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Otis 30( 2023) Sonderheft
Erich RUTSCHKE erzählte in kleinem Kreis gern, wie es möglich geworden war, Teilnehmer aus dem westlichen Ausland einladen zu dürfen( KALBE& NAACKE 2012). Wenn Ornithologen aus dem kapitalistischen Ausland zu Arbeitstreffen und Tagungen eingeladen werden sollten, bedurfte das immer der Genehmigung der Obersten Naturschutzverwaltung im Landwirtschaftsministerium. Dort hatte Oberlandforstmeister SCHOTTE das Sagen, zuständig für die Jagd und den Naturschutz in der DDR. Dann waren diplomatisches Geschick und durchaus auch„ Tricksereien" erforderlich, um den„ obersten Naturschützer“ zu überzeugen. Als beispielsweise GLUTZ aus der Schweiz zur Leipziger Tagung eingeladen werden sollte, wurde der Antrag zunächst mit dem Bemerken abgelehnt, wir brauchen hier keine Adligen und Militaristen. Aber genau der Herausgeber des Handbuchs der Vögel Mitteleuropas war ganz sicher eine der wichtigsten Persönlichkeiten für die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Deshalb erklärte RUTSCHKE, dass besagter GLUTZ zu den verarmten Adligen gehört und in der Schweiz als neutraler Staat überhaupt keine Militaristen leben würden:„ Eigentlich gehört er doch zur Arbeiterklasse, wenn er mühsam seinen Lebensunterhalt in der Schweiz erarbeiten muss. Das gab dann wohl den Ausschlag, GLUTZ durfte einreisen!
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Westdeutsche Ornithologen dagegen einzuladen, war so gut wie ausgeschlossen. Viel später habe ich GLUTZ die Geschichte erzählt; er hat sich köstlich amüsiert.( L. K.)
von 20. bis 22. Oktober 1967 in Waren an der Müritz statt. Immerhin nahmen 220 Ornithologen aus allen Bezirken teil. Die nächste im Jahr 1969 dann schon mit 320 Teilnehmern, das erste Mal auch mit Gästen aus dem Ausland, so u. a. G. L. ATKINSON- WILLES aus Slimbridge, A. JÖGI und S. ONNO aus Tartu , T. LAMPIO aus Helsinki , J. A. ISAKOW aus Moskau , E. NOWAK aus Warschau , U. GLUTZ V. BLOTZHEIM aus Sempach , K. HUDEC aus Brno und M. SMART aus Slimbridge. Alle Vorträge wurden 1971 in den Beiträgen zur Vogelkunde publiziert.
Die folgenden fünf Tagungen bis 1990 fanden dann 1972 in Potsdam , 1976 in Dessau , 1979 in Schwerin , 1983 in Dresden , 1987 in Pruchten statt. Nach 1990 versuchte der Förderverein für Wasservogelökologie und Feuchtgebietsschutz die Tradition aus der DDR neu zu beleben, so mit der Organisation der 8. Wasservogeltagung in Verbindung mit dem DDA im Oktober 2007 in Lebus ( KALBE 2007, WAHL 2008) und der 9. Tagung im März 2011 in Blankensee ( Nuthe- Nieplitz- Niederung).
Außerdem wurden im Wechsel zu den Tagungen Arbeitstreffen organisiert, in denen im Wesentlichen organisatorische Themen behandelt wurden.
Die Zentrale für Wasservogelforschung übernahm federführend durch die Gruppe Ökologie unter Leitung von L. KALBE in den 1970er Jahren die Erarbeitung des sogenannten Feuchtgebietskataloges der DDR für die international bedeutenden Feuchtgebiete( FIB) als Grundlage des Beitritts der
DDR zur Ramsarkonvention 1978( KALBE& NAACKE 2012). Erweitert wurde der Katalog mit der Einbeziehung der national bedeutenden Feuchtgebiete( FNB)( RUTSCHKE 1982a).
In Brandenburg wurden elf FNB und drei FIB ausgewiesen. Bei der Festlegung des Status halfen Vorgaben des International Waterfowl Research Bureau( IWRB) und seiner Ökologiegruppe( Wetland Management Group, Rønde, Dänemark )( FOG 1972), hauptsächlich abhängig von Bestandsgrößen der Populationen mit der 1%-Regel( Auftreten von 1% des Gesamtbestandes der Population). Darüber hinaus wurde bei der Ausweisung der Gebiete in der DDR auch auf ökologische Kriterien und vom Menschen geschaffene Ökosysteme Wert gelegt.
Die drei FIB sind: Odertal bei Schwedt ( Untere Oder), Untere Havel mit Gülper See( Untere Havelniederung) und Teichgebiete bei Peitz ( Peitzer Teiche). Auch wenn im Nachhinein durchaus weitere wichtige Gebiete hätten eingeordnet werden können, stand damals sicher ein einschränkender Zwang zur Zurückhaltung im Vordergrund. Dass mit den Peitzer Teichen ein fischereilich intensiv genutztes künstlich entstandenes Gewässersystem einbezogen wurde, war in erster Linie ein Zugeständnis an Bestrebungen zur Aufwertung solcher bewirtschafteten Gebiete im Hinblick auf deren Bedeutung für die Vogelwelt, weil durch teilweise extreme Intensivierungsmaßnahmen der Fischerei eine Gefährdung des Wertes der Gebiete befürchtet werden musste.