Franz B. Wember: Sonderpädagogik als Integrationswissenschaft und Interventionswissenschaft: Betrachtungen zur Rezeption der operanten
Lernpsychologie
Umgebung, wodurch die zweifelsfreie Identifikation des effektiven Stimulus erleichtert wird.
— Sie läßt nur bestimmte, artangepaßte Verhaltensweisen zu, so daß zweifelsfrei gewährleistet ist, daß das interessierende operante Verhalten im Verhaltensrepertoire des Versuchstieres verfügbar ist und als natürliches Verhalten(Laufen, Picken etc.) im Experiment mit hoher Wahrscheinlichkeit spontan auftreten wird.
- Da das Versuchstier hungrig ist, sind die Futtergaben auf jeden Fall wirksame primäre Verstärker.
—- Die Apparatur ist so angelegt, daß das Picken auf die Scheibe- und nur das Picken auf die Scheibe- unmittelbar zur Futtergabe führt. Das operante Verhalten ist also in der experimentellen Situation in der Tat„instrumentelles Verhalten”.
—- Die Apparatur erlaubt eine hochgradige Kontrolle aller Bedingungen und eine zuverlässige automatische Protokollierung aller Ereignisse(Reize, Reaktionen, Verstärkungen), so daß Experimente auch bei hohen Reaktionsraten und langer Zeitdauer durchgeführt werden können.
Auf diesem Hintergrund läßt sich Skin
ners methodologische Position verste
hen: Er lehnt die experimentelle Standardmethodik der Gruppenvergleichsstudie anhand statistischer Mittelwerte ab, weil(1) diese nur abstrahierte Werte liefern, die kein individuelles Verhaltensmuster abbilden, und weil(2) inter
individuelle Verhaltensvariabilität im
Modell des statistischen Inferenzschlus
ses nur als Fehlervarianz behandelt wird.
Skinner schlägt stattdessen vor, Verhal
tensvariabilität durch rigorose experi
mentelle Kontrolle zunehmend zu reduzieren, statt sie durch statistische Datenbehandlung zu negieren und fordert intraindividuelle Versuchsdesigns mit der Erhebung vieler individueller Längsschnittdaten bei wenigen Individuen anstelle weniger Querschnittdaten bei großen Stichprobenumfängen. Skinner hält solch eine Strategie auch unter Gesichtspunkten der Anwendung von For
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Abb. 2: Schematische Zeichnung einer typischen experimentellen Anordnung zur operanten Verhaltensanalyse bei Kindern(abgeändert aus Bijou 1955, 163).
Die Versuchsperson wird in eine abgedunkelte kleine Experimentalkammer gesetzt, um sie vor störenden externen Einflüssen zu schützen. Das vor ihr stehende Gerät bietet aufleuchtende Lampen oder auf einen Bildschirm projizierte geometrische Muster als Reize dar(1); an Reaktionen werden nur einfache motorische Handlungen(Hebel oder Knopf drücken, Schalter umlegen etc.(2)) gefordert, die durch mechanische Vergabe von Nahrungsmitteln, Süßigkeiten oder kleinen Spielzeugen verstärkt werden(3). Reize, Reaktionen und Verstärkungen werden durch die Apparatur kumulativ protokolliert, der Forscher beobachtet das Verhalten der Vp
durch eine seitlich angebrachte Einwegscheibe.
schungsergebnissen für vorteilhaft: Der Praktiker brauche Variablen, die individuelles Verhalten effektiv kontrollieren können, er habe es mit konkreten Individuen zu tun, bei deren Behandlung ihm Mittelwerte wenig helfen könnten. Der Praktiker ist„... dabei in der gleichen Lage wie der praktische Arzt, der über Leben und Tod eines individuellen Patienten nicht aufgrund von Sterbestatistiken vorhersagen kann... Die Praxis bedarf nicht statistischer Analyse, sondern individueller Kontrolle”(Scheerer 1983, 40; Hervorhebung im Original ausgelassen).
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987
Individualtherapien als Applikationsversuche
Skinner selbst und einige seiner Schüler unternahmen in den 50er und 60er Jahren die ersten Versuche, die operante Lernpsychologie auf Probleme außerhalb des Labors anzuwenden. Sie suchten das Verhalten hochgradig psychotisch gestörter Erwachsener(Skinner 1954 b; Lindsley& Skinner 1954; Lindsley 1960) bzw. Kinder(Barrett& Lindsley 1962) in geschlossenen psychiatrischen Institutionen zu analysieren und zu ändern. In diesen wie in Folgestudien mit autistisch gestörten(Ferster& DeMyer 1961) oder geistig behinderten Kindern(Bijou& Orlando 1961) wurden Versuchsanordnungen realisiert, die deutlich an der Skinner-Box orientiert waren(Abb. 2).
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