Doris Dönhoff-Kracht und Knut Dönhoff: Schulangst und Lernbehinderung- eine empirische Studie
schen Angsttestwerten und Intelligenztestwerten zu sprechen.
Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Angsttestwerten und Schulnoten kann in der vorliegenden Untersuchung kaum von einem Trend gesprochen werden: Von 54 berechneten Korrelationen waren nur acht signifikant bei sehr niedrigen Koeffizienten. Kühn (1983, 32 f.) referiert im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung in der Tendenz höhere und häufiger signifikante Ergebnisse bei Regelschülern, die eine negative Beziehung zwischen beiden Variablen aufweisen.
Als Gründe für diesen Unterschied können angeführt werden die vergleichsweise niedrigen Varianzen der Angsttestund Intelligenztestwerte der untersuchten Stichprobe Lernbehinderter wie auch die Feststellung von Schwarzer (1975, 71), daß die Enge des Zusammenhangs zwischen Angsttestwerten und Schulnoten(Deutsch, Mathematik, Sachkunde) bei Unterschichtkindern niedriger ist als in der Mittelschicht. Im Vergleich zu den Angsttestwerten ist der Intelligenzquotient(ÜberweisungsIQ) ein besserer Prädiktor für den Schulerfolg; für den sprachlichen Bereich und das Fach Sport ist die Anzahl der Geschwister als Prädiktor für den Schulerfolg ebenso geeignet bzw. ungeeignet wie der Intelligenzquotient. Als mögliche Erklärung wurde die schulerfolgsbeeinträchtigende Komponente der Sozialisationsbedingungen niederer Sozialschichten gerade für das Fach Deutsch angeführt, das für die Schulkarriere häufig so entscheidende Fach.
Literaturverzeichnis
Kühn z. B.(1983, 196) fand zwischen der Anzahl der Geschwister und den Schulnoten für alle Fächer negative Zusammenhänge, die mit Ausnahme der Fächer Kunsterziehung und Sport signifikant bzw. sehr signifikant waren. Zusammenfassend kann die Frage nach der Beziehung zwischen Schulleistungsversagen und Schulangst für die Population der untersuchten lernbehinderten Schüler lediglich dahingehend beantwortet werden, daß Angst bzw. Schulangst- soweit erfaßt- für den durch Schulnoten bedingten Schulerfolg keine entscheidende Rolle spielt.(Zu einem anderen Ergebnis kamen Schell u.a. 1973).
Für den Zusammenhang zwischen Überweisungs-IQ und Schulnoten wurden teilweise recht interessante Ergebnisse gefunden; weitere Analysen zu diesem Bereich sind in Vorbereitung. Allgemein sei mit Lazarus-Mainka (1985) darauf verwiesen, daß der Bedeutungsgehalt subjektiver Befindlichkeitsbeschreibungen im Zusammenhang mit Angstfragebögen durchaus ein Produkt des persönlichkeitsspezifischen Sprachstils sein kann. Für die vorliegende Untersuchung ist diese Feststellung noch in dem Sinne zu erweitern, daß ggf. sozialisationsspezifische Sprachverwendungen lernbehinderter Schüler auch das Antwortverhalten bei der Bearbeitung von Angstfragebögen beeinflussen, was jedoch durch die Art der Testdurchführung, die Ermittlung von Trennschärfekoeffizienten, durch Reliabilitäts- und Validitätsstudien der eingesetzten Fragebögen an lernbehinderten Schülern
und durch die entsprechenden Vergleiche mit den Ergebnissen der Eichpopulation ausgeschaltet werden kann.
Eine eingehende Analyse zu der von Lazarus-Mainka(1985) diskutierten Problematik bzgl. des durch den Sprachstil erklärten Varianzanteils an Testangst (Zustands- und manifeste Angst) stellt im Hinblick auf den Personenkreis lernbehinderter Schüler eine eigene Fragestellung dar.
Eine letzte Überlegung gilt der Relevanz der Untersuchung. Es wäre überlegenswert, ob die Frage nach der Schulangst lernbehinderter Sonderschüler nicht einfacher, schneller und effektiver- gemessen an den vorliegenden Erhebungsmethoden- durch das Lehrer- bzw. Elternurteil beantwortet werden könnte. Generell ist dieser Gedanke zu verwerfen, da sowohl das Lehrer- als auch das Elternurteil relativ invalide Indikatoren für psychische Befindlichkeiten der Kinder sind. Die Exaktheit bezüglich der Urteile der Bezugspesonen(Lehrer, Eltern) hängt ab von einer Fülle von im einzelnen- wenn überhaupt- nicht genau identifizierbaren Faktoren, wie z. B. soziokulturelle Werthaltungen, Ausdrucks- und Urteilsfähigkeit, Interesse, der psychischen Disposition der Bezugsperson wie auch den Einstellungen dem Kind gegenüber, der Art der Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind, aber auch der Art der Interaktionen zwischen Untersucher und Befragtem, der Art des Fragenstellens. Gleiche Gesichtspunkte gelten auch für die individuelle Diagnose von Schülerängsten(siehe hierzu Mattejat 1985, 14 ff.).
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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987
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