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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Phonemverbindung

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Christian Klicperaetal.+ Voraussetzungen für das Lesenlernen bei lernbehinderten Kindern

Phonemtrennung

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Positionsbestimmung

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Sonderschüler

Abb. 1: Entwicklung des phonematischen Bewußtseins im Verlauf der 1. Klasse(Prozentsatz richtig gelöster Aufgaben beim Verbinden von Einzellau ten zu Wörtern, beim Aufgliedern von Wörtern in Einzellaute und beim Angeben der Position von Phonemen innerhalb von Wörtern): Vergleich von lernbehinderten Kindern in der Sonderschule und von Kindern in der Grundschule mit unterschiedlichem Verlauf der Leseentwicklung.

Wort richtig vorlesen, von den durchge­hend schwachen Kindern konnte kein Kind ein Wort lesen. Ein Teil der später guten Leser hatte also bereits vor dem Schuleintritt zu lesen begonnen.

Allgemeine Lernvoraussetzungen: Kinder in der Sonderschule wiesen wie zu erwarten in ihren sprachlichen Fertigkeiten deutlich geringere Lern­voraussetzungen für das Erlernen des Lesens auf. Auch in der Grundschule unterschieden sich die Kinder, die zur Gruppe der durchgehend schwachen Le­ser gehörten, in ihren Lernvorausset­zungen deutlich von den beiden ande­ren Gruppen. Sie wiesen einen etwas geringeren aktiven Wortschatz auf und benötigten deutlich mehr Zeit für das Benennen der Bilderfolge als die übri­gen Kinder. Die Kinder, die nur an­fangs Schwierigkeiten beim Lesenlernen zeigten, unterschieden sich hingegen in den allgemeinen Lernvoraussetzungen nicht von den guten Lesern.

Phonematisches Bewußtsein: Die Pho­nemanalyse und-synthese fiel den Kin­der zu Schulanfang, wie erwartet, SO­wohl in der Grund- wie in der Son­derschule viel schwerer als das Umge­hen mit Silbeneinheiten. Kinder, die in der Grundschule Schwierigkeiten beim Lesenlernen hatten, unterschieden sich zu Schulanfang sehr deutlich von den

guten Lesern. Während gute Leser schon zum ersten Testzeitpunkt die Mehrzahl der Aufgaben richtig lösten, gelang dies den Kindern mit anfänglichen Lese­schwierigkeiten deutlich seltener und Kinder mit durchgehenden Leseschwie­rigkeiten konnten nur etwa ein Drittel der Aufgaben richtig ausführen. Die Lei­stungen der Kinder in der Sonderschule lagen bei Schuleintritt nochmals deut­lich unter dem Niveau der schwächsten Leser in der Grundschule.

Bei den Kindern in der Grundschule nah­men die Schwierigkeiten bei diesen Auf­gaben bereits nach wenigen Wochen Leseunterricht deutlich ab. Gegen Ende des Schuljahres konnten die meisten Kin­der fast alle Aufgaben richtig lösen. Ge­rade bei den schwachen Lesern kam es in den ersten Wochen zu einer markan­ten Leistungssteigerung. So eindrucks­voll der Leistungszuwachs auch ausfällt, muß doch festgehalten werden, daß die schwachen Leser auch am Ende der 1. Klasse bei allen Aufgaben, und beson­ders beim Phonemanalysieren, unsiche­rer waren als die guten Leser(Abb. 1). Der Leistungszuwachs von Kindern in der Sonderschule bei den Aufgaben, de­ren Ausführung von einer Einsicht in den Phonemaufbau der Sprache abhän­gig ist, ist zwar ebenfalls deutlich, er fällt jedoch deutlich geringer aus als bei den schwachen Lesern in der Grund­schule. Vor allem beim Phonemana­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993

lysieren kommen die lernbehinderten Kinder in der 1. Klasse über sehr rudi­mentäre Fertigkeiten nicht hinaus.

Vorhersage des Fortschritts beim Le­senlernen durch die Testergebnisse zu Beginn der 1. Klasse: Die bisher dar­gestellten Ergebnisse haben gezeigt, daß sich lernbehinderte Kinder sowie Kin­der mit Schwierigkeiten beim Le­senlernen bereits zu Schulbeginn in ih­ren Lernvoraussetzungen von den Kin­dern unterscheiden, denen das Lesen­lernen keine besondere Mühe bereitet. Da sowohl unter den lernbehinderten Kindern wie unter den Grundschülern eine beträchtliche Variabilität im Erfolg beim Lesenlernen zu beobachten war, soll im Folgenden analysiert werden, wieweit dieser Erfolg durch die Lern­voraussetzungen vorherzusagen ist.

Wegen der kleinen Gruppengröße bei den lernbehinderten Kindern wird nur auf den korrelativen Zusammenhang zwischen den Testergebnissen bei Schulbeginn und dem Erfolg bei den ersten Schritten im Lesen eingegangen (Tab. 2). Die Korrelationen bestätigen, daß sowohl zwischen den allgemeinen wie den speziellen Lernvoraussetzungen für das Lesen und den späteren Schul­leistungen ein Zusammenhang besteht. Vor allem die Ausbildung des pho­nematischen Bewußtseins ist für die er­sten Stadien des Lesenlernens bedeut­

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