Wolfgang Schneider& Marcus Hasselhorn
machen, wann eine bestimmte Strategie funktioniert und wann nicht. Die Schüler sollten also eindeutig zwischen geeigneten und ungeeigneten Aufgabenstellungen für eine spezifische Strategie diskriminieren können. Explizites Strategiewissen läßt sich relativ dauerhaft auch dadurch erwerben, daß neu eingeführte Algorithmen systematisch mit einfacheren Prozeduren in Beziehung gesetzt werden, die den Kindern bereits vertraut sind.
3. Lehrer sollten allgemeines Strategiewissen vermitteln. Hierbei beziehen wir uns auf einen Aspekt, der im herkömmlichen Mathematikunterricht normalerweise kein Thema zu sein scheint. Es geht zum einen darum, eine grundsätzlich erfolgversprechende Arbeitshaltung dadurch zu erreichen, daß die Kinder darüber aufgeklärt werden, wie wichtig ihre Anstrengung für den ProblemlöseErfolg sein kann. Nach Pressley(1986) ist davon auszugehen, daß Schüler, die über solches Wissen verfügen, mehr dazu neigen, den Aufgabenkontext intensiv nach Hinweisen dafür abzusuchen, wie verfügbare Strategien zur Problemlösesituation passen, und diese Suche nach einem ersten Fehlversuch um so motivierter fortsetzen. Den Kindern sollte gezeigt werden, daß Fehlschläge bei Mathematikaufgaben oft das Resultat falscher Taktiken darstellen und nicht unbedingt Indiz für mangelnde mathematische Begabung sind. Eine solche Maßnahme kann auch dazu beitragen, die bei vielen Schülern anzutreffende Angst von Mathematikaufgaben abzubauen. Da eine solche Angstreduzierung nicht automatisch zu verbesserten Mathematikleistungen führt, ist gleich
Literaturverzeichnis
zeitig darauf zu achten, daß intensiv Problemlöse-Algorithmen geübt werden. 4. Lehrer sollten sich um einen systematischen Aufbau mathematischer Grundkenntnisse bemühen. Neben dem Einbezug von unterschiedlich komplexen Strategien sollten grundlegende mathematische Routinen(Subtraktion, Addition, Multiplikation, Division) nicht vernachlässigt werden. Während Schulanfänger und lernbehinderte Kinder bei elementaren Additionsaufgaben Zwischenrechnungen(z.B. Zuhilfenahme der Finger) anstellen müssen, sind ältere Schüler dazu imstande, die geforderten Ergebnisse direkt aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. Das Faktenwissen dieser Kinder reduziert bei komplexen Problemstellungen den kognitiven Aufwand mitunter sehr entscheidend und beschleunigt somit die Lösungsfindung. Während dies sicherlich keine neue Erkenntnis ist, hat das Üben von basalen arithmetischen Fertigkeiten in vielen Fällen auch den Vorzug, daß weniger Aufmerksamkeit auf die Durchführung spezifischer Strategien verwendet werden muß, sie in bestimmten Situationen sogar völlig umgangen werden können.
Schlußbemerkung
Wir haben zu zeigen versucht, in welcher Weise unser gegenwärtiger Kenntnisstand über metakognitive Aktivitäten und Kompetenzen zu einer Gestaltung des Mathematikunterrichts genutzt werden kann, bei der direkt das mathematische Problemverständnis bzw. mathematische Denkfähigkeiten der Schüler gefördert
Metakognitionen bei der Lösung mathematischer Probleme
werden. Die hier entwickelten Gestaltungsperspektiven für den Mathematikunterricht sollten besonders auch im heilpädagogischen Bereich bedacht werden, denn die in den vorgeschlagenen Instruktionsprinzipien fokussierten metakognitiven Aktivitäten haben sich als eine Hauptquelle der Defizite lernbehinderter Kinder gegenüber Normalschülern beim Lösen mathematischer Aufgaben erwiesen(vgl. Geary, Widaman, Little& Gormier 1987). Bei unseren Vorschlägen sind wir davon ausgegangen, daß im herkömmlichen elementaren Mathematikunterricht relativ wenig Nachdruck auf die Vermittlung von spezifischen wie allgemeinen strategischen Kompetenzen gelegt wird. Erfahrungen aus empirischen Untersuchungen zu anderen Problemlösebereichen haben gezeigt, daß solche metakognitiven Kompetenzen eine wichtige Voraussetzung dafür darstellen, daß_Lernübertragungen (Transfer) auf benachbarte Aufgabenbereiche stattfinden bzw. einmal verfügbare Lösungsalgorithmen langfristig angewendet werden. Entsprechende Untersuchungen zu mathematischen Problemlösebereichen sind derzeit noch relativ spärlich vorhanden; die verfügbaren Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, daß sich metakognitive Aktivitäten auch in diesem Bereich gewinnbringend einsetzen lassen. Diese Einschätzung scheinen im übrigen auch einige international führende Mathematik-Pädagogen zu teilen, wie aus den Ausführungen und Forderungen von Brophy(1986) zur zukünftigen Schwerpunktgestaltung in der mathematik-pädagogischen Forschung ersichtlich wird.
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