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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Christian Klicperaet al.+ Voraussetzungen für das Lesenlernen bei lernbehinderten Kindern

fangs schwache Leser, N= 26; 32%). Bei den übrigen Kindern erfolgte das Lesenlernen sehr mühsam und war durch anhaltende Schwierigkeiten während des ganzen ersten Schuljahres gekennzeich­net(durchgehend schwache Leser, N= 7; 8%).

1. Vorkenntnisse über die Schrift­sprache:

a) Groß- und Kleinbuchstaben schrei­ben: Auf einem vorbereiteten Blatt soll­ten möglichst viele Buchstaben(ohne Hinweis auf die Schriftart) geschrieben werden.

b) Groß- und Kleinbuchstaben erken­nen: Auf einer Wortkarte sollten die er­sten 8 Buchstaben, die in der Fibel ein­geführt werden, benannt werden(ge­trennt nach Groß- und Kleinbuchstaben) c) Namen schreiben und erkennen: Die Kinder sollten auf ein vorbereitetes Blatt ihren Namen schreiben und ihn in ei­nem Set von 7 Wortkarten erkennen. Die Karten waren in der Ausgangsschrift der Lesefibel geschrieben.

d) Wortkarten lesen: Nun sollten die Kinder versuchen, die verbleibenden 6 Wortkarten zu lesen. Es handelte sich um 6, den Kindern gut vertraute Sub­stantiva(2 einsilbige, 2 zweisilbige, 1 dreisilbiges und 1 viersilbiges Wort), die aus den ersten 10 in der Fibel erarbeite­ten Buchstaben zusammengesetzt waren. Bei den Aufgaben a. und b. wurde die Gesamtzahl der richtig geschriebenen und benannten Buchstaben festgehalten. Bei der letzten Aufgabe(d.) wurde die Anzahl der richtig gelesenen Karten no­tiert.

2. Lernvoraussetzungen allgemeiner Natur:

a) Aktiver Wortschatz(Boston Naming Test, Kaplan et al. 1978): Der Test be­steht aus 85 Strichzeichnungen von Ge­genständen oder Gegenstandsteilen, die zunehmend schwerer zu benennen sind. In der Untersuchung wurden die ersten 62 Bilder vorgegeben. Festgehalten wur­de die Anzahl der richtig benannten Bil­der.

b) Rasches Benennen von Bildreihen (Broverman et al. 1966): Bei dieser Auf­gabe sind auf einer Tafel in zufälliger

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Folge die Bilder von drei Gegenständen (Fliege, Tasse, Baum) angeordnet(je­weils 10 Bilder in einer Reihe), die von den Kindern möglichst rasch benannt werden sollen. Bestimmt wurde die Gesamtzeit für das Benennen von 4 Rei­hen.

3. Metalinguistisches und phonema­tisches Bewußtsein: Im Laufe der 1. Klasse wurde bei den Kindern drei Mal in einer Einzelsitzung von 20-30 min der Ausprägungsgrad des metalingui­stischen und phonematischen Bewußt­seins geprüft. Diese Testung fand erst­mals kurz nach Schulbeginn statt, eine weitere Testung nach ca. 9 Schulbe­suchswochen. Diese ersten beiden Tests waren inhaltlich gleich aufgebaut. Die dritte Testung fand in der 20. Schul­woche statt und wurde in einer etwas abgewandelten, verkürzten Form vorge­geben.

Vor jeder neuen Aufgabenstellung wur­

den mit dem Kind ein bis zwei Übungs­

beispiele bearbeitet, bei denen Erklärun­gen und Hilfestellungen von Seiten des

Untersuchungsleiters möglich waren.

Später wurden keine Hilfestellungen

mehr gewährt. Folgende Aufgabenberei­

che wurden geprüft:

1) Analyseaufgaben: Analyse von 5 drei­silbigen Wörtern in Silben und von 10 einsilbigen Wörtern in Phoneme

2) Syntheseaufgaben: Synthese von Sil­ben zu 5 dreisilbigen Wörtern und von Phonemen zu 12(ASO 10) ein­silbigen Wörtern

3) Positionsbestimmung von Phonemen: Bestimmen der Position eines vorge­gebenen Phonems in 12 Wörtern, be­stehend aus drei Phonemen. Geprüft wurde das Heraushören von drei Kon­

sonanten(S, T, L) und eines Vokales (A) jeweils in drei Positonen(An­fang, Mitte, Ende der Wörter).

Ergebnisse

Vorkenntnisse über die Schriftspra­che: In der Grundschule konnten alle Kinder zu Schulbeginn einige Buchsta­ben schreiben(Tab. 1). Kinder, die spä­ter Schwierigkeiten zeigten, konnten in der Tendenz weniger Buchstaben schrei­ben, vor allem deutlich weniger Buch­staben richtig benennen als die Kinder, die das Lesen später ohne Mühe lernten. Kinder in der Sonderschule kannten deutlich weniger Buchstaben, fast die Hälfte dieser Kinder konnte noch kei­nen Buchstaben schreiben oder benen­nen.

Der eigene Name wurde in der Grund­schule zu Schulbeginn von fast allen Kindern erkannt. 84% konnten ihren Namen auch richtig schreiben, nur un­ter den durchgehend schwachen Lesern hatte ein Drittel dabei Schwierigkeiten. In der Sonderschule wurde hingegen der eigene Name nur von 4 der 9 Schüler erkannt und von 3 Schülern richtig ge­schrieben.

Andere Wörter außer dem eigenen Na­men konnten allerdings auch in der Grundschule nur 20% der Kinder zu Schulbeginn identifizieren, in der Son­derschule traf dies für kein Kind zu. Selbst von den später guten Lesern konn­te in der Grundschule nur ein Drittel wenigstens ein Wort richtig vorlesen. 18% der guten Leser(= 11% der Gesamt­gruppe) konnten allerdings 6 Wörter richtig lesen. Von den anfangs schwa­chen Kindern konnten 2 wenigstens ein

Tab. 1: Vorkenntnisse über die Schriftsprache(Anzahl der richtig niedergeschriebenen bzw. er­kannten Buchstaben) und allgemeine Lernvoraussetzungen(Mittelwerte, in Klammern Stan­dardabweichung) bei Kindern in der Sonderschule und bei Kindern in der Grundschule mit einem unterschiedlichen Verlauf der Leseentwicklung in der 1. Klasse(gute Leser, anfangs schwache Leser,

durchgehend schwache Leser). ASO

3.6(4.3) 9.0 3.3(5.4) 5.8

21.5(7.4) 40.7

80.2(40.2)

Schwache

64.3(12.2)

Anf. Schwache Gute Leser

(3.9) 10.0 (3.8) 7.8

(6.3) 43.5

(43). 19 (4.0) 9.9

(8.1) 44.4

(5.7) (4.0)

(6.4)

55.1(11.4) 52.2(9.6)

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993