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(2023) 30. Sonderheft
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Die märkischen Avifaunen nach 1900

Etliche der wissenschaftlichen Untersuchungen zur Vogelwelt in Brandenburg in den Gründer­jahren" beförderten den Gedanken, endlich die Kenntnisse über das Vorkommen der einzelnen Arten in zusammengefasster Form als Avifauna der Mark zu publizieren. So entstanden in relativ kurzem Zeitabstand die Faunen von Hermann Ho­CKE( 1910: Die Vögel der Provinz Brandenburg , als handschriftliches Manuskript, unveröffentlicht, von Uwe ALEX 2011 in Auszügen veröffentlicht und kommentiert) und viel ausführlicher von Herman SCHALOW ( 1919): Beiträge zur Vogel­fauna der Mark Brandenburg, Nachdruck 2004. Interessanterweise hat SCHALOW ganz offensicht­lich das HOCKEsche Manuskript von 1910 nicht genutzt, dagegen dessen zahlreiche Einzelpubli­kationen; vermutlich kannte er die handschriftli­che, nicht publizierte Arbeit nicht und bedauerte kaum, dass das Manuskript nicht veröffentlicht wurde( RUTSCHKE 1983). Vielleicht bestand auch eine gewisse Konkurrenz zwischen beiden Wis­senschaftlern.

Abb. 22: Hermann HOCKE, Eiersammler, Schriftleiter und Autor der unveröffentlichten Avifauna von 1910. Aus ALEX 2010.

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Dessen ungeachtet, die Verdienste beider Ornitho­logen sind als außerordentlich hoch einzuschätzen, und sie besitzen bis heute einen unbezahlbaren Wert für die Einschätzung der Ornis Branden­burgs und für das Verstehen bestimmter Entwick­lungen des Vorkommens der Arten.

Hermann HoCKES Avifauna von 1910 umfasst 1.500 Seiten in elf Bänden. Das Original des hand­schriftlichen Manuskripts befindet sich heute in der Stadtbibliothek Mainz . Die einzige Kopie die­ses Manuskriptes wurde zunächst für den Bund für Vogelschutz Berlin( West) für eine Auswertung angefertigt, was jedoch unterblieb; heute verwaltet von der ABBO, die es Uwe ALEX zur Bearbeitung zugänglich gemacht hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass nur wenige Or­nithologen von der Arbeit wussten bzw. Einblick in die durchaus wichtigen Ergebnisse erhielten. Selbst RUTSCHKE( 1983) streift die HOCKEsche Avifauna nur sehr kurz; das ist schade. Sie umfasst mehr als 220 Artbearbeitungen, von denen 34 in der Publikation von 2011 vorgestellt werden. Die Bearbeitungen erfolgten sehr ausführlich und halten durchaus kritischen Beurteilungen nach heutigen Maßstäben stand, auch wenn auf Grund des damaligen Kenntnisstandes nicht alle Daten unwidersprochen bleiben sollten. Auf der Grund­lage dieses Materials, aber auch der Auswertung etlicher Vogel- und Eiersammlungen sowie der Avifauna SCHALOWS nimmt ALEX eine Einschät­zung des Vorkommens ausgewählter Arten für die Zeit um 1900 vor. Das ermöglicht auch die Einord­nung verschiedener Veränderungen innerhalb der letzten 100 Jahre.

HOCKE war ganz sicher ein sehr vielseitiger Ornithologe, der sowohl als Feldbeobachter seine Meriten besaß, als auch viel zum Kenntnisstand der Fortpflanzungsbiologie und vor allem der Oo­logie beitrug. Auch wenn vor ihm sich zahlreiche Vogelkundler mit dem Sammeln von Eiern be­schäftigten und größere Sammlungen anlegten, war HOCKE einer der Ersten, der sich auch wis­senschaftlich" der Eierkunde zuwandte. RUTSCHKE ( 1983) schreibt dazu allerdings: H. HOCKE war in jener Zeit wie wohl kein zweiter mit den Vögeln in der näheren und weiteren Umgebung Berlins , die er jahrzehntelang zur Brutzeit allsonntäglich durch­