A——————[—[———P————>—> FF Franz B. Wember: Sonderpädagogik als Integrationswissenschaft und Interventionswissenschaft: Betrachtungen zur Rezeption der operanten
Lernpsychologie
difikatorische Techniken erfolgreich in Sonderschulklassen einsetzen(vgl. z. B. Fridez 1981; Bönner, Wasel-Nielsen& Tent 1983), aber man darf davon nicht die Lösung aller sonderpädagogischen Probleme erwarten, sondern muß, wie in Kapitel 4 gezeigt, die motivations- und kognitionspsychologischen Grenzen operanter Methoden beachten. Es ist jedoch falsch, theoretische Unterschiede zwischen behavioristischen, kognitiven und motivationalen Ansätzen auf den praktischen Arbeitsbereich zu verabsolutieren und prinzipielle Unvereinbarkeiten zu konstruieren. In der Psychotherapie und klinischen Psychologie finden sich unter dem Sammelbegriff der Kognitiven Verhaltensmodifikation zahlreiche Ansätze, in denen kognitionspsychologische und behavioristische Therapieformen kombiniert werden. Auch in der pädagogischen Arbeit lassen sich durchaus Komponenten unterschiedlicher theoretischer Herkunft zu effektiven Interventionsmaßnahmen kombinieren, das ist in den letzten Jahren besonders in sonderpädagogisch ausgerichteten Arbeiten deutlich geworden. Kern(1983) hat beispielsweise operante Techniken erfolgreich eingesetzt, um geistigbehinderten Kindern einige
Literatur
konkret-operatorische Begriffe Piagets zur Anbahnung des Zahlverständnisses zu vermitteln. Krug, Peters und Quinkert(1979) kombinierten Verhaltenstraining, Bekräftigungslernen, Modellernen und Selbstkontrolle zu einem erfolgreichen Motivförderungsprogramm für lernbehinderte Sonderschüler, das positive Veränderungen im Selbstkonzept, in der Schulangst und beim Leistungsmotiv der Schüler bewirkte. Masendorf und Mitarbeiter(vgl. zusammenfassend Masendorf 1985) konnten mit Methoden der verbalen Selbstinstruktion in mehreren Studien lernbehinderten Sonderschülern grundlegende Fertigkeiten im Feststellen von Gleichheit oder Verschiedenheit bei Merkmalen oder Relationen vermitteln, Fertigkeiten mit vermutlich hoher Transferwirkung, die sich in Intelligenzuntersuchungen vor allem in einer erhöhten fluiden Intelligenz(gf nach Cattell, g-Faktor nach Spearman) niederschlagen.
Verhaltensmodifikation in der Sonderpädagogik ist nicht, wie Baude(1977) meint, ein Krisensymptom. Dem Autor dieser Zeilen scheint es eher ein Krisensymptom zu sein, wenn empirisch erprobte und praktisch bewährte Interventionsprogramme aufgrund theoretischer
Vorurteile ignoriert werden oder wenn Schlagworte wie„Rattentechnologie” eine pauschale Verurteilung der Verhaltenstheorie und entsprechend begründeter Methoden legitimieren sollen. Der praktisch tätige Sonderpädagoge ist keinem theoretischen Purismus und keinem methodischen Rigorismus verpflichtet, sondern einzig den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Deren möglichst effektive Förderung sollte er mit allen zu Gebote stehenden Mitteln betreiben. Das schließt ein, daß er Interventionsangebote, gleich welcher theoretischer Herkunft, vorurteilsfrei prüft, positiv empfundene Ansätze in die eigene Arbeit integriert und kritisch einsetzt. Gleiches gilt für die wissenschaftlich tätigen Kollegen. Wenn die Sonderpädagogik zu einer vorurteilsfreien, theorie- und methodenkritischen Integrationswissenschaft und zu einer praxisorientierten, empirisch arbeitenden Interventionswissenschaft im Sinne Kanters wird, werden wissenschaftlich arbeitende Sonderpädagogen ihren praktisch tätigen Kollegen in Zukunft vielleicht mehr brauchbare Hilfen anbieten können als bisher.
Baer, D. M., Wolf, M. M.& Risley, T. R.(1968). Some current dimensions of applied behavior analysis. Journal of Applied Behavior Analysis, 1,
91-97.
Barret, B.& Lindsley, O. R.(1962). Deficits in the acquisition of operant discrimination and differentiation shown by institutionalized retarded children. American Jounal of Mental Deficiency, 56, 424-436. Baude, N.(1977). Verhaltensmodifikation als Krisensymptom. Behindertenpädagogik in Hessen, 3, 126-129.
Bijou, S. W.(1955). A systemic approach to an experimental analysis of young children. Child Development, 26, 160-168.
Bijou, S. W.& Orlando, R.(1961). Rapid development of multiple-schedule performances with retarded children. Journal of the Experimental Analysis of Behavior, 4, 7-16.
Birnbrauer, J., Bijou, S. W., Wolf, M.& Kidder, J.(1965). Programmed instruction in the classroom. In L. Ullmann& L. Krasner(Eds.). Case studies in behavior modification. New York: Holt, Rinehart& Winston, 61-90.
Bönner, K. H., Wasel-Nielen, E.& Tent, L.(1983). Zum Problem der Verhaltensmodifikation eines einzelnen Schülers in der Klasse. Heilpädagogische Forschung, 10, 170-180.
Deci, E. L.(1971). Effects of externally mediated rewards on intrinsic motivation. Journal of Personality and Social Psychology, 18, 105-115. Ferster, C. B.& DeMyer, M. K.(1961). The development of performances of autistic children in an automatically controlled environment. Jounal of Chronic Diseases, 13, 312-345.
Fridez, M. L.(1981). Der vermittelte Aufbau eines Token-Economy-Systems zum Erlernen von Selbstkontrolle bei Hilfsschülern. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 50, 114-117.
Gottwald, P.& Redlin, W.(1972). Verhaltenstherapie bei geistig behinderten Kindern. Zeitschrift für Klinische Psychologie, 2, 93-149.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987 175