Heft 
(1.1.2019) 01
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Klimawandel - ein Fall für Physiker

Wissenschaftler erforschen rätselhafte Erwärmungsphasen

ln den letzen Jahren hat sich eine stille Revolution in unserem Verständ­nis des Klimas der Erde abgespielt. Das alte Bild ging von langsamen Klimazyklen aus, angetrieben von den langsamen zyklischen Verände­rungen der Erdbahn um die Sonne. Man weiß seit langem, dass die letzte Eiszeit vor rund 120.000 Jahren begann und vor 10.000 Jahren endete.

D ie seither herrschende stabile Warmpe­riode, das Holozän, war die Vorausset­zung für die Entwicklung der Landwirt­schaft und der menschlichen Zivilisation. Wäh­rend der Eiszeit erstreckte sich ein mehrere tau­send Meter dicker Eispanzer von Skandinavien bis in den Berliner Raum. Er hinterließ bei sei­nem Zerfall die vielen Seen in unserer Gegend.

Sprünge im Klima

Ganz neue Facetten des Klimawandels enthüll­ten in den neunziger Jahren die Bohrkerne aus dem Grönlandeis, die eine wesentlich feinere zeitliche Auflösung erlauben. Zusätzlich zu den schon bekannten langsamen Zyklen zeigten sie sehr abrupte Klimawechsel, bei denen sich die Temperaturen innerhalb eines Jahrzehnts um bis zu zehn Grad verändert haben. Während der letz­ten Eiszeit zählte man insgesamt 24 abrupte Erwärmungen, die nach ihren Entdeckern Dans- gaard-Oeschger-Ereignisse genannt werden. Eine wesentliche Aufgabe der Klimaforschung ist die Entschlüsselung der physikalischen Mechanis­men solcher Klimawechsel. Die Klimasprünge wurden offenbar nicht durch plötzliche Änderun­gen in äußeren Faktoren wie' der Sonnenein­strahlung ausgelöst, sondern sind im sprunghaf­ten Charakter des Klimasystems selbst begrün­det. Anders gesagt: Beim Klima handelt es sich um ein stark nicht-lineares System.

Auf diesem Gebiet hat sich eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Physikern der Uni Potsdam und Forschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung entwickelt, die sich unter anderem in gemeinsam betreuten Promo­tionen und der Kooperation in einem Sonderfor­schungsbereich ausdrückt. Das wichtigste Werk­zeug dieser Forschung sind Computermodelle, mit deren Hilfe man verschiedene Mechanismen quantitativ durchrechnen und mit Daten, wie etwa denen aus dem Grönlandeis, vergleichen kann.

Angeregter Zustand (warm)

Stefan Rahmstorfist Professor Jur Physik der Ozeane, gemeinsam berufen durch die Uni­versität Potsdam und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Ein aktuelles Beispiel für diese For­schung ist eine neue Erklärung für die rät­selhaften Dansgaard- Oeschger-Ereig- nisse, die diesen Monat in der Zeitschrift Physical Review Letters er­scheint. Danach führt eine besondere Art der Instabilität in den Atlantikströmungen zu diesen dramatischen Klimawechseln - durch einen Pro­zess, der den Physikern von ganz anderen Syste­men her vertraut ist und der im Fachjargonsto­chastische Resonanz" genannt wird.

Zukunft im Treibhaus?

Der Eingriff des Menschen in das Klima durch seine Abgase beschäftigt seit Jahren Politik und Öffentlichkeit. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre ist bereits höher als jemals zuvor seit mindestens 400.000 Jahren, und er steigt weiter. Um die Folgen durchzurechnen, werden Modelle verwendet, die ihre Bewährungsprobe bei der Simulation vergangener Klimawechsel bestanden haben. So sind wir heute sicherer denn je zuvor, dass ein ungebremster Anstieg des Kohlendioxids in diesem Jahrhundert zu einer gefährlichen Erwärmung der Erde um mehrere Grad führen wird. Dies zu vermeiden ist möglich und ist eine der großen Herausfor­derungen an die Weltgemeinschaft.

Prof. Dr. Stefan Rahmstorf

Weitere Informationen: www.pik-potsdam.de/~stefan

Grundzustand

(kalt)

Die eiszeitliche Welt vor circa 20.000 Jahren. Abrupte Klimawechsel entstanden, indem die Erde zwischen zwei Zuständen mit unter­schiedlichen Strömun­gen im Atlantik hin und her sprang. Der Vorstoß warmen Atlantikwassers in das Nordmeerführte dabei zu starker Erwärmung.

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Abb.: zg.