Arbeit, Zufriedenheit, Befinden
und soziale Integration:
Ein Vergleich zwischen psychisch Behinderten
mit und ohne geistige Behinderung
Von Sabine Sonnentag
In diesem Artikel werden Arbeitsbedingungen, die für Behinderte günstig sind, aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. In einer empirischen Untersuchung an 72 psychisch Behinderten mit einer zusätzlichen geistigen Behinderung und 25 psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung wurden Merkmale der objektiven und subjektiv wahrgenommenen Arbeitssituation erfaßt und in Beziehung gesetzt zu Arbeitszufriedenheit, Befinden und sozialer Integration im Arbeits- und Freizeitbereich. Es wurde deutlich, daß psychisch Behinderte ohne geistige Behinderung ihre Arbeitssituation negativer einschätzen als psychisch Behinderte mit einer geistigen Behinderung. Gleichzeitig zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen hohen Regulations-, Kommunikations- und Kooperationsanforderungen, sozialer Unterstützung, erlebter Variabilität sowie chancenreicher Arbeit einerseits und hoher Arbeitszufriedenheit, geringer Gereiztheit/Belastetheit und guter sozialer Integration andererseits.
In this paper work characteristics that are favourable for mentally ills are discussed from various viewpoints. In an empirical study with 72 mentally ills— but not mentally handicapped— and 25 mentally ills with mental handicaps the charactistics of the objective and perceived work situation were assessed and related to job satisfaction, well-being, and social integration at the work place and in leisure time. It was found that mentally ills without mental handicaps perceived their work situation more negatively than mentally ills with mental handicaps. Positive relations between regulation requirements, communication and cooperation requirements, social support, perceived variability and prospective work on the one hand and high job satisfaction, low irritation/ strain, and good social integration on the other hand were found.
Einführung
Die Arbeitssituation psychisch behinderter Menschen wurde in den letzten Jahren sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der wissenschaftlichen Forschung (Bähr, Bungard& Kupke 1989; Bungard, Reihl& Schubert 1987; Weis 1989) verstärkt thematisiert. In einer Werkstatt für Behinderte(WfB) werden psychisch Behinderte oft als die Problemgruppe schlechthin angesehen(Bekker, Heuser& Schwendy 1987; Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte 1983; Junge& Okonek 1988). Deshalb wurden für diese Personengruppe spezielle Arbeits- und Betreuungskonzepte entwickelt(zum Bei
spiel Wedekind 1987). Kaum beachtet wurden jedoch Personen, die sowohl geistig als auch psychisch behindert sind. In Untersuchungen zur Arbeitssituation von geistig Behinderten(Becker 1988; Laga& Runde 1982; Schmitz, Deutsch, Scharlau& Schulz 1981) wird nicht danach unterschieden, ob die Personen ausschließlich geistig oder auch psychisch behindert sind. Somit ist es— mehr noch als bei ausschließlich psychisch Behinderten— weitgehend unbekannt, wie Arbeit für geistig und psychisch Behinderte zu gestalten ist, sodaß sie sich günstig auf die jeweilige Person auswirkt.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993
Bedeutung von Arbeit
Arbeit ist von zentraler Bedeutung für das menschliche Leben(Jahoda 1985). Auch für Behinderte ermöglicht Arbeit — zumindest im Prinzip— die Erlangung wirtschaftlicher Unabhängigkeit, die Herstellung eines befriedigenden sozialen Status, die Ausweitung sozialer Kontaktmöglichkeiten sowie persönliche Erfüllung(Seifert 1977, 674). Gerade bei geistig Behinderten werden die Möglichkeiten zu Sozialkontakten durch Arbeit immer wieder betont, vor allem deshalb, weil geistig Behinderte außerhalb des Arbeitsbereichs wenig Gelegenheiten dazu haben(Meyer, 1982; Schmitz et al. 1981). Für psychisch Behinderte
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