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Monokulturen zu regelmäßig wiederkehrenden Massenentwicklungen von holz-, blatt-, wurzelund nadelzerstörenden Insekten. Diese werden dann durch Insektizide bekämpft, welche auch die Gegenspieler der Schadinsekten vernichten, ein Teufelskreis.
Um Finsterwalde könnte ein Anfang September 2016 erfolgter großflächiger aviochemischer Einsatz zur Bekämpfung der Gemeinen Kiefernbuschhornblattwespe Diprion pini eine längerfristige Insektenarmut ausgelöst haben. Dazu wurde mittels Hubschrauber auf 2.830 ha Karate Forst flüssig ausgebracht. Betroffen waren auch Wälder um die Auerhuhn- Entwicklungsräume Weißhaus und Babbener Heide. Durch Abtrift dürfte das Insektizid auch in die Schutzgebiete gelangt sein. Im letztgenannten Areal kam es im Frühjahr 2018 zu einem erneuten Hubschraubereinsatz mit Karate Forst flüssig, diesmal zur Bekämpfung der Forleule Panolis flammea. Dieses Breitbandinsektizid tötet als Kontaktgift nicht nur die Zielorganismen, sondern alle Insekten, die damit in Berührung kommen. Auch auf Wirbeltiere wirkt das synthetische Pyrethroid neurotoxisch ( KRATZ& LUDWIG- SIDOW 2021). Gerade die Auerhuhnbestände dieser beiden Waldgebiete sind äußerst instabil und werden nur durch fortwährende Zufuhr von Vögeln aus Schweden erhalten ( Abb. 3 u. 13).
Andererseits verbleiben auch in der Landwirtschaft eingesetzte Mittel nicht in der Feldflur, sondern gelangen ebenfalls durch Abtrift in die Wälder, beispielsweise Neonikotinoide mit ihrer langfristig toxischen Wirkung. Über die Bioakkumulation könnten die ausgebrachten Insektizide zu einem Kükenschwund führen. Diese mögliche Ursache ist abzuklären. Die Basis dafür wäre die Diplomarbeit von WILLEKE( 2006), welcher im Juni 2005 vor Beginn des verbreiteten Einsatzes moderner Neonikotinoide in der regionalen Landwirtschaft- in der Liebenwerdaer Heide auf Probeflächen das Angebot an Bodenarthropoden mittels Bodenfallen, Kescherfang und Saugapparat ermittelte. Hilfreich wären zudem Vergleichsstudien in den borealen Wäldern Schwedens mit guten Auerhuhnbeständen.
Um einen sich selbst erhaltenden Bestand zu erreichen, müssen die angesiedelten Vögel dauerhaft eine Nachwuchsrate erzielen, welche die
Otis 30( 2023)
Mortalität ausgleicht. Das Überwiegen einzeln auftretender Auerhennen ohne Küken im Juni/ Juli ist ein Zeichen dafür, dass diese das Gelege oder alle Küken verloren haben. Für eine geringe Reproduktionsleistung spricht auch der niedrige Anteil unberingter Vögel im lokalen Bestand ( vor allem ab 2020/21, Abb. 16). Eine Auerhenne beginnt drei bis vier Tage nach der Paarung mit der Eiablage. Die im Mittel acht Eier eines Geleges werden in elf Tagen gezeitigt und dann 26 Tage bebrütet( ZEILER 2001). Die Henne ist damit 37 Tage fest an den Brutplatz gebunden. Die Gefahr einer Prädation des Geleges durch bodenläufige Beutegreifer ist in dieser Zeit sehr hoch. Dies gilt noch weitere zwei Wochen für die flugunfähigen Küken. Junge Auerhühner können sich erst ab einem Alter von 14 Tagen bis zu 5 m weit schwirrend einem Feind entziehen. Obwohl keine direkten Belege vorliegen, dürften die Auerhühner in der Nieder lausitz einem erheblichen Prädationsdruck durch Gelegeraub und Erbeuten von Küken unterliegen.
Ein stabiler/ wachsender Bestand setzt einen geringen Feinddruck voraus. Die Realität ist eine andere. In den letzten 100 Jahren erhöhten sich im südlichen Brandenburg die Jagdstrecken beim Rotfuchs von 20 bis 45 auf 166 Individuen pro 100 km², beim Dachs von 1,4 bis 3,2 auf 17 pro 100 km². Die Bestände dürften in gleichem Maße gestiegen sein. Auch der Baummarder nahm zu. Dazu kommt der Waschbär, welcher derzeit auf 123 erlegte Individuen pro 100 km² kommt ( Tendenz steigend). Der gebietsfremde, invasive Räuber bereitet im Artenschutz große Probleme ( LUX et al. 1999, SCHRACK 2010, TISCHLER 2017, SCHWAB et al. 2018, FISCHER et al. 2020, SCHNEIDER 2022, SCHNEIDER 2023a). Im Jagdjahr 2019/20 wurden im Land Brandenburg ( 29.654 km²) 36.900 Waschbären erlegt( MLUK Brandenburg 2021). Damit der jagdliche Eingriff einen reduktiven Charakter annimmt, müsste die Jagdstrecke mindestens achtmal größer sein( MICHLER 2011).
Eine starke Zunahme ist ebenfalls bei den erlegten Wildschweinen zu verzeichnen. Vor 100 Jahren waren es vier pro 100 km². Jetzt sind es 258. Nach KLAUS& THÜMMEL( 1984) ließ sich in Thüringen die Hälfte der zerstörten Auerhuhngelege diesem Paarhufer zuordnen, der selbst flugunfähige Küken erbeutet. Bei Versuchen mit Kunstnestern in Polen und Weißrussland ver