Friedrich Masendorf- Erfolgskontrolle eines computergestützten Unterrichts
Bei der kriterialen oder sachlichen Bezugsnormorientierung wird die aktuelle Leistung eines Schülers auf eine vorher festgelegte Anforderung hinsichtlich des Lehrziels bezogen. Hierbei wird eine Grenze festgelegt. Beispielsweise müssen 50, 70 oder 80% des Lehrziels erreicht werden. Nach Klauer(1987 a, 199) sei es vor allem in angloamerikanischen Arbeiten üblich, 60% als untere Zielmarke zu wählen, wenn es um die Entscheidung geht, ob das Ziel soeben noch erreicht sei oder nicht: Bei 60% hätte man das Lehrziel mit der Note 4,4 soeben noch geschafft. Da hier keine Quotierung stattfindet, ist es denkbar, daß eine Klassenarbeit für alle Schüler mit„mangelhaft‘“ oder„gut‘“ bewertet werden kann.
Bei der intraindividuellen Bezugsnormorientierung hat der Lehrer die Möglichkeit, die erbrachte Leistung eines Schülers auf frühere Leistungen desselben Schülers zu beziehen und aus der individuellen Lerngeschichte des Schülers heraus zu bewerten: Die aktuelle Leistung des Schülers wird nicht mit den Leistungen anderer Mitschüler(wie sonst üblich) verglichen, sondern mit einer früheren Leistungsprobe im individuellen Längsschnitt. Wie die Motivationsforscher in den letzten Jahren nachweisen konnten, wirkt sich eine individuelle Bezugsnormorientierung der Leistungsbeurteilung günstiger auf die Förderung der Lernmotivation Lernbeeinträchtigter aus. Insbesondere für die sonderpädagogische Beurteilungspraxis eignet sich die Notenvergabe unter individueller Bezugsnorm. Wir sprechen hier von der ipsativen Bewertung oder Leistungsmessung. Sie ist für Sonderschüler sehr wünschenswert, da sie gerade ihre Leistungsbereitschaft am stärksten aktiviert.
Die drei skizzierten Bezugsnormen nun sind konstitutiv für drei unterschiedliche Benotungsmodelle. Für die soziale Bezugsnorm läßt sich die Benotung bei Lienert(1969) nachlesen. Benotungsmodelle und-verfahren nach der kriterialen und individuellen Bezugsnorm verdanken wir Karl Josef Klauer, dem Nestor der kriteriumsorientierten Tests.
120
Fragestellungen
Die Arbeiten zielen auf zwei Hauptaspekte sonderpädagogischer Förderung ab. Zunächst soll der globale Lernerfolg eines computergestützten Lehrprogramms als individualisierende Unterrichtsmaßnahme überprüft und ausgewiesen werden. Hierbei handelt es sich um ein Übungsprogramm zum„Schriftlichen Multiplizieren‘‘ von Roeder. Darüber hinaus ist von Interesse, ob und inwieweit Leistungsbeurteilungen und Notenaussagen nach den drei 0.a. Bezugsnormen hilfreich sein können.
— Führt das Lehrprogramm„Schriftliches Multiplizieren‘‘ sowohl bei rechenschwachen Grundschülern als auch bei lernbehinderten Sonderschülern zu zielerreichendem Lernen?
— Welche einander ergänzenden Aussagen bezüglich des Lernerfolges lassen sich durch unterschiedliche Zensierungsmodelle(nach der sozialen, curricularen und individuellen Bezugsnorm) treffen?
Methode
Zur Erprobung des Lehrprogramms wurden gemäß Fragestellung zwei Schülerstichproben ausgewählt:
— 28 Schüler und Schülerinnen einer Sonderschule für Lernbehinderte wurden nach einem Rechenvortest in zwei leistungsgleiche Gruppen(Versuchsund Kontrollgruppe) aufgeteilt(Altersstreuung 11 bis 15 Jahre). Der Rechenvortest bestand aus 16 schriftlichen Multiplikationsaufgaben, basiesierend auf vier Schwierigkeitsstufen. Im späteren Nachtest wurden 20 parallele Aufgaben(d.h. Aufgaben gleicher Schwierigkeit) verwandt, um einem etwaigen Deckungseffekt entgegenzuwirken. Beim Vor- und Nachtest handelte es sich um Papier-Bleistift-Aufgaben.
— 31 Schüler und Schülerinnen eines dritten Jahrgangs einer Grundschule in der Kölner Innenstadt wurden ebenfalls einem Rechenvortest unterzogen. Die Aufgaben dieses Rechenvortests
waren mit denen der Sonderschülerstichprobe vergleichbar. Allerdings bestand der Vortest nur aus 10 und der Nachtest aus 15 Multiplikationsaufgaben. Da es aus der Sicht der Schule wünschenswert erschien, nur mit den schwachen Schülern des dritten Jahrgangs zu üben, konnte keine Kontrollgruppe gebildet werden. Aus diesem Grunde wurden die nach dem Vortest 15 schwächsten Schüler in das Training einbezogen. Der spätere Nachtest wurde wieder mit allen 31 Schülern durchgeführt. Sowohl die untere Hälfte der Grundschülerstichprobe als auch die 14 Schüler der Versuchsgruppe der 28 Sonderschüler erhielten das Computertraining(Multiplikationstrainer) während eines Zeitraumes von einem Monat. Die Einzelförderung jedes Schülers bestand aus 30 bis 35 Trainingssitzungen, jede Einzelsitzung dauerte 10 bis 15 Minuten. Mit dem Computerprogramm „Multiplikationstrainer“, das von Roeder für den Apple IIe geschrieben wurde, können die Schüler sowohl den Multiplikationsalgorithmus als auch 1 x 1-Reihen üben. Es ist ein Trainings- und kein Erstlernprogramm. Alle Möglichkeiten und Arbeitsweisen des Programms können an dieser Stelle mitgeteilt werden. Weitere Informationen sind beim Autor erhältlich. Neben einer umfangreichen Lernstatistik enthält es folgende wesentliche Merkmale:
— In seinen Erklärungen nimmt es auf Leseschwierigkeiten Rücksicht;
— die Aufgaben werden nacheinander dargeboten;
— es werden methodische Hilfen in optischer Form für den Multiplikationsalgorithmus angeboten;
— der Schüler kann die Geschwindigkeit des Programmablaufs selbst bestimmen;
— der Schüler bekommt sofortige Rückmeldung bezüglich seiner Lösung;
— es werden nur richtige Lösungen auf dem Monitor zugelassen;
— der Schüler erhält rechnerische Hilfen bei viermaligem Falschantworten in Folge;
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988