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Abb. 80: Ornithologische Exkursionsgruppe am Gülper See 2021. Foto: R. Vaßen.
Tendenz macht sich auch in Brandenburg deutlich bemerkbar. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, denn in der Geschichte der Ornithologie in Brandenburg sind bisher nur sehr wenige Frauen mit eigenständigen Beiträgen oder in verantwortlichen Positionen hervorgetreten: Unter den 127 in Anhang 2 genannten Personen, denen Nachrufe oder Würdigungen gewidmet wurden, sind nur
vier Frauen.
Gleichzeitig ist zu bemerken, dass sich die Formen des Engagements ändern. Über lange Zeit waren die Strukturen in der Avifaunistik durch Ehrenamtliche getragen, die häufig über viele Jahre oder Jahrzehnte organisatorische Funktionen ausübten und den Apparat funktionsfähig hielten. Es gibt Fachgruppenleiter, die diese Position seit 30 oder mehr Jahren innehaben, und manche Wasservogelzähler sind seit Beginn der Zählungen in den 1960er Jahren dabei.
Das ist offensichtlich ein Auslaufmodell. Ursächlich sind verschiedene Gründe. Wer heutzutage studiert oder berufstätig ist, ist in ganz anderem Maße damit ausgelastet, als dies vor Jahren der Fall war. Für die Freizeit bleibt weniger Raum, und der
soll dann verständlicherweise eher für genussreiche Beobachtung als für die Übernahme weiterer Verpflichtungen genutzt werden. Hinzu kommt die viel größer gewordene Mobilität: Heutige Berufsbiografien sind von befristeten Arbeitsverhältnissen und vom häufigen Wechsel der Arbeitsorte geprägt. Lebenslange Arbeitsverhältnisse an einem Ort, die Voraussetzung für langjähriges ehrenamtliches Engagement sind, sind heute die Ausnahme.
Hinzu kommt aber auch eine veränderte Einstellung zu den Formen des Engagements. Das typische Vereinsleben, das für viele Ältere ein Wert an sich ist und bis heute die Ornithologie prägt, ist für viele jüngere Menschen offenbar weniger attraktiv. Sie wollen ihre Zeit nicht mit Vorstandssitzungen, Rechenschaftsberichten, Kassenberichten und Wahlen verbringen. Zusammenarbeit kann heute über Internetportale und soziale Medien anders, nach Bedarf und projektbezogen organisiert werden. Das hat viele Vorteile, wie etwa die Datensammlung über ornitho.de zeigt. Das ewige Problem der in privaten Tagebüchern begrabenen Daten wird damit bald der Vergangenheit angehören. Viele jüngere, aber auch manche älteren