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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wolfgang Schneider& Marcus Hasselhorn ­

für Problemlösevorgänge im Mathema­tikunterricht von großer Bedeutung sein können.

Es gibt inzwischen eine umfangreiche Literatur darüber, daß sowohl Wissen um Kognition wie auch regulatorisch­exekutive Aspekte von Kognition relativ deutlich mit unterschiedlichen kogniti­ven Leistungskriterien korrelieren(vgl. Hasselhorn 1986; Schneider 1985). Die leistungsdienliche Funktion von Meta­kognitionen zeigt sich auch an den gün­stigen Effekten von Lernförderprogram­men, in denen entweder spezifische Strategien oder aber allgemeine Überwa­chungsfunktionen trainiert wurden(vgl. zum Überblick Hasselhorn 1987). Das Einüben von strategischem Verhalten gehört auch zu den zentralen Anliegen eines neueren Ansatzes, der die beschrie­benen metakognitiven Komponenten in­tegriert, aber auch weitere instruktions­relevante Faktoren mit berücksichtigt. Dieses Modell des kompetenten Strate­gie-Anwenders(Good Strategy User­Modell von Pressley, Borkowski& Schneider 1987) beschreibt die Voraus­setzungen, die ein Schüler mitbringen muß, um ein guter Problemlöser zu wer­den. Wir werden im folgenden die Grundzüge dieses Modells beschreiben und skizzieren, wie es sich für den ele­mentaren Mathematikunterricht nutzbar machen läßt.

Metakognition und Mathematikunterricht: DasGood Strategy User-Modell

Das Modell charakterisiert gute Strategie­

Anwender durch folgende Merkmale:

a) Sie verfügen über zahlreiche spezifi­sche wie auch generelle Problemlöse­strategien und setzen diese auch fle­xibel ein.

b) Zusätzlich zum strategischen Wissen besitzen sie auch ein breitesWeltwis­sen:

c) Strategische, metakognitive und Vor­wissenskomponenten wirken in der aktuellen Problemlösesituation eng zusammen: Spezifische Vorkenntnis­se können die(bewußte) Strategie­

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Anwendung perfektionieren oder aber auch automatische Prozesse in Gang setzen, die den kognitiv aufwen­digen Rückgriff auf bewußte Strate­gien erübrigen.

d) Schließlich gilt als wichtige Vorausset­zung für den Erfolg des guten Strate­gie-Anwenders, daß er die persönli­che Anstrengung bei der Ausführung und Steuerung von Strategien ursäch­lich mit dem Handlungsergebnis ge­koppelt sieht(Anstrengungsattribu­tion), und er weiterhin darum weiß, daß in der Regel strategische Opera­tionen dann am sichersten zum Ziel führen, wenn man sich gegenüber kon­kurrierenden Verhaltensweisen oder ungünstigen Emotionen abschirmen kann(Handlungskontrolle im Sinne von Kuhl 1985).

Wie läßt sich nun dieses Modell auf den

Mathematikunterricht übertragen? In

Anlehnung an Pressley(1986) schlagen

wir dazu folgende vier Instruktionsprin­

zipien vor:

1. Lehrer sollten Strategien explizit leh­

ren. Es ist inzwischen hinreichend be­

kannt, daß Kinder bei entsprechender

Instruktion viele strategische Prozesse

bereits früher einsetzen als sie sie spon­

tan produzieren. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind sogenannte Überwachungs­strategien(self-testing), die etwa von

Schulanfängern und retardierten Kin­

dern nicht spontan verwendet werden,

aber relativ gut durch beständige Instruk­tion etabliert werden können. Eine ef­fektive Methode besteht darin, mit Kin­dern gute und weniger günstige Strate­gien zu erproben und im Anschluß dar­an eine Bewertung durch das Kind vor­nehmen zu lassen. Beispielsweise wird das Additionsproblem5+7=? für jüngere und Ilernschwächere Schüler leichter zu lösen sein, wenn das Problem in5+7=(5+ 5)+ 2=? umformuliert wird, da5+5= 10 eine bereits früh erworbene Größe darstellt. Da sogenann­testest monitoring*(ein Ergebnisver­gleich) im Anschluß an die Aufgabe selbst von älteren Schülern nur selten durchgeführt wird, ist es angezeigt, sol­che Prüf- und Bewertungsprozesse früh­zeitig und regelmäßig im Unterricht zu stimulieren. Ergebnisse zum Strategie­

Metakognitionen bei der Lösung mathematischer Probleme

vergleich bei einem Gedächtnisproblem (Schneider 1986) haben jedenfalls ge­zeigt, daß junge Kinder an günstigeren Problemlösestrategien festhielten, nach­dem sie einmal ihren Nutzen direkt er­fahren hatten.

Ausgesprochen positive Resultate berich­ten auch Charles& Lester(1984) von ei­ner Trainingsstudie zum systematischen Problemlösen, in der Fünft- und Siebt­kläßlern neben spezifischen Strategien zur Problemlösung auch Überwachungs­techniken vermittelt wurden, die jeweils am Ende einer Übung plaziert waren und über die geprüft wurde, ob alle rele­vanten Informationen verwendet wor­den waren, ob die Berechnungen richtig durchgeführt waren und ob das Ergebnis Sinn machte. Das Training wurde von den Klassenlehrern über einen Zeitraum von 23 Wochen durchgeführt. Nach die­ser Periode waren die trainierten Schüler wesentlich besser als Vergleichsschüler aus regulären Klassen dazu imstande, mathematische Probleme zu verstehen und Lösungssequenzen zu entwickeln. Es verwundert daher nicht, daß auch ih­re Aufgabenlösungen wesentlich häufi­ger richtig waren.

2. Lehrer sollten spezifisches Strategie­wissen vermitteln. Hier geht es im we­sentlichen darum, bei Kindern ein expli­zites Wissen dazu aufzubauen, wann und wie welche spezifischen Problemlö­sestrategien einzusetzen sind. Dies führt zu der Frage, wie sich spezifisches Stra­tegiewissen verbessern läßt. Pressley (1986) gibt hierzu verschiedene Empfeh­lungen. Die schon oben beschriebene Einführung von Überwachungs- und Be­wertungsstrategien am Beispiel von Stra­tegievergleichen stellt eine von vielen Möglichkeiten dar, spezifisches Strate­giewissen zu verankern. Günstig scheint weiterhin, eine bestimmte Strategie bei unterschiedlichen Problemvarianten ein­setzen zu lassen, was bei älteren Schü­lern oft schon allein ausreicht, um sich ein Bild von den relativen Vorzügen und Nachteilen der Strategie zu machen(vgl. Aebli& Ruthemann 1987). Solche spon­tanen und expliziten Abstraktionspro­zesse sind bei jüngeren und retardierten Kindern in der Regel nicht zu erwarten. Hier kommt es darauf an, deutlich zu

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988