Sabine Sonnentag+ Arbeit, Zufriedenheit, Befinden und soziale Integration
lastungen zu bewältigen und Anforderungen nachzukommen.
. Bei psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung sind die Zusammenhänge stärker, da sie in den Behindertenwerkstätten eine Außenseiterposition innehaben und deshalb weniger soziale Unterstützung erhalten als geistig Behinderte. Geistig Behinderte mit psychischer Behinderung unterscheiden sich weniger stark von den übrigen geistig Behinderten; ihren Bedürfnissen dürfte deshalb in der Betreuung stärker entsprochen werden, wodurch negative Arbeitsbedingungen aufgefangen werden können.
Methode der Untersuchung Stichprobe
Die Untersuchung wurde in zehn Werkstätten für Behinderte durchgeführt. In allen Werkstätten arbeiteten die psychisch Behinderten in Gruppen mit geistig Behinderten zusammen. Spezielle Werkstätten oder Gruppen für psychisch Behinderte wurden nicht in die Untersuchung einbezogen. Die Stichprobe umfaßte 72 psychisch Behinderte mit einer zusätzlichen geistigen oder Lern
behinderung sowie 25 psychisch Behin
derte ohne geistige Behinderung.
Unter den geistig und psychisch Behinderten waren 34 Frauen und 38 Männer, unter den psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung waren 17 Frauen und acht Männer. Wie Tabelle 1 zeigt, war das Durchschnittsalter der ausschließlich psychisch Behinderten höher als das der geistig und psychisch Behinderten. Ausschließlich psychisch Behinderte waren bereits beim Eintritt in die WfB älter als geistig Behinderte. Mit dem unterschiedlichen Eintrittsalter ging auch eine unterschiedliche schulische und berufliche Vorerfahrung einher. So haben geistig Behinderte zu seltener als ausschließlich psychisch Behinderte die Hauptschule oder eine Schule mit höheren Anforderungen besucht. Berufliche oder berufsqualifizierende Erfahrungen außerhalb der Werk
Tabelle 1: Stichprobenmerk male bei psychisch Behinderten mit und ohne geistige Behinderung > OP ohne geistige Behi
mit geistiger
Behinderung
(N=72)
t-bzw. Chi?-Wert (N=25)
DE
Durchschnittsalter in Jahren
Durchschnittsalter in Jahren beim Eintritt in WFB Prozentsatz der Personen, die mindestens die Hauptschule besucht haben
Prozentsatz der Personen, die über berufliche oder berufsqualifizierende Erfahrungen außerhalb der WfB verfügten
27,9
35,0 3,60*+*
29,6 4,07**
18,45**
DAN
** p<.0l
statt machte gut die Hälfte der der geistig Behinderten, während alle ausschließlich psychisch Behinderten zunächst außerhalb der Werkstatt beruflich tätig waren oder eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme besuchten. Das heißt, daß psychisch Behinderte ohne geistige Behinderung häufiger Erfahrungen an„normalen“ Arbeitsplätzen sammeln konnten und im Durchschnitt auch über eine höhere schulische und berufliche Qualifikation verfügten.
Durchführung der Untersuchung
Die Untersuchung setzte sich aus mehreren Schritten zusammen. Am Anfang standen mehrtätige Hospitationen in den Gruppen, in denen die psychisch Behinderten, die an der Untersuchung teilnahmen, arbeiteten. Ziel dieser Hospitationen war unter anderem, das gegenseitige Kennenlernen von Behinderten und Untersuchenden zu ermöglichen sowie den Untersuchenden einen ersten Überblick über das Geschehen in der Gruppe, die Aufträge und die zu bearbeitenden Aufgaben zu verschaffen. Am Ende der Hospitationen wurden die Arbeitsplätze der Behinderten mit Hilfe eines Beobachtungsinterviews analysiert. Im Anschluß daran wurden halbstrukturierte Interviews mit den Behinderten durchgeführt. Diese Interviews wurden fast ausnahmslos auf Tonband aufgenommen und später transkribiert. Hinzu kam eine schriftliche Befragung
der Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter sowie— soweit möglich— eine Einsichtnahme in die Akten der Behinderten. Da nicht mit allen Behinderten Interviews durchgeführt werden konnten, nicht immer auf alle Fragen geantwortet wurde und nicht für alle Untersuchten Gruppenleitereinschätzungen vorlagen, variiert das N zwischen den einzelnen Auswertungen.
Erhebungsinstrumente
Zur Erfassung der Arbeitssituation der Behinderten wurde sowohl ein objektiver bzw. bedingungsbezogener als auch ein subjektiver bzw. personenbezogener Zugang gewählt(zur Begrifflichkeit Gablenz-Kolakovic, Krogoll, Oesterreich& Volpert 1981; Oesterreich& Volpert 1987). Ziel eines bedingungsbezogenen Herangehens ist es, allgemeine Aussagen über einen Arbeitsplatz zu machen, die unabhängig von der dort arbeitenden Person, ihren Wahrnehmungen und Bewertungen gelten. Im Gegensatz dazu interessieren beim personenbezogenen Vorgehen genau die Besonderheiten der arbeitenden Person, ihre Wahrnehmungen, Einschätzungen sowie die individuellen Charakteristika ihres Arbeitshandelns.
Objektive Arbeitssituation. Die objektive Arbeitssituation wurde durch ein Beobachtungsinterview erfaßt. Dabei kamen die Arbeitsanalyseinstrumente
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993