Ingrid Möller: Fernstudienmaterialien Sonderpädagogik im Präsenzstudium
Zielsetzung der Untersuchung
Die globale Zielsetzung der wissenschaftlichen Begleituntersuchung zum MV sieht eine Bewertung des Lehrangebots Sonderpädagogik an der FeU-Hagen im Hinblick auf seine bildungspolitischen und curricularen Ziele vor. Von der Realisierung eines der Teilziele des MV- Verwendung in sonderpädagogischen Studiengängen im Sinne einer Entlastungsfunktion; sonderpädagogisches Orientierungsstudium in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen- ist allerdings, wie oben ausgeführt, bereits in einer frühen Phase des Modellversuchs aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen Abstand genommen worden. Unter dem Aspekt der Implementierung bzw. Übernahme der Modellversuchsergebnisse in andere Institutionen gilt es festzustellen, ob auf seiten der Studenten und der sonderpädagogischen Lehrvertreter an Präsenzhochschulen eine Bereitschaft anzutreffen ist, Fernstudienmaterialien im Präsenzstudium als Bestandteil in die Lernorganisation aufzunehmen, darüber hinaus als gleichwertigen Ersatz für traditionelle Lehrformen(Vorlesungen, Übungen, Seminare) zu akzeptieren und implizit die Einschätzung dahingehend, ob mit dem Medium Fernstudienkurs (fach)spezifische Kompetenzen erworben werden können.
Das Medium Fernstudienkurs wird in dieser Untersuchung nicht im Sinne eines Leit- oder Selbstinstruktionsprogramms zur Unterstützung didaktischer Funktionen wie Motivation, Veranschaulichung, Optimierung von Lerntechniken u.a. behandelt(Weltner 1978), ebenso bleibt hier die Qualität des Mediums unter dem Aspekt der Textverständlichkeit außer acht(Tergan 1978, 1983, Weingartz 1981). Hier geht es darum, ob Fernstudienangebote wesentliche Lehrfunktionen sowohl in einem sonderpädagogischen Orientierungsstudium als auch in allgemein erziehungswissenschaftlichen(Lehramts)Studiengängen übernehmen können, wobei, dies sei hier nachdrücklich betont, Direktveranstaltungen, ggf. auch
als Tutorien, ergänzend da eingesetzt werden müssen, wo dem Vermittlungsprozeß über schriftliche Materialien Grenzen gesetzt sind.*
Von den Modellversuchen„Fernstudium im Medienverbund” anfang der siebziger Jahre(Dohmen 1970, Ehmann 1977, Kadelbach 1970, Rebel 1970) würde sich ein operationalisiertes Lehrverbundsystem wie oben angeführt zum einen durch den Adressatenkreis unterscheiden- primär Erststudierende und nicht vorrangig an Weiterbildung Interessierte, die als Teilzeitstudenten neben ihrem Beruf zu einem(weiteren) Studienabschluß kommen möchten und zum anderen durch eine institutionalisierte Beteiligung der Hochschulen. Die abschließende Betrachtung der Ergebnisse wird im Kontext der Diskussion um Reform von Studium und Hochschule geführt, in der die Chancen eines medial-kooperativen Lehrsystems für den sonderpädagogischen Ausbildungsbereich argumentativ aus der Sicht der direkt Beteiligten reflektiert werden.
Durchführung der Untersuchung
Im Rahmen der Gesamtevaluation des MV wurden verschiedene Methoden der empirischen Sozialforschung eingesetzt (schriftliche Befragung, Gruppeninterview, Inhaltsanalyse). Für den hier vorgestellten Gegenstandsbereich wurde für beide Untersuchungsgruppen(Evaluatoren/Experten) jeweils ein Fragebogen entworfen, der sowohl geschlossene als auch offene Frageformen enthielt (bei den KZH insgesamt 54, bei den Lehrvertretern insgesamt 77 Fragen). Für die Operationalisierung der Variablen„Studienverhalten”,„Studien
*Im Zusatzstudiengang für das Lehramt für
Sonderpädagogik an der FeU-Hagen wurden beispielsweise drei Präsenzphasen als curricular verbindliche Bestandteile im Umfang von 20 Semesterwochenstunden angeboten.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987
schwierigkeiten” und„Studienorganisation” wurden empirische Untersuchungen aus dem Forschungsbereich der Hochschule(Apenburg u.a. 1974 a, 1974 b, Griesbach u.a. 1983, Herwig 1983, Jahnke 1971, Keil u. Piontkowski 1973, Müller-Wolf 1977, Wilcke 1970) und des Fernstudiums(vgl. Schwittmann 1980, Bangert 1982) als Bezugsrahmen herangezogen.
Nach einer ersten Erprobung wurde der Fragebogen an die KZH im Sommersemester 1984 und im Wintersemester 1985 an insgesamt 223 Studenten versandt, die in den beiden jeweiligen Semestern sonderpädagogische Kursangebote belegt hatten. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen war ein Zugriff auf Studenten früherer Semester nicht möglich. Der Rücklauf betrug mit 71 auswertbaren Fragebögen 31,4%. Die ebenfalls schriftlich durchgeführte Befragung der Lehrvertreter fand im Zeitraum Mai bis Juli 1985 statt. Von 88 Kursautoren sandten 69% den Fragebogen auswertbar zurück(n= 58). Mit der Stichprobengröße lassen sich im Kontext einer ersten Erkundungsstudie bereits Aussagen formulieren, die jedoch allenfalls einen repräsentativen Charakter für die Grundgesamtheit KZH und Lehrvertreter im Projekt Sonderpädagogik annehmen können und nicht auf KZH an der FeU-Hagen insgesamt bzw. auf die Gesamtheit aller sonderpädagogischen Lehrvertreter generalisiert werden können.
Das gesamte Datenmaterial wurde, soweit es sich um Zahlenangaben, Ratings und vorgegebene Antwortkategorien handelte, auf EDV-mäßigen Datenträgern erfaßt. Soweit es sich um offene Fragen handelte, wurden anhand von Antwortlisten aus der Kenntnis aller Antworten Kategorien gebildet. Jede Antwort wurde aus der Liste nach den so gewonnenen Kategorien verschlüsselt und ebenfalls auf elektronische Datenträger gespeichert. Die Erfassung und Auswertung der Daten erfolgte auf einem Personalcomputer mit dem Programm Kleiter-Micro-Computer-Statistik-System(KMSS, E. Kleiter 1984).
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