Titel
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Klimawandel - ein Fall für Physiker
Wissenschaftler erforschen rätselhafte Erwärmungsphasen
ln den letzen Jahren hat sich eine stille Revolution in unserem Verständnis des Klimas der Erde abgespielt. Das alte Bild ging von langsamen Klimazyklen aus, angetrieben von den langsamen zyklischen Veränderungen der Erdbahn um die Sonne. Man weiß seit langem, dass die letzte Eiszeit vor rund 120.000 Jahren begann und vor 10.000 Jahren endete.
D ie seither herrschende stabile Warmperiode, das Holozän, war die Voraussetzung für die Entwicklung der Landwirtschaft und der menschlichen Zivilisation. Während der Eiszeit erstreckte sich ein mehrere tausend Meter dicker Eispanzer von Skandinavien bis in den Berliner Raum. Er hinterließ bei seinem Zerfall die vielen Seen in unserer Gegend.
Sprünge im Klima
Ganz neue Facetten des Klimawandels enthüllten in den neunziger Jahren die Bohrkerne aus dem Grönlandeis, die eine wesentlich feinere zeitliche Auflösung erlauben. Zusätzlich zu den schon bekannten langsamen Zyklen zeigten sie sehr abrupte Klimawechsel, bei denen sich die Temperaturen innerhalb eines Jahrzehnts um bis zu zehn Grad verändert haben. Während der letzten Eiszeit zählte man insgesamt 24 abrupte Erwärmungen, die nach ihren Entdeckern Dans- gaard-Oeschger-Ereignisse genannt werden. Eine wesentliche Aufgabe der Klimaforschung ist die Entschlüsselung der physikalischen Mechanismen solcher Klimawechsel. Die Klimasprünge wurden offenbar nicht durch plötzliche Änderungen in äußeren Faktoren wie' der Sonneneinstrahlung ausgelöst, sondern sind im sprunghaften Charakter des Klimasystems selbst begründet. Anders gesagt: Beim Klima handelt es sich um ein stark nicht-lineares System.
Auf diesem Gebiet hat sich eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Physikern der Uni Potsdam und Forschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung entwickelt, die sich unter anderem in gemeinsam betreuten Promotionen und der Kooperation in einem Sonderforschungsbereich ausdrückt. Das wichtigste Werkzeug dieser Forschung sind Computermodelle, mit deren Hilfe man verschiedene Mechanismen quantitativ durchrechnen und mit Daten, wie etwa denen aus dem Grönlandeis, vergleichen kann.
Angeregter Zustand (warm)
Stefan Rahmstorfist Professor Jur Physik der Ozeane, gemeinsam berufen durch die Universität Potsdam und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Ein aktuelles Beispiel für diese Forschung ist eine neue Erklärung für die rätselhaften Dansgaard- Oeschger-Ereig- nisse, die diesen Monat in der Zeitschrift Physical Review Letters erscheint. Danach führt eine besondere Art der Instabilität in den Atlantikströmungen zu diesen dramatischen Klimawechseln - durch einen Prozess, der den Physikern von ganz anderen Systemen her vertraut ist und der im Fachjargon „stochastische Resonanz" genannt wird.
Zukunft im Treibhaus?
Der Eingriff des Menschen in das Klima durch seine Abgase beschäftigt seit Jahren Politik und Öffentlichkeit. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre ist bereits höher als jemals zuvor seit mindestens 400.000 Jahren, und er steigt weiter. Um die Folgen durchzurechnen, werden Modelle verwendet, die ihre Bewährungsprobe bei der Simulation vergangener Klimawechsel bestanden haben. So sind wir heute sicherer denn je zuvor, dass ein ungebremster Anstieg des Kohlendioxids in diesem Jahrhundert zu einer gefährlichen Erwärmung der Erde um mehrere Grad führen wird. Dies zu vermeiden ist möglich und ist eine der großen Herausforderungen an die Weltgemeinschaft.
Prof. Dr. Stefan Rahmstorf
Weitere Informationen: www.pik-potsdam.de/~stefan
Grundzustand
(kalt)
Die eiszeitliche Welt vor circa 20.000 Jahren. Abrupte Klimawechsel entstanden, indem die Erde zwischen zwei Zuständen mit unterschiedlichen Strömungen im Atlantik hin und her sprang. Der Vorstoß warmen Atlantikwassers in das Nordmeerführte dabei zu starker Erwärmung.
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Portal 1-2/02
Abb.: zg.