen ganz allgemein und speziell zur Erforschung der Ursachen von Erdbeben bei.

Prof. Dr. Georg Dresen, Dr. Arno Zang

Entstandene Risse im Gestein können die Wissenschaftler mikroskopisch betrachten.

Georg Dresen ist Profes­sor für Geologie, gemein­sam berufen durch die Universität Potsdam und das GeoForschungs­Zentrum Potsdam.

Arno Zang ist habilitier­ter Wissenschaftler am GeoForschungsZentrum Potsdam.

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