Ingrid Möller: Fernstudienmaterialien Sonderpädagogik im Präsenzstudium
Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse
Es wurden Ergebnisse aus einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung vorgestellt, in der Kurszweithörer an der FeUHagen(Ersthörer an einer Präsenzhochschule) und Lehrvertreter, die an der Bereitstellung des sonderpädagogischen Lehrangebots beteiligt waren, als Evaluatoren eingesetzt wurden. Diese angesprochenen„Experten” treten im Rahmen dieses Unterschungsabschnitts sich selbst als Objekt des Evaluationsprozesses gegenüber, - in den ihre Interessen, Erwartungen und Lehr-/Lernstrategien sowie ihr - Lehr-/Lernerfolg als Teilnehmer einfließen. Die Zusammensetzung der Kurszweithörer hinsichtlich ihres Studienfachs an der Präsenzhochschule weist auf, daß der MV die Adressatengruppen des curricular nicht explizit realisierten Teilvorhabens sehr wohl erreicht hat: - Studenten der Sonderpädagogik, die mit Fernstudienmaterialien das Lehrangebot an der Präsenzhochschule ergänzen —- Studenten in allgemein erziehungswissenschaftlichen Studiengängen und Lehramtsstudiengängen des Regelschulbereichs, die das Fernstudienangebot im Sinne einer sonderpädagogischen Orientierung belegen und darüber hinaus - an sonderpädagogischer Fortbildung interessierte fachfremde Studenten. Die Heterogenität der Studienfächer bei Ersthörern an Präsenzuniversitätren signalisiert, daß sonderpädagogische Fragestellungen auf ein interdisziplinäres Interesse stoßen(ein Anliegen, das G. O. Kanter auch mit diesem Projekt engagiert verfolgt hat). Hier mag nicht zuletzt die öffentlich rege und auch kontrovers geführte Diskussion um schulische und soziale Integration behinderter Menschen zum Problembewußtsein der Studenten ihren Beitrag geleistet haben. Die Erwartungen und Motive, die bei der Kursbelegung und wohl auch für die Immatrikulation als KZH an der FeUHagen ausschlaggebend waren, sowie
das Arbeitsverhalten von KZH im Präsenz- und Fernstudium unterstreichen die Vorteile einer Verzahnung von Präsenz- und Fernstudium: - Ausgleich nicht vorhandener Angebote - Erweiterung des Wahlangebots —- besondere Förderung individueller Studieninteressen — rationelle Vermittlung von Standardwissen — Interdisziplinarität (Abels 1985, 196 ff.). Insgesamt betrachtet äußern sich beide Gruppen zufrieden über das Lehrangebot, wobei die didaktischen Qualitäten besonders in den Vordergrund gerückt werden. Den Befürchtungen einzelner Hochschulen, daß ihre Lehrveranstaltungen durch das Angebot von Fernstudienmaterialien verdrängt oder letztlich entbehrlich würden, kann mit den Ergebnissen beider Gruppen entgegengetreten werden. Sie räumen dem Medium Fernstudienmaterial zwar zahlreiche Funktionen von traditionellen Lehrveranstaltungen ein, jedoch kann es den dominierenden Stellenwert des aktiven gedanklichen Austauschs in interaktiven und kommunikativen Lernsituationen innerhalb der akademischen Sozialisation nicht annehmen. Apersonale Medien können nach Ansicht der Befragten wohl als Ersatz für solche Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, die Zzuvorderst als reine Informationsvermittlung im Sinne einer„Textvorlesung”(MüllerWolf 1977, 127) oder„Faktenschleuder” (Sader u. a. 1970, 138) dienen. In diesem Kontext sollte die erfolgreiche Bearbeitung sonderpädagogischer Fernstudienmaterialien auch als äquivalente Studienleistung anerkannt und auf das Studienvolumen angerechnet werden. Der hier angezeigte Bedarf gibt den für die Prüfungs- und Studienordnungen zuständigen Gremien die Möglichkeit, in einem konkreten Punkt Studienreform zu betreiben, der von betroffenen Studierenden und Lehrvertretern begrüßt würde. Offen bleibt hier die Frage, von welcher Institution- Fernuniversität oder Prä
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987
senzhochschule- das Kriterium für den „Erfolg der Bearbeitung” festgesetzt und die erbrachte Leistung testiert werden. Abels hält sich in seinem Modell eines Lehrverbundsystems von Fern- und Präsenzstudium diesbezüglich zurück. Er differenziert zwar zwischen„... Studienbriefen, die von der Konzeption nicht auf eine Betreuung durch Lehrende angelegt sein können” und„betreuten Studienmaterialien”, wobei unter Betreuung„... regelmäßige Veranstaltungen zu zentralen Themen oder Tutorien” verstanden werden,„... in denen ältere Semester jüngere Studenten betreuen”(Abels 1985, 195), jedoch kommt nicht explizit zum Ausdruck, ob die Verantwortlichkeit der Lehre bei Vertretern der Fernuniversität oder der Präsenzhochschule liegt.
Dagegen nimmt Peters(Gründungsrektor der FeU-Hagen) unter Verweis auf didaktische, urheberrechtliche und institutionspolitische Dimensionen deutlicher Stellung: Würde die Fernuniversität die von ihr entwickelten Materialien an Hochschulen hergeben, würde sie auf die bloße Funktion einer Versandzentrale reduziert und degradiert. Insbesondere die an der Lehre beteiligten Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter würden eine solche Funktionszuschreibung als Zumutung empfinden und nicht damit einverstanden sein,„... wenn die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen und didaktischen Anstrengungen wie eine Ware außerhalb der Fernuniversität weiterverteilt und unkontrolliert verändert und im Hinblick auf unterschiedliche Bedürfnisse adaptiert werden”(Peters 1985, 116). Unter Rückgriff auf drei praktizierte Kooperationsmodelle zwischen der Fernuniversität und einer Präsenzhochschule resumiert Peters:
„Kooperationen unterschiedlicher Art sind möglich. Sie werden immer dann leicht erreicht werden, wenn beide Partner Nutzen daraus ziehen. Deutlich wird dabei die Tendenz, die Weiterbildungsstudenten in der Fernuniversität einzuschreiben, um einerseits die Vorzüge des technischen Systems, andererseits aber auch die zusätzliche didaktische Be
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