126 Otis 29(2022) schließlich um Nachweise einzelner Männchen im Frühjahr. Offenbar wird die Ausbreitungsdynamik viel stärker von den Männchen gestaltet, auch wenn die Weibchen möglicherweise unauffälliger sind und dadurch eher unentdeckt bleiben. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang war bei zurückliegenden Beobachtungen, dass wohl jeweils die gleichen Männchen in den Jahren 1997 bis 1999 in die Havelniederung bei Parey/Lkr. Havelland(ABBO 2001) und 2011 und 2012 in die Jeseriger Wiesen/Lkr. Potsdam-Mittelmark( S ohns 2017) zurückgekehrt waren. Während ihres längeren Brutzeitaufenthaltes leisteten sie aus Ermangelung arteigener Weibchen Helferdienste durch Fütterungen bei einer Schafstelzenbrut bzw. waren möglicherweise mit einer Schafstelze verpaart. Einen sicheren Nachweis einer Mischbrut mit der Schafstelze, bei der mindestens ein Jungvogel flügge wurde, gab es im Jahr 2011 im Spreewald(DAK 2013). Der erste Brutnachweis eines artreinen Paares der Zitronenstelze in Deutschland wurde 1996 in Mecklenburg-Vorpommern dokumentiert( H ampe et al. 1996). Obwohl die Beobachtungen im Bundesgebiet deutlich zunahmen(z. B. 2000 –2017 n = 124, DAK 2019), glückten einschließlich bei der hier beschriebenen Brut lediglich sechs weitere Brutfeststellungen(Tab. 1). Bei vier Bruten wurden auch Jungvögel flügge(1 x mind. 1, 2 x 2, 1 x 3). Die Ausbreitung der Zitronenstelze nach Mitteleuropa dürfte ursächlich durch den deutlichen Bestandsanstieg, insbesondere im osteuropäischen Verbreitungsgebiet, begünstigt worden sein. Die Bestandszunahme in Osteuropa wurde durch eine beträchtliche Ausweitung der auch für die Zitronenstelze geeigneten Lebensräume ermöglicht. Einerseits kam es durch die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen nach 1990 zu großflächigen Nutzungsauflassungen.Andererseits führten die zunehmenden Trockenjahre in den riesigen Moorgebieten und der Tundrazone durch Abtrocknungen und Aufwuchs höherer Vegetation(z. B. Schilf und Gebüsch) zum Entstehen vieler Bruthabitate. Dass der Expansionsschub hier in Deutschland sehr zögerlich verläuft, liegt vermutlich an unserer stark kultivierten und genutzten Landschaft. Dennoch bleibt es lohnend und spannend, Ausschau nach weiteren Brutvorkommen zu halten, um die künftige Ausbreitungsdynamik zu verfolgen. Danksagung Wir danken Ronald Beschow für die Durchsicht des Manuskriptes, Ausführungen zum Gebiet und die Bereitstellung der bei der AKBB dokumentierten Beobachtungen. Literatur ABBO(Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen)(2001): Die Vogelwelt von Brandenburg und Berlin, Rangsdorf. DAK(Deutsche Avifaunistische Kommission)(2013): Seltene Vögel in Deutschland 2011 und 2012. Seltene Vögel in Deutschland 2011/12: 2– 47. DAK(Deutsche Avifaunistische Kommission)(2014): Seltene Vögel in Deutschland 2013. Seltene Vögel in Deutschland 2014: 2–39. DAK(Deutsche Avifaunistische Kommission)(2019): Überarbeitung der nationalen Meldeliste der Deutschen Avifaunistischen Kommission zum 1. Januar 2019. Seltene Vögel in Deutschland 2017: 52– 65. DSK(Deutsche Seltenheitenkommission)(2008): Seltene Vogelarten in Deutschland von 2001 bis 2005. Limicola 22: 249 –339. E rdmann , F.& F.V ökler (2019): Neue Bruten der Zitronenstelze Motacilla citreola in Mecklenburg-Vorpommern. Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 49: 245 –249. G lutz von B lotzheim , U. N.& K. M. B auer (1985): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 10/II.Wiesbaden. H ampe , A., T. H einicke & A. J. H elbig (1996): Erste Brut der Zitronenstelze Motacilla citreola in Deutschland. Limicola 10: 311–316. K rüger , T.& L. F rye (2014): Brut der Zitronenstelze Motacilla citreola im nördlichen Niedersachsen 2013. Vogelkundl. Ber. Niedesachsen 44: 23 –30. LMBV(Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH)(2019): Überleiter C und Gefluder im Bau – Kleine Restlochkette gewinnt immer mehr an Gestalt. Nachrichtenlesen.pdf vom 04.09.2019. M ädlow , W.& C. H andke (1985): Zitronenstelze (Motacilla citreola) in Berlin. Ornithol. Mitt. 37: 275. S ohns , G.(2017): Zitronenstelze Motacilla citreola vertreibt Schafstelzen-Brutpaar und zieht erfolgreich deren Junge auf. Otis 24: 111–113. T autz , S, K. K rätzel & P. W eber (2017): Brutversuch der Zitronenstelze Motacilla citreola in Bayern. Otus 9: 66 –70. T omialojc , L.& T. S tawarczyk (2003): Awifauna Polski Tom II. Wroclaw.
Heft
(2022) 29
Seite
126
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