Heft 
(2022) 29
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Art nach Aufgabe der militärischen Nutzung dage­gen schnell ab. Auf dem TÜP in der Slamener Heide wäre der Ziegenmelker ohne die Kompensationsflä­chen infolge der sich schließenden Gehölzbestände heute wohl auch verschwunden. Es wird meist un­terschätzt, wie schnell selbst auf einem sehr armen Standort die Sukzession zum Wald verläuft. Um die Habitateignung für den Ziegenmelker zu erhalten, ist alle drei bis vier Jahre ein Eingriff in die aufwachsen­den Gehölze notwendig.

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Häufig wird der Ziegenmelker als Bewohner von Kahlschlägen eingestuft vor allem unter Forstleuten ist diese falsche Vorstellung verbreitet. Sein Habitat sind junge Sukzessionswälder vor al­lem der Hänge- Birke, aber auch der Trauben- Eiche oder Espe gemischt mit Kiefer. Auf dem früheren TÜP Jüterbog( Landkreis Teltow- Fläming ) war der Ziegenmelker im lückigen, 10- bis 20jähri­gen Birkenvorwald mit Besenheide am häufigsten, während er die gehölzarmen Flächen nur spärlich besiedelte( OEHLSCHLAEGER& RYSLAVY 1998). Auch To­MASINI& KNEIS( 2003) fanden auf dem TÜP in der Gohrischeide bei Riesa die höchste Dichte in der Birkensukzession. Erst mit dem Aufkommen von Gehölzen werden auf den Offenflächen eines TÜP oder einer Waldbrandfläche die Anforderungen des Ziegenmelkers erfüllt. LORENZ et al.( 2021) fanden in der Oranienbaumer Heide die höchste Dichte bei 10-30% Gehölzdeckung. In der Königsbrücker Hei­de weisen die besiedelten Birken- Kiefern- Vorwälder einen Deckungsgrad bis zu 50% auf( ENGLER 2016). Die rasche Ausbreitung der Hänge- Birke nach der Einstellung des militärischen Übungsbetriebes Anfang der 1990er Jahre führte in den trockenen Sandheiden des Nordostdeutschen Tieflandes zu einer Bestandszunahme( TOMASINI& KNEIS 2003, KNEIS 2006, SCHULZE et al. 2015, ENGLER 2016, RYSLA­VY et al. 2019, LORENZ et al. 2021). Zudem könnte die sprunghaft gestiegene Klimaerwärmung im letzten Jahrzehnt( MÖCKEL& RADEN 2019) den Ziegenmelker zusätzlich begünstigt haben( HUNTLEY et al. 2007).

Junge Reinbestände der Kiefer verkörpern nur ein pessimales Ersatzhabitat, das wieder früh verlas­sen wird. Sukzessionswälder der Hänge- Birke wer­den viel länger und auch bei höherer Stammdichte noch besiedelt. Hier werden selbst 8-12 m hohe Bäu­me toleriert, sofern sie lückig stehen. Im Gegensatz dazu führt das vollständige Beräumen einer Fläche

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im Abstand von wenigen Jahren, also das künstliche Bewahren des Zustandes eines frischen Kahlschla­ges, zur Aufgabe des Reviers. Der Ziegenmelker be­nötigt den Vorwald, aber nicht unbedingt Rohboden auf größerer Fläche.

Zusammenfassend lässt sich ein gutes Habitat für den Ziegenmelker wie folgt skizzieren: 1. übersichtliches, 3-5 ha großes Halboffenland auf armem, sandigem Standort mit einem Be­stockungsgrad von 15-30%, bei Dominanz der Hänge- Birke bis 50% möglich,

2. schließen sich lichte Gehölze und Jungbestände mit breitem stufigen Übergang an, reichen 1-2 ha große Lichtungen aus,

3. einzelne Starkbäume als Ruheplatz und Sing­warte( vorzugsweise Hänge- Birken oder Trau­ben- Eichen),

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kleinflächig offener Rohboden,

250 m Abstand zu einer WEA, aber auch zu einer Bundes- oder Landesstraße, zu einer Autobahn mindestens 500 m,

6. Besenheide fördert die Ansiedlung und ist durch großflächiges Zurücksetzen der Gehölzsukzessi­on zu erhalten, möglichst gekoppelt mit Heide­mahd oder kontrolliertem Brennen im mehrjäh­rigen Abstand bzw. einer jährliche Beweidung mit Schafen und Ziegen( LÜTKEPOHL 2011, 2013).

Jede Schutzmaßnahme erfordert das wiederholte, großflächige Zurücksetzen der Gehölzsukzession, auch wenn das zunächst zu Lasten des Ziegenmelkers geht( s. Kap. 3.1 sowie SCHULZE et al. 2015). Dabei wird von Seiten der Forstwirtschaft oft ein Konflikt mit den Vorgaben des Waldgesetzes gesehen- es fordert in Brandenburg im§ 10 eine Mindestbestockung( Über­schirmung des Waldbodens) von 40%( Bestockung 0,4). Da ein Großteil der die früheren TÜP bewohnen­den Arten Offenlandvögel sind, schöpft eine vollflächi­ge Bestockung von 0,4 das Potenzial einer Besiedlung durch diese Vogelarten nicht aus. Im Zielkonflikt zwi­schen Artenschutz und Walderhalt hat sich auf den Kompensationsflächen für die Windenergienutzung im Wald das Vorgehen an den Lebensraumansprü­chen der gefährdeten Bewohner des Offen- und Halb­offenlandes wie dem Ziegenmelker zu orientieren.

Um eine Gefährdung der Art durch den Betrieb der WEA zu überprüfen, fand im Windpark bei Sprem­ berg ( Baufeld 1) eine dreijährige Schlagopfersuche