Das Wiener Modell(Guttmann-Vanecek-Modell)
im Mathematikunterricht
Von Erich Vanecek und Ernst Bauer
Ausgehend von den wesentlichsten Problemen im Mathematikunterricht aus Sicht des Lehrers und Schülers werden die biologischen Grundlagen des Wiener Modells dargelegt. Anschließend wird gezeigt, wie lernpsychologische Fakten im unterrichtlichen Handeln berücksichtigt werden könnten. Die Grundlage des Wiener Modells bilden lernpsychologische Forschungen und EEG-Untersuchungen, die zeigen, daß für den Lernerfolg nicht nur entscheidend ist, was einem Lernprozeß folgt, sondern ebenso, was ihm vorangeht. Die Hauptdeterminanten dieses neuen Lehr- und Lernmodells sind: Synchronisierung der Aufmerksamkeit für die gesamte Klasse durch Aktivitätsregulierung nach Jacobson, Unterstützung der Entspannung durch Musik, Übung visueller Vorstellungen(Imagery) während der Entspannung, Einsatz isometrischer Übungen zur Aktivierung, Heranziehen von Schülertutoren und die Vermittlung operationalisierter Lehrziele an die Schüler. Das Wiener Modell liegt in zwei Varianten vor: für den deduktiven Unterricht(Lehrervortrag, Informationsvermittlung) und für induktive Unterrichtsformen (entdeckendes Lernen, selbstgesteuertes Lernen).
The basic aim of the proposed Viennese Model consists in avoiding difficulties in teaching and learning in the subject mathematics. The article describes the biological foundations of the model and shows how to realize psychological facts in the field of learning in the classroom situation. Experiments in learning and observations of EEG-parameters have shown that successful learning not only depends on activities after learning but perhaps even more on the preceding level of activation. Therefore the main-postulates of the model are to synchronize the attention of a complete class by a technique of tension and relaxation after Jacobson, to support relaxation by calm music, to apply imagery during the period of relaxation, to use isometric contractions to achieve a medium level of arousal, to use peer-tutors and to impart knowledge of learning objectives to the pupils. The model was elaborated for both instruction by the teacher and learning by discovery by the pupils. Finally some results of evaluation of the model are reported.
Einleitung
Häufig wird der Mathematikunterricht geradezu als Prototyp des„schwierigen Gegenstandes‘ genannt, namentlich in der Diskussion um Schulversagen, Schulangst und Überforderung der Schüler. Tatsächlich zeigt schon ein erster Versuch einer Zusammenschau allgemeiner und spezieller Probleme im Mathematikunterricht eine Fülle von Störfaktoren, die zur Belastung für Lehrer, Eltern und Schüler werden können. Die Lehrer klagen häufig über Zeitmangel, über lückenhaftes Basiswissen der Schüler oder über deren Konzentrationsschwäche. Ferner
124
ergeben sich oft Probleme durch extreme Leistungsunterschiede in leistungsheterogenen Klassen. Von seiten der Schüler ergeben sich Schwierigkeiten durch kognitive Überforderung, schwer verständliche Lehrbücher, große Stoffmenge und zuwenig Übungsmöglichkeit unter Kontrolle und Anleitung. Zweifellos kann kein Allheilmittel gegen alle Schwierigkeiten gefunden werden, manches jedoch vermag eine geschickte, lernpsychologisch orientierte„Unterrichtsdramaturgie‘“ im Auffassen, Speichern
und Anwenden auch schwieriger Stoff
gebiete zu verbessern.
Die biologischen Grundlagen des Wiener Modells
Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Lernund Denkleistungen unterliegen ebenso wie physiologische Größen(Pulsfrequenz, Atemrhythmus, Blutdruck, Gehirnaktivität) steten Schwankungen. Als einer der ersten wies Urbantschitsch im Jahre 1875 auf eine besondere Form von Aufmerksamkeitsschwankungen hin, als er das subjektive Verschwinden und Wiedererscheinen des Tickens einer Taschenuhr beobachtete, obwohl sie in unveränderter Entfernung zum Ohr gehalten wurde. Er fand in diesen kurzfristi
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988