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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Sprachentwicklungsdiagnostik und-förderung bei

entwicklungsrückständigen Kindern Diskussion eines kognitionspsychologischen Ansatzes

Von Gisela Friedrich

Bei der Untersuchung des Erwerbs wesentlicher zwi­schenbegrifflicher semantischer Relationen konnten wir für das Vorschulalter eine Schwierigkeitsreihenfolge fest­stellen: Am leichtesten sind die Relationen Aktor-Aktion und Aktion-Objekt, gefolgt von der Lokationsrelation; am schwierigsten sind Instrument- und Finalitätsrela­tion. Wir verdeutlichten den engen Zusammenhang zwi­schen Sprachfähigkeit und intellektueller Leistungsfä­higkeit und wiesen die hohe prognostische Validität der verbalen Verfügbarkeit semantischer Relationen im jün­geren Vorschulalter für Intelligenz und Sprachfähigkeit unmittelbar vor Schulbeginn nach.

Mit unserem diagnostischen Inventar kann man in etwa 20 Minuten die verbale Verfügbarkeit semantischer Relationen im Altersbereich von 3;0 bis 6;3 Jahren überprüfen. Der Einheit von Diagnose und Intervention tragen wir mit einem Förderprogramm zur sprachli­chen Strukturierung des ereignis- und situations­bezogenen Bedeutungswissens Rechnung.

In an anlysis of acquisition of the essential semantic relations between the concepts we find a rank order of difficulty for preschool children: The actor-action and the action-object relation was perceived as the easiest, the location relation ranked next in difficulty and the instrument and the finality relation were perceived as the most difficult relations. We explained the close context between language ability and intellectual capacity and demonstrated the high predictiv validity of availability of semantic relations for intelligence and language ability immediatly before the beginning of formal education. Using this diagnostic inventory one can test in 20minutes the verbal availability of semantic relations in the age group of 3;0 to 6;3 years.

We take the unity of diagnosis and intervention into account with a training program structuring up the action- and situation-related knowledge.

Teil 1: Diagnostik Einleitung

Der Erwerb sprachlicher Fähigkeiten in der frühen Kindheit hat bahnbrechende Bedeutung für die weitere geistige und psychosoziale Entwicklung des Kindes. Der Sprachentwicklungsstand eines Kin­des ist einerseits Ausdruck seiner gei­stigen Fähigkeiten und andererseits ist es gerade die Sprache, die dem Kind Zugang zur Herausbildung weiterer kognitiver Fähigkeiten schafft.

Die Untersuchung des Niveaus der Sprachentwicklung ermöglicht Aussa­gen über einen wesentlichen, gerade in diesem Altersbereich mit gravierenden Veränderungen verbundenen und durch

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außerordentliche inter- und intraindi­viduelle Variabilität gekennzeichneten Prozeß der kindlichen Entwicklung zu treffen, der sowohl klinisch-psycholo­gisch als auch pädagogisch-psycholo­gisch relevant ist. Genaue Kenntnis des aktuellen Entwicklungsstandes und der -potenzen der Sprachfähigkeit ermögli­chen es, einerseits behandlungsbedürf­tige Entwicklungsrückstände frühzeitig zu diagnostizieren und überwinden zu helfen andererseits aber auch Entwick­lungsvorsprünge, weit über dem Alters­durchschnitt liegende sprachliche Fä­higkeiten zu entdecken. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß dieses Vor­gehen auch einen hohen methodischen Aufwand erfordert. Den Sprachentwick­lungsstand eines Kindes genau zu ana­

lysieren, braucht mehrdimensionale Testverfahren, die Diagnoseprozedur dauert oft zwei Stunden und länger, was von kleinen Kindern meist nicht bewäl­tigt werden kann. Ein Dilemma des Praktikers, der darauf angewiesen ist, mit Kurzverfahren zielsicher wesentli­che Bereiche des jeweiligen Gegenstan­des zu erfassen.

Das Erkennen einer Sprachentwick­lungsstörung ist in hohem Maße von dem in die Entwicklung des Kindes in­tegrierten Personenkreis abhängig, wo­bei emotionale Hingabe zum Kind und die geistige Fähigkeit der Erwachsenen eine große Bedeutung haben. Sprachentwicklungsstörungen treten in ihrer Bedeutung neben anderen, vor al­lem akuten Erkrankungen im Klein­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993