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Vor der Gründerzeit wussten Vogelkundler oft nur sehr wenig über die Verbreitung der einzelnen Arten und deren Verhaltensweisen. Man schoss, fing und sammelte die Vögel, Tausende gelangten in den Kochtopf, oft als besondere Delikatesse gepriesen, und es rankten sich um einzelne Vogelarten lustige, glaubwürdige oder völlig unmögliche Geschichten.
Dazu gehört der weit verbreitete Glaube, auch bei einigen ernst zu nehmenden Vogelkundlern, dass sich der Kuckuck im Herbst in den Sperber verwandelt. Dazu beigetragen haben mag sicher die gleichartige Zeichnung der Unterseite, die„ Sperberung“ und die Tatsache, dass im Winterhalbjahr zahlreich die„ Wintersperber" aus nördlichen bzw. nordöstlichen Regionen bei uns einflogen.
Hartnäckig hielt sich auch der Glaube, dass bestimmte Arten bei ihrem Auftreten Glück brächten, so die„ Glücksvögel" Kranich , Weißstorch und Nachtigall, oder umgekehrt zu Unglück führen könnten, was in einigen Vogelnamen manifestiert ist, wie Unglückshäher, Unglücksrabe. Selbst der süße, kleine Steinkauz avancierte zum„ Totenvogel", nur weil er gelegentlich nachts am Fenster Kranker oder Sterbender rief. Sein klagender, miauender Ruf„ kwiju“, oder auch„ kiuwitt“, wurde in„ Komm mit“ übersetzt. Weil es in der Vorzeit noch kein elektrisches Licht gab oder an ihm gespart wurde, erleuchtete man nur die Schlafzimmer der zu behandelnden Kranken, die dann tatsächlich manchmal starben. Das Licht zog den kleinen Kauz an. Dass den Eulen ganz allgemein das eine oder andere nachgesagt wird, liegt sicher an ihren Rufen in der Nacht, an ihrem lautlosen Flug oder an der oft versteckten Lebensweise. Noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden vereinzelt tote Eulen ans Scheunentor genagelt, um die Ernte vor Blitz und Feuer zu schützen.
Noch mehr Geschichten ranken sich um den Weißstorch. Dass er die Babys bringt, weiß jedes Kind. Es war ja auch so einfach für die Erwachsenen, auf die Frage der Kinder so zu antworten, denn oft saßen die„ Kindbringer" in unmittelbarer Nähe auf dem Dach. Natürlich wussten die Vogelkundler, dass dieses Märchen nicht stimmt. Aber bis heute ist der Aberglaube bekannt, dass eine junge Frau schwanger wird, wenn der Storch ihr ins Bein beißt. Bei meinen Führungen erlebte ich das immer mal wieder, als wir einem zahmen, frei fliegenden Storch zu nah kamen und der besorgte Ehemann seiner Frau zurief:„ Vorsicht, geh nicht zu nah ran, wir haben schon zwei Kinder"! Und natürlich gehört zum Storch auch der unerschütterliche Glaube, dass ein besetzter Horst auf dem Dach vor Feuer schützt.
Ähnlich absurd ist aus heutiger Sicht und Kenntnis die Geschichte um den Ziegenmelker, der des Nachts den weidenden Ziegen die Milch„ klaut“. Hier führte die Beobachtung dieser Nachtschwalben in der Nähe der Tiere zum Insektenfang zu solchen Vorstellungen, weil vermutlich auch manche Ziegen von„ Unbefugten“ des Nachts schon wirklich gemolken worden waren. Arme Vögel, nun tragen sie auf„ ewig“ den irreführenden, diffamierenden Namen! Lustig waren auch ernst gemeinte Vorstellungen über die Entstehung der Rufe der Rohrdommeln. Danach soll der Vogel seinen Schnabel in den Schlamm stecken und dann kräftig Luft ausblasen, wodurch der dumpfe Ton, an eine Kuh erinnernd, entstehen soll. Immer wenn ich die Rohrdommel rufen höre, stelle ich mir dieses Bild vor, was macht der Vogel an Gewässern nur, wo stärkere Schlammablagerungen im Schilf fehlen?
Im SCHALOW finden sich weitere lustige Geschichten über verschiedene im Volk gut bekannte Vögel, es lohnt sich dort einmal nachzulesen!( L.K.)