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(2023) 30. Sonderheft
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drucksammlung auf, die er der D.O.G. vermachte ( SCHALOW- Bibliothek).

Als größte Lücke in seinem Werk empfand er das Fehlen von genaueren Kenntnissen zum Vo­gelzug und zu geringe Kenntnisse über die Lebens­weise der Vögel( RUTSCHKE 1983).

Den Schalow" zeichnet neben den umfangrei­chen avifaunischen Darstellungen( Faunistischer Teil) aus, dass er daneben versuchte, die reine Or­nithologie auch durch folkloristische Mitteilungen und biographische Versuche zu ergänzen. Und dann fehlen auch nicht geschichtliche Notizen mit teilweise köstlichen Beschreibungen und die Dar­stellungen zu den märkischen Sammlungen.

Der Stand der Kenntnis der märkischen Vogelwelt zum Zeitpunkt des Erscheinens von SCHALOWS Beiträgen lässt sich folgenderma­Ben charakterisieren. Das vorkommende Ar­tenspektrum war weitestgehend bekannt, nur wenige Arten fehlten, die sich später als regelmä­Bige Gäste herausstellten. Auch Häufigkeit und jahreszeitliches Vorkommen waren im Wesent­lichen herausgearbeitet. Genaue Zahlenangaben zum Vorkommen waren die Ausnahme und be­schränkten sich auf wenige Arten, überwiegend wurden die Vorkommen qualitativ beschrieben. Durch die Aktivität der Eiersammler gab es für viele Arten schon recht gute Kenntnisse zur Brut­biologie. Die flächige Abdeckung des Landes war jedoch noch ganz unzureichend. Berliner Orni­thologen konzentrierten ihre Aktivitäten auf die mit der Bahn erreichbaren Gebiete im näheren Umfeld der Stadt und wenige weitere Exkursions­gebiete. Aus dem weiteren ländlichen Raum lagen Daten nur punktuell aus denjenigen Gebieten vor, in denen Ornithologen ansässig waren. SCHALOW führt in seinem Buch nur 29 Gewährsleute auf, die ihm Beobachtungen zuarbeiteten, davon mehrere aus dem Gebiet der heute polnischen Neumark . Diese Datenlage ließ keine flächendeckende Bearbeitung der Vogelvorkommen zu. Aus heutiger Sicht erstaunt, dass selbst wichtigste Brut­und Rastgebiete wie die untere Havelniederung, die Elbtalaue und das untere Odertal erst sehr viel später( nach dem Zweiten Weltkrieg ) in ihrer ornithologischen Bedeutung erkannt wurden. Dabei spielt sicher die schwierige Erreichbarkeit vieler Gebiete eine entscheidende Rolle- es gab ja noch keine privaten Kraftfahrzeuge. Aber zu

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berücksichtigen ist auch, dass sich die Vogelwelt, insbesondere die Rastbestände, in ausgedehnten Niederungsgebieten und auf großen Seen nur mit guter Optik erschließen lässt, die den damaligen Beobachtern fehlte. Die früheren Beobachter und Sammler zog es, ganz anders als heute, eher in die Wälder als in die großen Feuchtgebiete( ALEX 2011).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann eine Phase der ornithologischen Untersuchungen, um Kenntnisse des Vorkommens mancher Arten zu ergänzen, die kaum erschöpfend bearbeitet wor­den waren, zur Erfassung der Brutvogelarten schwer zugänglicher Lebensräume, wie der Luch­landschaften an Rhin und Havelländischem Hauptkanal( z. B. HESSE 1910-1916) und zum Durchzug von nord- und osteuropäischen Arten.

Etwa zur gleichen Zeit beschäftigten sich die RÜDIGERS( W. RÜDIGER sen. 1845-1907; W. RÜDI­GER jun. 1875-1957) mit der Avifauna der Mark, Letzterer vor allem mit der heute zu Polen gehö­renden Neumark ", aber auch mit der Vogelwelt um Eberswalde ( 1911) und Jüterbog und Umge­bung( 1917).

Einer der profiliertesten Ornithologen zu Be­ginn des 20. Jahrhunderts war zweifellos Erich HESSE ( 1874-1945). Seinen Veröffentlichungen nach zu urteilen, war HESSE ein herausragender Beobachter, möglicherweise der erste moderne" Feldornithologe unserer Region. Den bis dahin weitgehend unbeschriebenen Vogelreichtum der großen Luchgebiete entdeckte er unmittelbar vor deren Urbarmachung und Entwässerung( HESSE 1914): Die einstigen Vögel der einstigen Lu­che müsste ich eigentlich schreiben... Denn lei­der sind der nimmersatten Kultur nunmehr auch diese meilenweiten Brücher, die Niedermoore des Havellandes, in denen sich noch bis in die letztver­gangenen Jahre insbesondere zur Brutzeit ein un­vergleichliches Vogelleben entwickelte, zum Opfer gefallen; durch die großen Entwässerungsarbeiten der jüngsten Zeit werden diese Gebiete für immer vernichtet... Und von all der entschwundenen Herrlichkeit bleibt uns nur das eine, das bittre Wort: Es war einmal. Unvergleichlich sind seine Beschreibungen über das morgendliche Erwachen der Vogelwelt in den Niedermoorgebieten bei Rhi­ now , Fehrbellin und Nauen , so über den Seggen­rohrsänger, den Brachvogel, die Uferschnepfe und