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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gisela Friedrich+ Sprachentwicklungsdiagnostik und-förderung bei entwicklungsrückständigen Kindern

wenn sie aufgefordert werden, eine Ge­schichte zu einem Bild zu erzählen(vgl. Abb. 1).

Die bereits in der Erstuntersuchung ge­fundene Schwierigkeitsreihenfolge der untersuchten semantischen Relationen bleibt über den gesamten Untersu­chungszeitraum relativ konstant. Die Aktor-Aktion-Relation ist am leichte­sten, es folgen die Aktion-Objekt- und die Lokationsrelation, am schwersten sind Instrument- und Finalitätsrelation. Werden die untersuchten semantischen Relationen durch standardisierte Fragen direkt angeregt, fällt den Kindern deren Verbalisierung naturgemäß leichter. Des­halb finden wir bei dieser Überprü­fungsform, wie erwartet, höhere Werte, die nicht über den Grad der Verwen­dung(z.B. in Kommunikationssitua­tionen), sondern über den Grad der Be­herrschung bei erkannter Anforderung Auskunft geben. Die bei unspezifischer Aktivierung gefundene Schwierigkeits­reihenfolge bestätigt sich auch bei die­ser Versuchsdurchführung, besonders in der Erstuntersuchung(siehe Abb. 2). Die mit unserem Versuchsmaterial er­zielten Ergebnisse der Mehrpunktmes­sungen lassen entsprechend der von uns gewählten Definitionen auf eine Er­werbsreihenfolge der untersuchten zwischenbegrifflichen semantischen Relationen schließen:

Die beiden ersten Relationen(A-A und

A-O) werden bereits im Alter von 3;64;2 Jahren nahezu vollständig be­herrscht, die Lokationsrelation kommt im folgenden Jahr dazu. Im Alter von 5;66;2 Jahren beherrschen unsere Kin­der auch die Finalitätsrelation nahezu vollständig. Nur die Instrumentsrelation scheint in unserem Versuch eindeutig schwieriger zu sein, sie wird am Ende der Untersuchung erst zu durchschnitt­lich 88% beherrscht. Diese besonderen Schwierigkeiten bei der Generalisierung der Instrumentsrelation scheinen darin begründet zu sein, daß handelnde Per­sonen oder Teile dieser, wie z.B. die Hand, von Kindern nur schwer als In­strument erkannt und akzeptiert werden (vgl. Abb. 2).

Reichlich 50% unserer Kinder beant­worteten im Alter von 5;66;2 Jahren alle Fragen zu allen Relationen richtig. Wir können demzufolge davon ausge­hen, daß ein großer Teil der Schulan­fänger bei der Untersuchung ausgewähl­ter zwischenbegrifflicher semantischer Relationen mit unserem Versuchsma­terial das Kriterium der vollständigen Beherrschung erreicht. Leistungen von weniger als 90% bei mehr als einer der untersuchten Relationen bei der Über­prüfungsform mit standardisierten Fra­gen lassen bei einem Schulanfgänger auf Sprachentwicklungsdefizite schlie­Ben, die eventuell zu Problemen im An­fangsunterricht führen können. In die­

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Abb. 2: Leistungen im Teddy-Test(Überprüfung: standardisierte Befragung)

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993

ser Form könnte der Test auch Hinwei­se bei bzw. zur fraglichen Schulbereit­schaft eines Kindes geben.

Die Beziehung zwischen der intellektu­ellen Leistungsfähigkeit der Kinder so­wie dem ermittelten Sprachgesamtwert und der verbalen Verfügbarkeit se­mantischer Relationen in beiden Über­prüfungsformen ist in allen Alters­bereichen signifikant bis hoch signi­fikant. Beeindruckend ist die pro­gnostische Gültigkeit des mit unserer Methode ermittelten Grades der sprach­lichen Verfügbarkeit zwischenbegriff­licher Relationen in Bezug auf die intel­lektuelle Leistungsfähigkeit der Sechs­jährigen. Bereits die Ergebnisse der ver­balen Verfügbarkeit semantischer Rela­tionen in beiden Überprüfungsformen in der Erstuntersuchung, als unsere Kin­der 2;6-3;0 Jahre alt waren, korreliert signifikant mit r= 0.49 bis 0.75 mit der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Kinder im Alter von 5;66;2 Jahren. Zur Diagnostik der intellektuellen Leistungs­fähigkeit setzten wir den Erzieherfrage­bogen nach Kukla, Gutjahr und Roether (Skala Intelligenz), den Binet-Simon­Kramer-Test, den Lerntest für das Vor­schulalter von Roether in der Statusform und den HAVIVA-Verbalteil ein. Ähn­lich hoch korrelieren Intelligenz und Sprachgesamtwert im letzten Meßpunkt zur verbalen Verfügbarkeit semantischer Relationen in allen untersuchten Alters­bereichen.

Natürlicherweise wird das Kriterium der vollständigen Beherrschung der unter­suchten semantischen Relationen von allen normalintelligenten Kindern frü­her oder später erreicht. Die interessie­rende Frage ist also: Wann beginnt ein Kind welche zwischenbegrifflichen Re­lationen zu verbalisieren und wann be­herrscht es diese vollständig? Können Antworten auf diese Fragen Hinweise auf besondere Begabungen geben und das eingangs erwähnte formale Kriteri­um der mittleren Satzlänge inhaltlich fundieren?

Bereits bei den 2;6-3;0jährigen Kindern fanden wir erhebliche Unterschiede im Grad der Verwendung und der Beherr­schung semantischer Relationen. In un­serer Untersuchung konnten wir zeigen,

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