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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Sabine Sonnentag* Arbeit, Zufriedenheit, Befinden und soziale Integration

gering eingeschätzt wurden, d.h. hohe Werte in dieser Untersuchung entspra­chen Ausprägungen im mittleren Ska­lenbereich. Festzuhalten ist weiter, daß selbst eine absolut gesehen mittlere Schwierigkeit bereits mit negativen ar­beitsbezogenen Indikatoren(Gereiztheit/ Belastetheit, Integration in die Gruppe) einherging, aber im Freizeitbereich noch durch eine große Vielzahl von Aktivitä­ten kompensiert wurde. Möglicherwei­se wurden gerade durch die Auseinan­dersetzung mit der relativ großen Ar­beitsmenge und Schwierigkeit Kompe­tenzen erworben, die auch im Freizeit­bereich Anwendung fanden.

Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung, Zufriedenheit, Befinden und sozialer Integration

Wie Tabelle 4 weiter zeigt, hing die er­lebte soziale Unterstützung bei psychisch Behinderten mit geistiger Behinderung positiv mit der Arbeitszufriedenheit zu­sammen. Dies gilt sowohl für die Unter­stützung bei persönlichen Problemen als auch bei Schwierigkeiten mit der Ar­beit. Bei ausschließlich psychisch Be­hinderten zeigten sich ebenfalls signi­fikante Zusammenhänge zwischen so­zialer Unterstützung und Arbeitszu­

friedenheit, darüber hinaus ging ein ho-'

hes Ausmaß an sozialer Unterstützung bei persönlichen Problemen mit gerin­ger Gereiztheit/Belastetheit sowie einem hohen Ausmaß an Freizeitaktivitäten ein­her.

Zusammenfassende Diskussion

Die Untersuchung zeigte, daß die Ar­beitssituation psychisch Behinderter durch höhere kognitive Anforderungen gekennzeichnet war als die geistig Be­hinderter. Gleichzeitig nahmen psy­chisch Behinderte ohne geistige Behin­derung ihre Arbeitssituation jedoch als weniger chancenreich und weniger schwierig wahr. Sie hatten eine gerin­gere Arbeitszufriedenheit als psychisch Behinderte mit einer geistigen Behinde­rung. Dieses Ergebnis liefert einen Hin­

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weis darauf, daß die Situation in Werk­stätten für Behinderte gerade psychisch Behinderten ohne geistige Behinderung wenig entgegenkommt, eine Beschrei­bung, die in der Literatur immer wieder diskutiert wurde(zum Beispiel Becker et al. 1987; Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte 1983; Junge& Okonek 1988). Als Ausweg daraus wurden deshalb häufig spezielle Werkstätten für psychisch Behinderte ohne geistig Behinderte angesehen (Bähr& Schubert 1987; Leonhardt 1990; Wedekind 1987).

Die Untersuchung machte weiter deut­lich, daß bei psychisch Behinderten Zu­sammenhänge zwischen objektiver Ar­beitssituation einerseits und Arbeits­zufriedenheit, Befinden und sozialer In­tegration andererseits bestanden. Dar­über hinaus ergaben sich Zusammen­hänge zwischen der wahrgenommenen Arbeitssituation sowie Zufriedenheit, Befinden und sozialer Integration. Da­bei ist vor allem eine variable und chancenreiche Arbeit als positiv zu be­werten. Soziale Unterstützung ging ebenfalls mit Arbeitszufriedenheit, we­nig beeinträchtigtem Wohlbefinden und Freizeitaktivitäten einher.

Die Variablen der einzelnen Merkmals­bereiche wurden mit unterschiedlichen Methoden erhoben. So wurden die Regu­lationserfordernisse sowie die Aspekte von Kommunikation und Kooperation von Beobachtern erfaßt, die Integration in die Arbeitsgruppe wurde von den Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern beurteilt, die subjektive Arbeitssituation, Arbeitszufriedenheit, Gereiztheit/Be­lastetheit und Freizeitaktivitäten beru­hen auf Aussagen der Behinderten. Deut­liche Zusammenhänge bestanden auch zwischen Merkmalen, die mit unter­schiedlichen Methoden erfaßt wurden, beispielsweise zwischen Kommunika­tion und Kooperation und Arbeitszu­friedenheit bei ausschließlich psychisch Behinderten oder zwischen der subjek­tiv eingeschätzten Variabilität der Ar­beit und der von den Betreuungsperso­nen beurteilten Integration in die Ar­beitsgruppe. Das bedeutet, daß die ge­fundenen Zusammenhänge kaum auf gemeinsame Methodenvarianz oder an­

dere Konfundierungen zwischen wahr­genommener Arbeitssituation und Merk­malen der Person zurückzuführen sind (vgl. dazu Kasl 1986).

In der Tendenz sind die Zusammenhän­ge zwischen objektiver Arbeitssituation, Arbeitszufriedenheit, Befinden und Frei­zeitaktivitäten bei psychisch Behinder­ten ohne geistige Behinderung stärker als bei geistig Behinderten. Auch die erlebte soziale Unterstützung stand bei ihnen in engerer Beziehung zur Ar­beitszufriedenheit, Gereiztheit/Belastet­heit und zu den berichteten Freizeit­aktivitäten. Dies kann ebenfalls ein In­diz dafür sein, daß die Werkstattsitua­tion gerade für diese Behindertengruppe nicht genug Möglichkeiten bietet, un­günstige Arbeitsbedingungen zu bewäl­tigen.

Allerdings wurden in dieser Untersu­chung keine kausalen Zusammenhänge überprüft. So ist neben der implizit zugrundegelegten Vermutung, daß sich eine günstige Arbeitssituation positiv auf die Behinderten auswirkt, nicht auszu­schließen, daß Personen mit besseren Voraussetzungen oder Personen, die bes­ser sozial integriert sind, günstigeren, d.h. auch anspruchsvolleren Arbeitsplät­zen zugewiesen werden als Personen mit weniger günstigen Voraussetzungen. Es gilt hier jedoch zu bedenken, daß die Spielräume der Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter, wen sie welchem Arbeits­platz zuweisen, in der Regel begrenzt sind. So ist in Werkstätten für Behin­derte die Bandbreite der Arbeitsangebote meist abhängig von den Aufträgen, die die Werkstatt als ganzes akquiriert. Da­bei beinhalten einige Aufträge so gerin­ge Anforderungen, daß Gruppenleiter und-leiterinnen, selbst wenn sie wol­len, kaum Möglichkeiten haben, daraus anspruchsvolle Arbeitsangebote zusam­menzustellen, die beispielsweise hohe Anforderungen an die Kommunika­tionsinhalte stellen. Diese Vermutung ließ sich auch empirisch stützen: so lag der Varianzanteil der objektiven Arbeits­bedingungen, der allein durch die Grup­penzugehörigkeit erklärt werden konn­te, im Durchschnitt bei 56%. Durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Werkstatt, wurden immerhin durch­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993