3 typischen Beispielen die Verknüpfung von Situationsmodell, mathematischem Schema und„angehängten‘‘ Prozeduren verdeutlicht. Welchen Einfluß hat diese — zugegebenermaßen—„Mini-Instruktion‘‘ auf die Lösungsleistungen der Schüler? Um es kurz zu machen: Über die Gesamtgruppe gesehen unterschieden sich die Leistungen nach dieser Wissensbereitstellung nicht von den Leistungen vorher, obwohl— und dies gilt es zu betonen— die Schüler auch bei der Lösung der letzten 3 Aufgaben das Instruktionsblatt benutzen durften— falls sie dies wünschten.
Auf der Suche nach Gründen für dieses Ergebnis wurden die Lösungsprotokolle der Schüler einer erneuten, diesmal spezifischeren Analyse unterzogen. Gefragt wurde, welchen Typ von Lösungsansatz ein Schüler bei der Aufgabenbearbeitung heranzieht. Drei grundlegende Vorgehensweisen ließen sich identifizieren:
— Wie bereits erwähnt, gibt es Schüler, die ohne erkennbaren Rückgriff auf ein Problemschema willkürlich bestimmte Kombinationen von Zahlenwerten vornehmen und die entsprechenden Rechenoperationen ausführen.
— Es gibt weiterhin Schüler, die— weil ihnen das Problemschema„Prozentrechnung“ als Wissen nicht oder nicht mehr zur Verfügung stand— auf ein einfacheres(grundlegenderes!?) Schema zurückgreifen: sie versuchen, die relevanten Beziehungen der im Aufgabentext angegebenen Werte mit Hilfe des Schemas „Dreisatz‘ zu ermitteln.
Dies geschieht nach folgendem Muster: 100% sind 750 m?, 18% sind x m?. 1% sind 7,50 m*, 18% sind 18* 7,50 m?.
— Schließlich gibt es Schüler, die unter Heranziehung ihres— nicht notwendigerweise vollständigen oder zutreffenden— Wissens über das Schema„Prozentrechnung‘“ einen Lösungsansatz definieren.
Literaturverzeichnis
Arbinger, R.(1985). Lernen, Lösen und Behalten von mathematischen Textaufgaben. Eine Untersuchung an Schülern des 5. Schuljahres. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(Bericht Nr. 12).
Roland Arbinger
Wenn man im Rahmen dieser drei Vorgehensweisen der Frage nachgeht, ob und in welchem Ausmaß die Kurzinstruktion(die ja die drei Schemata der Prozentrechnung beinhaltete)„angenommen‘‘ wurde, dann zeigt sich folgendes Bild:
Bis auf eine Ausnahme blieben die 5 Schüler der ersten Gruppe ihrem mehr oder weniger willkürlichen Vorgehen „treu‘‘. Die Mehrheit der zweiten Gruppe(S von 7) nahm die Instruktion in dem Sinne an, daß sie auf das Schema „Prozentrechnung‘‘ umschwenkten. Es gibt allerdings— wenn auch nur anekdotisch— Hinweise darauf, daß dieses Umschwenken mit Problemen verbunden war bzw. den Lösungsprozeß sogar beeinträchtigte(Ein Schüler:„Ich mach’s lieber wieder mit Dreisatz!‘“). Die dritte Gruppe schließlich behielt verständlicherweise ohne Ausnahme ihr Vorgehen bei.
Unter diesen Umständen einer unterbliebenen, partiellen oder nur„widerwilligen‘‘ Annahme der Instruktion ist das oben berichtete Ergebnis nicht weiter verwunderlich.
Diskussion
Aufgrund der hier berichteten Ergebnisse scheint es zuzutreffen, daß bei der Lösung mathematischer Textaufgaben aus dem Bereich der Prozentrechnung vor allem schemabezogenes Wissen, d.h. die Subsumption einer vorgegebenen Aufgabe unter das passende Problemschema relevant ist. Das Bild, das sich ergibt, kann plakativ folgendermaßen gezeichnet werden: Wenn ein Schüler über ein geeignetes Problemschema verfügt und wenn es ihm gelingt, eine Aufgabe darunter zu subsumieren, so ist das vorgegebene„Problem‘‘ eigentlich kein
Textverständnis und Lösen mathematischer Sachaufgaben
Problem mehr. Es müssen lediglich noch die entsprechenden Prozeduren(diese allerdings fehlerfrei) durchgeführt werden.
Ist dieses schemabezogene Wissen nicht vorhanden, so bleibt dem Schüler im günstigen Fall die Möglichkeit, ein einfacheres, mit dem relevanten Schema in Beziehung stehendes Schema(hier„Dreisatz‘‘) anzuwenden. Im ungünstigen Fall ist der Schüler auf mehr oder weniger blindes Probieren angewiesen, wobei u.U, aufgrund eines erzielten Ergebnisses Bewertungen vorgenommen werden (z.B.„Das könnte stimmen‘‘).
Die Vermittlung schemabezogenen Wissens allein scheint nicht auszureichen, um Leistungsverbesserungen zu erzielen. Vielmehr erscheint es notwendig, die Subsumption einer vorgegebenen Textaufgabe unter ein Problemschema explizit zum Gegenstand von Instruktion zu machen. Das in der Untersuchung zutage getretene Nebenergebnis, daß Textaufgaben überwiegend anhand von Situationsmerkmalen und nicht nach mathematischen Kriterien kategorisiert werden, spricht dafür, diese Instruktion mit einem systematisch zusammengestellten Satz von Aufgaben durchzuführen; wobei ‚„systematisch‘‘ bedeutet, daß ein Problemschema in ein weites Spektrum von Situationszusammenhängen eingebettet und anhand von„Negativbeispielen‘‘ gezeigt wird, bei welchen Aufgaben ein Problemschema nicht zutrifft.
Diese auf die Vermittlung von„Problemkategorien‘ abzielende Maßnahme sollte aber nicht allein stehen. Aufgrund der berichteten Ergebnisse erscheint es durchaus angebracht, auch die eher wissensunabhängigen Lösungsstrategien (z.B. Zielbildung, Kontrolle erzielter Resultate) explizit im Unterricht zu thematisieren und einzuüben.
Arbinger, R.(1986). Kategorisierung und Lösung arithmetischer Textaufgaben durch Schüler des 5, Schuljahres. In: M. Amelang(Hrsg.)
Bericht über den 35. Kongreß der DGfPs in Heidelberg 1986, Bd. 1. Göttingen: Hogrefe, S. 423. Attisha, M.G.& Yazdani, M.(1983). A micro-computer bases tutor
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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988
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