Journal 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Page
110
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

Roland Arbinger- Textverständnis und Lösen mathematischer Sachaufgaben

BEER

verbleibende Variable das zu lösende Problem darstellt. Die Anzahl richtig be­haltener Propositionen(über die 3 Auf­gaben) wurde als Maß für schemabezo­genes Wissen genommen.

® Lösungsstrategien: Für die Analyse der Protokolle im Hinblick auf das Auf­treten von Lösungsstrategien wurden zum größten Teil die in einer früheren eigenen Untersuchung(Arbinger 1985) benutzten Kategorien herangezogen. Zu­sätzlich wurden noch Kategorien für die Erfassung fehlerhafter Strategien defi­niert(in Anlehnung an Sander 1986). Grundlage der Protokollanalyse waren dann die in Abbildung 2 angeführten 14 Kategorien.

Auswertung und Ergebnisse

Entsprechend der Hauptzielsetzung der Untersuchung soll hier schwerpunktmä­Big auf die Frage eingegangen werden, welcher relative Stellenwert den erfaß­ten Wissensaspekten für die Lösung von Textaufgaben zukommt.

Für eine erste Beantwortung dieser Fra­ge wurden(schrittweise) multiple Re­gressionen mit der Lösungshäufigkeit als Kriterium gerechnet. Abbildung 3 zeigt eine zusammenfassende Darstellung aller durchgeführten Analysen.

Es zeigt sich, daß für die Vorhersage der Lösungsleistung in der 1. Sitzung eine Kombination von prozeduralem und schemabezogenem Wissen notwendig ist. Eine Vorhersage der Lösgungsleistung in der 2. Sitzung aufgrund der in der 1. Sit­zung erfaßten Variablen zeigt dagegen, daß ausschließlich die VariableFinden eines Ansatzes* von Bedeutung ist. Beschränkt man sich allein auf die wäh­rend der 2. Sitzung erhobenen Varia­blen, so läßt sich die Lösungsleistung durch eine Kombination der während der Lösungsfindung erhobenen Varia­blen vorhersagen(sog.Lösungsstrate­gien). Als für die Lösung von Textauf­gaben wichtige ‚Strategien ergeben sich: die spontane Formulierung des richtigen Ansatzes; eine explizite Ziel­bildung; und die Anwendung bestimm­ter Vereinfachungen während des Lö­sungsvorgangs(hier nur nebenbei: Ei­

110

Abb. 3: Zusammenfassung der multiplen Regressionen

Kriterium Prädiktoren

Wissensarten (1. Sitzung)

Lösungshäufigkeit (1. Sitzung)

Lösungshäufigkeit Wissensarten (2. Sitzung)(1. Sitzung) Lösungshäufigkeit Wissensarten, (2. Sitzung) Strategien

(2. Sitzung) Lösungshäufigkeit Fehlerkategorien (2. Sitzung)(2. Sitzung)

signifikante Prädiktoren R? Prozedurales W. 0,55 Anzahl math. Kategorien

Ansatz finden 0,40 Ansatz(spontan) 0,72 Zielbildung

Vereinfachungen

Ansatz(willkürlich) 0,85

fehlende Kontrolle falsche Division

Anmerkungen: R? gibt den Anteil vorhersagbarer Kriteriumsvarianz nach dem letzten Analyse­schritt an, d.h. unter Einbezug aller signifikanten Prädiktoren.

ne Schülerin rechnete schriftlich(!): 4.176,25 DM: 100=...). Entsprechend läßt sich unter Heranziehung der Fehler­kategorien zeigen, daß geringere Lö­sungsleistungen vor allem mit folgenden Aspekten verknüpft sind:

Es erfolgt eine mehr oder weniger willkürliche Entscheidung für einen(feh­lerhaften) Ansatz, teilweise gepaart mit einemblinden Kombinieren der im Aufgabentext enthaltenen Zahlenwerte (z.B. Vertauschen von Zähler und Nen­ner).

Wenn einer der Ansätze bis zum Ende durchgerechnt worden ist und zu einer offensichtlichen Falschlösung geführt hat, unterbleibt eine Kontrolle(im Rah­men des Situationsmodells); der Schüler gibt sich u.U. nach einerSchönheits­korrektur mit dem Ergebnis zufrie­den.

Die fehlerhafte Durchführung der schriftlichen Division erweist sich als wichtigster prozeduraler Mangel in dem hier untersuchten Umfeld.

Eine weitere Möglichkeit der Abschät­zung der relativen Bedeutsamkeit der untersuchten Wissensarten besteht dar­in, bedingte Wahrscheinlichkeiten zu be­rechnen. Konkret läuft dies hier auf den Vergleich von zwei Wahrscheinlichkeits­werten(auf dem Hintergrund der Ge­samtlösungswahrscheinlichkeit) hinaus: der Wahrscheinlichkeit, für eine vorgege­bene Textaufgabe einen Ansatz angeben zu können und der Wahrscheinlichkeit, bei vorgegebenem(oder richtig gewähl­tem) Ansatz die entsprechende Prozedur

ausführen zu können. Für beide Wahr­scheinlichkeiten lassen sich mehrere un­abhängige Schätzungen angeben, je nach­dem, auf welche der oben beschriebenen Variablen zurückgegriffen wird. Es er­gibt sich dann folgendes Bild: Wenn ein Schüler aus der hier untersuchten Alters­gruppe mit einer Textaufgabe aus dem Bereich der Prozentrechnung konfron­tiert wird, dann liegt die Wahrscheinlich­keit,(spontan) den richtigen Lösungsan­satz zu definieren, zwischen 0,35 und 0,50. In diesem Bereich liegt im übrigen auch die Gesamtwahrscheinlichkeit ei­ner richtigen Lösung bei Vorgabe einer Textaufgabe. Ist ein richtiger Ansatz al­lerdings erst einmal gefunden(bzw. wird ein solcher vorgegeben), dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, zu einer richti­gen Lösung zu gelangen(durch fehler­freie Ausführung der entsprechenden Prozeduren), zwischen 0,65 und 0,80. Im Rahmen der eingangs geschilderten Auffassung deutet dieses Ergebnis dar­auf hin, daß die Subsumption einer Auf­gabe unter ein Problemschema und der damit verknüpfteAufruf einer Proze­dur den entscheidenden Schritt im Pro­blemlöseprozeß darstellen.

Wenn diese Aussage so zutrifft, dann liegt es nahe zu fragen, ob die Bereitstel­lung von schemabezogenem Wissen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Aufgabenbearbeitung erhöhen kann. Mit dieser Frage ist der instruktionale Aspekt des Problemlösens angesprochen.

Wie oben erwähnt, wurde im Rahmen der 2. Sitzung den Schülern anhand von

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988