Die Vermittlung optimaler Lösungsstrategien
Ein Beitrag zum remedialen Lehren beim Lösen von Sachaufgaben
Von Peter Binstadt und Uwe A. Michelsen
Es wird gezeigt,(1) wie vielfältige Sachzusammenhänge eines Lehrgebietes auf wenige sog. Stammformeln zurückgeführt werden können. Ausgehend von rationalen Aufgabenanalysen werden(2) optimale Lösungsstrategien entwickelt und(3) Kriterien zur Hierarchisierung von Übungsaufgaben vorgestellt.
Present paper shows(1) how diverse interrelations within a special field of teaching can be reduced to only a few basic formulae. Starting from rational analyses of problems(2) strategies for optimal solution are developed and(3) criteria are presented with which types of problems can be hierarchically arranged.
Begriff und Notwendigkeit remedialen Lehrens
Trotz aller zumindest hypothetisch ergreifbaren Maßnahmen zur äußeren Differenzierung des Unterrichtsgeschehens wird es nie gelingen, eine absolute Homogenität der Leistungsfähigkeit von Schülern eines Klassenverbandes zu erreichen. Stets wird die Gruppe der miteinander Lernenden aus mehr oder minder heterogenen Schülerpopulationen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Lernverläufen und Lernergebnissen bestehen. Aufgabe der Lehrenden ist es, diese Unterschiede durch zusätzliche Lernhilfen für leistungsschwache Schüler auszugleichen. Die im ganzen wohl heterogenste Zusammensetzung von Schulklassen dürfte bei einem Vergleich der Schularten in den Berufs-, speziell in den Kreisberufsschulen anzutreffen sein, in denen nicht selten Auszubildende mehrerer Berufe eines Berufsfeldes mit zudem sehr unterschiedlicher Vorbildung einer Klasse angehören: vom Hauptschüler(evtl. sogar vom Sonderschüler) bis zum Abiturienten. Maßnahmen remedialen, d.h. helfenden bzw. unterstützenden Lehrens sind hier drin
gend geboten, und zwar vor allem in jenem Fach, in dem erfahrungsgemäß die größten Leistungsdefizite bestehen, in der sog. Technischen Mathematik bzw. (so die ältere und noch immer gebräuchliche Bezeichnung) im Fachrechnen. Die in der Themenformulierung angekündigten Gedanken zur„Vermittlung optimaler Lösungsstrategien‘‘, gedacht als„„Beitrag zum remedialen Lehren beim Lösen von Sachaufgaben‘‘, werden daher anknüpfend an Inhalte des Fachrechnens aus dem Bereich der gewerblich-technischen Bildung entwickelt. Ungeachtet dessen können alle auf diese Weise beispielhaft gewonnenen Ergebnisse auch auf den naturwissenschaftlichen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen übertragen werden.
In der einschlägigen berufspädagogischen Literatur werden immer wieder die schlechten Leistungen von Berufsschülern im Rechnen beklagt(vgl. z.B. IHK Hanau 1982 und Bunk 1983). Leider aber gibt es bislang kaum systematische Fehleranalysen des umfangreichen Materials der Lehrabschlußprüfungen. Eine Ausnahme macht die von Ploghaus durchgeführte Untersuchung der Prüfungsleistungen von Auszubildenden
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988
des Metallgewerbes. Danach wurden die
in den Prüfungen gestellten Fachrechen
aufgaben zu 11,9% gar nicht angefangen, 1,9% trotz eines richtigen Lösungs
ansatzes nicht zu Ende gerechnet, 52,9%
falsch gelöst, und nur 33,2% aller Pro
banden lösten die Aufgaben korrekt(vgl.
Ploghaus 1967 c, S. 412).
Häufig wiederkehrende Mängel bei der
Aufgabenbearbeitung sind nach Plog
haus,
— daß die meisten Probanden ohne jeden Ansatz drauflosrechnen(vgl. Ploghaus 1967 c, S. 419),
— daß die Teilergebnisse„verstreut“ auf dem Lösungsblatt stehen, Hauptund Nebenrechnungen„kreuz und quer durcheinander‘‘ gehen, so daß die Schüler schließlich die Übersicht verlieren(vgl. ebd., S. 420),
— daß die zur Berechnung notwendige Ausgangsformel fehlerhaft angesetzt oder umgestellt wird(vgl.ebd., 5.422 u. Ploghaus 1967 a, S. 520),
— daß die meisten Schüler bei Aufgaben versagen,„die nicht mehr oder minder mechanisch mittels eingepaukter Formeln gelöst werden können, sondern ein klares denkendes Erfassen der Gegebenheiten, ein selbständiges
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