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Sonderheft 3, Theodor Fontane: Reisen in Thüringen
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Notizbuchaufzeichnungen von der Thüringenreise im Jahre 1873

Gotha.

Hotel Wünscher am Neumarkt.

[Folgt Skizze s. S. 41, Abb. 1]

Theater. Nach der Allee-Seite hinaus im ersten Stock ein Säulengang, wie ein eingebauter aber sehr langer Balkon. Hier zwischen Erdgeschoß und 1. Stock stehen die Namen: Eckhoff, Winter, Götter, Beethoven, Goethe, Mozart, Schiller, Gluck, Lessing, Weber, Kotzebue, Benda, Iffland. Eckhof, Götter, Benda, Iffland, wurden in Gotha geboren. ((Ebenso ist auch Spohr ein Gothaer Kind.))

((Gespielt wird nur: Januar, Februar, März und April. In den übrigen Monaten in Coburg.))

Gotha ist die größte der herzoglich thüringischen Städte. (Gotha 21.000? Weimar 15.000, Eisenach 15.000, Coburg 11.000, Meiningen, Jena, Arnstadt 7000 Einwohner; Hildburghausen 5000 Einwohner.) ((Gotha gilt auch für die schönste und reichste der thüringischen Residenzstädte.))

Die ganze Stadt (Gotha) 1 liegt sehr hübsch, hügelauf und ab. Die Prome­nade, die von der Stadt zum Bahnhof führt, führt an Theater, Orange­rie und Palais des Herzogs vorbei. Das Schloß 3 liegt hinter der Orangerie, hoch und beherrscht das Ganze. Corps de Logis, Flügel und in Front der Flügel zwei riesige Pavillons von verschiedner Form.

Man kann sagen die ganze Stadt besteht aus der eigentlichen Stadt (alt, unansehnlich) und dem großen Schloßpark, in dem nicht nur das Schloß liegt, sondern an dessen Peripherie auch alles andre Hübsche gelegen ist. Die ganze Anlage ist groß, in Baulichkeiten mehr eigen- thümlich als hübsch, im Ganzen aber nicht ohne malerischen Reiz. ((Das Schloß selbst heißt: Schloß Friedenstein und ist nur selten bewohnt. Es ist eins der größten Schlösser in Deutschland.))

Um das vom Herzog bewohnte 3 Palais herum gruppiren sich einige Häuser im engl. Cottage wrschl. Tudorstyl sogar''* mit Ladys bower und allem andren Apparat. Natürlich nur ziemlich schwache Leistungen, wahrscheinlich aus der Prince-Consort-Zeit. So unbedeutend sie sind, haben sie doch selbst in dieser schwachen Nachahmung etwas poetisch Anmuthendes, das den dazwischen gestreuten Bauten von Schinkels letzten Ausläufern durchaus fehlt. Noble Bauten müssen ganz nobel sein, sonst wirken sie störend und unerquicklich wie Betteladel.

DerArnoldi der an der Promenade hin ein Denkmal hat, ist der Begründer (1821) der berühmtenGothaer Feuerversicherungs-Gesell­schaft. Ebenfalls von Arnoldi herrührend, (1827) ist die Lebensver­sicherungs-Gesellschaft, das größte Institut derart in Deutschland.

Von gleicher Bedeutung sind die literarischen Unternehmungen dieser Stadt. Die Hauptfirmen sind: F. A. Perthes (theologische Literatur;

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