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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Sabine Sonnentag* Arbeit, Zufriedenheit, Befinden und soziale Integration

denziell weniger gereizt und belastet. Anspruchsvolle Kommunikationsinhalte standen in einer positiven Beziehung zur Anzahl der mit anderen zusammen aus­geübten Freizeitaktivitäten und in der Tendenz auch zur sozialen Integration in die Arbeitsgruppe. Diese Ergebnisse liefern somit einen klaren Beleg dafür, daß bei ausschließlich psychisch Behin­derten ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Merkmalen der objekti­ven Arbeitssituation einerseits und dem individuellen Erleben der Arbeit sowie der sozialen Integration andererseits be­steht.

Vergleicht man die Korrelationen in den beiden Behindertengruppen, wird auf der deskriptiven Ebene deutlich, daß sich bei geistig Behinderten ein signifikanter und zwei tendenziell signifikante Zu­sammenhänge zwischen der objektiven Arbeitssituation und Merkmalen auf der individuellen Ebene finden. Im Gegen­satz dazu sind bei ausschließlich psy­chisch Behinderten trotz der geringe­ren Stichprobengröße acht dieser Zu­sammenhänge statistisch signifikant bzw. tendenziell signifikant. Dies weist darauf hin, daß bei ausschließlich psy­chisch Behinderten die Zusammenhän­ge zwischen Arbeitssituation und indi­viduellem Erleben und Verhalten enger sind als bei psychisch Behinderten mit einer zusätzlichen geistigen Behinde­rung.

Um diese Annahme zu überprüfen, wur­den moderierte Regressionen(Cohen& Cohen 1975) gerechnet. Kriterien wa­ren jeweils Arbeitszufriedenheit, Ge­reiztheit/Belastetheit sowie soziale In­tegration in Arbeit und Freizeit. In ei­nem hierarchischen Verfahren wurden in einem ersten Schritt zunächst die Merkmale der objektiven Arbeitssitua­tion(Regulationserfordernisse, zeitlicher Umfang der Kooperation, Enge der Zu­sammenarbeit bzw. Anforderungen an Kommunikationsinhalte) und die Art der Behinderung als Prädiktoren in die Gleichung eingeführt. In einem zweiten Schritt wurde jeweils die Interaktion zwi­schen dem einzelnen Merkmal der ob­jektiven Arbeitssituation und der Art der Behinderung als Prädiktor hinzuge­nommen. Dabei zeigte sich ein signi­

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fikanter Interaktionseffekt zwischen den Anforderungen an Kommunikations­inhalte und der Art der Behinderung bei der Prädiktion der Freizeitaktivitäten (R=.35; R?=.12; Change of R?=.09; Beta des Interaktionsterms=-.8296; p<.05). Für alle anderen Zusammen­hänge zeigten sich keine bedeutsamen Interaktionseffekte, was teilweise auf die relativ geringe Stichprobengröße vor allem bei den psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung zurückzu­führen ist.

Der Unterschied hinsichtlich des Zusam­menhangs zwischen Anforderungen an Kommunikationsinhalte und Freizeit­aktivitäten entspricht dem zweiten der oben postulierten Zusammenhangs­muster(stärkerer Zusammenhang zwi­schen Arbeitssituation und Arbeits­zufriedenheit, Befinden und sozialer In­tegration bei psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung). Ein Grund dafür kann darin gesehen werden, daß psychisch Behinderte ohne geistige Be­hinderung weniger soziale Unterstützung durch Betreuungspersonen bei persönli­chen Problemen erleben, sodaß für sie die kommunikative Situation in der Ar­beit wichtiger für soziale Integration und in der Tendenz auch für das Befin­den wird. Möglicherweise zeigte sich bei geistig Behinderten kein Zusammen­hang zwischen den Anforderungen an Kommunikationsinhalte und Freizeit­aktivitäten, da nicht alle geistig Behin­derten hohe Kommunikationsanfor­derungen bewältigen können und des­halb bei einigen Personen hohe Anfor­derungen keine positiven Entsprechun­gen im Erleben und Verhalten haben, sondern in das Gegenteil umschlagen. Darüber hinaus ist es denkbar, daß bei geistig Behinderten die Freizeitaktivi­täten durch andere Faktoren(z.B. Wohn­situation, Unterstützung durch Betreuer im Freizeitbereich) beeinflußt werden, so daß die Arbeitssituation nicht mehr ins Gewicht fällt.

Man könnte vermuten, daß sich hinter den geringen Korrelationen zwischen Kommunikations- und Kooperations­bedingungen einerseits und Variablen des Erlebens und Verhaltens anderer­seits bei geistig Behinderten kurviliniare

Zusammenhänge verbergen. Das hieße, daß bei geistig Behinderten nicht hohe, sondern mittlere Kommunikations- und Kooperationsanforderungen als günstig anzusehen wären. Weitere Analysen er­brachten jedoch keine Hinweise auf sol­che kurvilinearen Zusammenhänge.

Zusammenhang zwischen wahrgenommener Arbeitssituation, Zufriedenheit, Befinden und sozialer Integration

Um die Zusammenhänge zwischen der subjektiv wahrgenommenen Arbeits­situation einerseits und der Zufrieden­heit, dem Befinden und der sozialen In­tegration andererseits zu überprüfen, wurde folgendes Vorgehen gewählt: Da die Variablen der subjektiv wahrgenom­menen Arbeitssituation nur Ordinals­kalenniveau besitzen, wurden die bei­den Stichproben jeweils an ihrem Me­dian dichotomisiert, und die einzelnen Merkmale der Arbeitssituation wurden mit 0 bzw. 1 codiert. Anschließend wur­den punktbiseriale Korrelationen zwi­schen der Arbeitssituation und den Merk­malen des individuellen Erlebens und der sozialen Integration berechnet. Diese Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Arbeitssituation und Variablen im Bereich von Zufrieden­heit, Befinden und Integration sind in Tabelle 4 dargestellt. Bei der Gruppe der psychisch Behinderten mit geistiger Behinderung zeigten sich positive Zu­sammenhänge zwischen der wahrge­nommenen Variabilität einerseits und der Arbeitszufriedenheit und der sozialen In­tegration in die Arbeitsgruppe anderer­seits. Hohe wahrgenommene Chancen gingen mit einer großen Anzahl von mit anderen erlebten Freizeitaktivitäten und in der Tendenz auch mit einer höheren Arbeitszufriedenheit einher. Das wahr­genommene Arbeitsvolumen korrelierte positiv mit der Anzahl der mit anderen ausgeübten Freizeitaktivitäten. Personen, die ihre Arbeit als schwierig erlebten, waren tendenziell gereizter und weni­ger sozial integriert als Personen, deren Arbeit eine geringere Schwierigkeit auf­wies.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993