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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Franz B. Wember: Sonderpädagogik als Integrationswissenschaft und Interventionswissenschaft: Betrachtungen zur Rezeption der operanten

Lernpsychologie

Konsequenzen, die auf das Verhal­ten folgen, abhängig.

- Der zentrale Unterschied: Beim klas­sischen Konditionieren ist das Ein­treten des Verstärkers(das wäre hier der unkonditionierte Stimulus) von der Ausführung der bedingten Reak­tion unabhängig, beim operanten Konditionieren dagegen kann eine Verstärkung nur dann erfolgen, wenn die bedingte Reaktion(d. i. das operante Verhalten) gezeigt worden ist. Anders ausgedrückt: Nicht nur die externen Bedingungen beeinflus­sen das Individuum und sein Verhal­ten, das Individuum kann, indem es bestimmte Verhaltensweisen zeigt, die Häufigkeit positiver Konsequen­zen selbst beeinflussen(reziproke Determination).

Skinner hält das respondente Verhalten

wegen seiner Passivität für weniger wich­

tig und konzentriert sich in seinen For­schungen auf das aktive, das operante

Verhalten. Durch funktionale Analysen

(s. 0.) versucht er, empirisch exakte Be­

ziehungen zwischen operanten Verhal­

tensweisen und ihnen folgenden Konse­quenzen zu bestimmen. Skinner defi­niert operational: Wenn bei einem be­stimmten Organismus eine bestimmte

Konsequenz die Auftretenswahrschein­

lichkeit eines operanten Verhaltens er­

höht, nennen wir die Konsequenz einen

Verstärker, wenn sie die Auftretens­

wahrscheinlichkeit verringert, handelt es

sich um einen Strafreiz, wenn keine Ver­haltensänderung beobachtbar ist, um ei­nen neutralen Reiz. Skinner gelingt es in einer Vielzahl von Experimenten, ope­rantes Verhalten durch Manipulation seiner Effekte aufzubauen, aufrecht zu erhalten und zu formen(shaping), zu unterdrücken(Bestrafung) oder zu lö­schen(Extinktion). Er weist nach, daß man je nach dem, ob man einem Ver­halten positive oder negative Konse­quenzen(Bestrafung) folgen läßt, diffe­rentielle Verhaltensänderungen bewirkt und im zweiten Fall mit ungewollten ne­gativen Begleiterscheinungen zu rech­nen hat. Besondere Bedeutung erlangen seine Arbeiten zur Wirksamkeit von Verstärkungsplänen(schedules of rein­

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forcement), in denen er überzeugend

demonstriert, daß man replizierbare und

für spezifische Zwecke besonders ge­eignete Effekte produziert, wenn man das Verhältnis(Skinner: die

Kontingenz) zwischen operantem Ver­

halten und Verstärkung hinsichtlich

zweier Dimensionen variiert:

1. Kontinuität/Diskontinuität: Man kann jede operante Verhaltensein­heit kontingent verstärken oder aber nur eine bestimmte Anzahl von Reaktionen(Quotenverstärkung, z. B. jede zehnte Reaktion) bzw. eine Reaktion nach einem bestimmten Zeitintervall(Intervallverstärkung, z.B. die erste Reaktion nach Ablauf von 10 Sekunden).

2. Varianz/Invarianz: Bei intermittie­render Verstärkung kann man die Quoten bzw. Intervalle konstant las­sen oder aber variieren, d. h. die Quo­ten/Intervalle streuen um einen be­stimmten Mittelwert.

Der bis hierhin sehr allgemein gehaltene Überblick über Skinners Theorie soll an einem bekannten Beispiel aus Skinners Forschungspraxis konkretisiert werden, das gleichzeitig deutlich machen soll, daß Skinners experimentelle Methodik zwar erheblich von den gängigen Metho­den der Verhaltenswissenschaften ab­weicht, aber sehr gut an den spezifischen Forschungsgegenstand angepaßt ist und sich zur Operationalisierung der zentra­len theoretischen Begriffe wie zur Ent­deckung funktionaler Beziehungen ideal eignet(Abb. 1.).

Wer diese Beschreibung eines typischen Skinnerschen Laborexperiments ge­nauer analysiert, vermag einige verblüf­fende Entdeckungen zu machen: Die Apparatur, bekannt geworden als soge­nannteSkinner Box, ist nämlich- bild­lich gesprochen- eineapparative Ope­rationalisierung zentraler Theoriebe­griffe Skinners:

Sie sorgt für eine extrem reizarme

Abb. 1: Schematische Zeichnung einer typischen experimentellen Anordnung zur operanten Ver­

haltensanalyse bei Tauben(nach Skinner 1953).

Eine nach 48 Stunden Nahrungsentzug hungrige Taube wird in eine künstlich beleuchtete Box gesetzt, in der sie von visuellen und akustischen Reizen abgeschirmt ist. Vor ihr befindet sich eine Taste(1). Wenn sie auf diese Taste pickt, wird ein Mechanismus(2) ausgelöst, der eine Futtergabe in den Freßnapf(3) abgibt. Operante Verhaltenseinheit der Taube und die Verstär­kung werden automatisch kumulativ protokolliert(sog. cumulative record), außerdem wird das Verhalten des Tieres mittels Videoanlage(4) kontinuierlich aufgezeichnet.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987