Peter Binstadt& Uwe A. Michelsen
Die Vermittlung optimaler Lösungsstrategien
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fahren, wie man es ihnen beigebracht hat‘(Klauer 1984, S. 78). Ein Kriterium, bessere von weniger guten Lösungsstrategien zu unterscheiden— so wird sich zeigen—, ist der relative Schwierigkeitsgrad unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten.
Zu 3: Die relativen Schwierigkeitsgrade
Bei genauer Kenntnis des Schwierigkeitsgrades von Aneignungs- und Überprüfungsaufgaben? wäre nicht nur eine gerechtere Leistungsbewertung, sondern auch und vor allem eine didaktisch sinnvolle Reihung des Lehrstoffes(vgl. Michelsen& Binstadt 1985) möglich. Zur Sequenzierung müssen die Aneignungsaufgaben durch die Relation„ist schwieriger als‘ in einer Hierarchie geordnet werden. Unterstellt man, daß zum Lösen einer bestimmten Aufgabe eines Aufgabenrepertoires im Vergleich zu einer anderen mehr Wissen(Operationen) gebraucht wird und daß dieses Mehr an Wissen die Aufgabe für die Schüler zumindest nicht leichter macht, dann kann man, aufgrund der verschiedenen den einzelnen Aufgaben zugehörigen Lösungswege, eine solche Schwierigkeitshierarchie bilden. Klauer(1984) und Leutner(1985) haben auf diese Weise die relativen Schwierigkeiten von Aufgaben zur„Multiplikation und Division von Brüchen“ abgeschätzt und die theoretisch vorausgesagte Aufgabenschwierigkeit empirisch bestätigt. Den logischen Schwierigkeitsgrad aller Aufgabentypen des Bruchrechnens und, darüber hinaus, auch die Schwierigkeit der zur Aufgabenlösung notwendigen Operationen haben Michelsen& Binstadt(1985) rational bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, daß mit der Komplexität von Lehr
2 Den Aufgaben eines Lehrstoffes kommt
im Unterricht eine doppelte Funktion zu: Während des Lernprozesses sollen sie die Aneignung neuer Fähigkeiten durch das Üben der relevanten Operationen unterstützen(Aneignungsaufgaben). Ferner dienen sie dazu, festzustellen, ob die Lernenden das intendierte Lernziel erreicht haben, d.h. ob der angestrebte Kompetenzgrad von allen Schülern erreicht worden ist(Überprüfungsaufgaben).
inhalten auch deren Schwierigkeitsgrad ansteigt. Der logische Schwierigkeitsgrad kann deshalb als Kenngröße zur Lehrstoffsequenzierung„vom Leichten zum Schwierigen‘“ wie zur Reihung„vom Einfachen zum Komplexen“‘ herangezogen werden?.
Eine solche Strukturierung des Lehrstoffes hilft lernschwachen Schülern, das Lehrziel zu erreichen, wenn der Lernverlauf relativ stark vororganisiert und gesteuert wird(vgl. Weinert 1978, S. 265), wobei diese Organisation„Art, Schwierigkeitsgrad und Abfolge der Aufgaben, Zahl, Form und Verteilung der Übungen“(ebd.) umfassen sollte.
Beispiel einer rationalen Analyse von Sachaufgaben
An einem Beispiel aus dem Bereich des Fachrechnens für Elektroberufe wird nunmehr gezeigt, welche Möglichkeiten der Sequenzierung von Lehrinhalten und der Oprimierung von Lehr- bzw. Lösungsstrategien in diesem Zusammenhang möglich sind.
Die dem Lehrstoff„Stromstärke, Spannung und Widerstand im Gleichstromkreis‘ zugrundeliegenden Sachverhalte, nämlich die physikalischen Zusammenhänge und die entsprechenden mathematischen Verknüpfungen zwischen den Größen Stromstärke(I), Spannung(U), Widerstand(R) sowie elektrischer Arbeit(W), Leistung(P) und Zeit(t), werden mit den Formeln der Gleichstromlehre beschrieben, mit deren Hilfe sich
3 Die Komplexität eines Gegenstandes wird
beeinflußt von der Anzahl seiner Teilelemente und von dem zwischen ihnen zu identifizierenden Relationen. Als komplexer gelten deshalb hier jene Lehrstoffelemente(Aufgabentypen oder Operationen), zu deren Vermittlung im Unterricht auf mehr Lernvoraussetzungen zurückgegriffen werden muß. Leicht heißen Elemente des Lehrstoffes, die, unabhängig von den subjektiven, jeweils verschiedenen Vorerfahrungen, Vorkenntnissen oder dem unterschiedlichen Lernaufwand einzelner Schüler, objektive, den Schwierigkeitsgrad beeinflussende Merkmale aufweisen. Z.B. wird ein Aufgabentyp dann leichter als ein anderer genannt, wenn bei optimaler Bearbeitung vergleichsweise weniger Lösungsschritte ausgeführt werden müssen.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988
alle Aufgabentypen dieses Lehrstoffes konstruieren lassen. Zunächst wird daher das entsprechende Repertoire* der Aufgabentypen bestimmt:
In den zu betrachtenden Formeln der Gleichstromlehre kommen nur die Zeichen der Größen U, I, R, P, W und t vor. Sie werden zur Menge der Formelzeichen M,={U, 1, R, P, W, t} zusammengefaßt. Da in den Sachaufgaben lediglich eine unbekannte Größe gesucht und die zur Bearbeitung der Aufgaben notwendigen Daten vollständig gegeben sein müssen, läßt sich ein Aufgabentyp als Gegenüberstellung zweier echter Teilmengen Mges(Menge der gesuchten Größen) und Mgeg(Menge der gegebenen Größen) aus M, definieren. Ein Aufgabentyp des betrachteten Lehrstoffes ist somit jede Gegenüberstellung der Mengen Mges und Mgeg, die folgende Bedingungen erfüllt:
1. Die Mächtigkeit von Mges ist 1,
2. Mges€ Mz,
3. Mgeg© Mz und
4. Mges MN Mgeg= 6
Z.B. ist[Mges/Mgeg]; lies: Mges gegenübergestellt Mgeg, mit Mges={I}und Mgeg={U, R}, geschrieben[{ 1} /{U, R}], ein Aufgabentyp des betrachteten Repertoires. Durch konkrete Größenangaben für U und R erhält man aus diesem Aufgabentyp eine spezielle Aufgabe, z.B. [{1} /{U=20 V, R= 5 Q}].
Als Sachaufgabe formuliert ergibt sich hieraus z.B.:„Wie groß ist die Strom stärke I, wenn an einem Gleichstromkreis mit dem Widerstand R= 5© eine Spannung von U= 20 V liegt?‘
Dieselbe Sachaufgabe kann auch durch eine Skizze(vgl. Abb. 1) dargestellt werden(siehe S. 100).
Zur Lösung solcher Aufgaben müssen Schüler die im Unterricht behandelten Sachzusammenhänge sowie die daraus abgeleiteten Formeln kennen und sie so umstellen oder miteinander verknüpfen können, daß in der Lösungsgleichung
* Andere Aufgaben sprechen nicht von ei
nem Repertoire, sondern von„„Grundmengen‘“‘ (Klauer 1974),„universe‘‘ oder„domain“ (Hively u.a. 1968), woraus Anwendungsaufgaben bzw. die Aufgaben für einen Test ausgewählt werden können.
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