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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Soziale Beziehungen Späterblindeter

eine Pilotstudie

Von Katrin Georgieff und Gisela Friedrich

Durch die Befragung von 15 Späterblindeten wurde im Rahmen eines retrospektiven Untersuchungsdesigns er­forscht, ob und in welcher Weise sich die sozialen Be­ziehungen des Befragten im Zusammenhang mit dem Eintritt der Erblindung veränderten. Dabei konnte u.a. gezeigt werden:

1. Die Untersuchungsteilnehmer nahmen zum Unter­suchungszeitpunkt signifikant mehr emotionale Unter­stützung und signifikant weniger soziale Belastung wahr als vor dem Eintritt der Erblindung.

2. Wer sich vor der Erblindung in vergleichsweise ho­hem/geringem Maße emotional unterstützt und sozial integriert fühlte sowie häufig/selten von anderen Perso­nen um soziale Unterstützung gebeten wurde, erlebte auch zum Untersuchungszeitpunkt vergleichsweise viel/ wenig emotionale Unterstützung, soziale Integration und Reziprozität in seinen sozialen Beziehungen.

3. Häufig entfielen viele Unterstützungsfunktionen auf nur wenige Bezugspersonen des Befragten. Netzwerke dieser Art vermitteln eine trügerische Sicherheit bezüg­lich ihrer Stabilität.

4. Dem Kontkat zu anderen blinden Menschen wurde von allen Beteiligten größte Bedeutung beigemessen. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung können der Generierung von in umfangreicheren Studien zu überprüfenden Hypothesen dienen.

Using a retrospective research design, the author questioned 15 persons who had gone blind at a later stage in their lives whether and how those peoples social relations had changed with the onset of blindness. The author found, among other things,

that(I) at the time the research was conducted, the persons under study her perceiving significantly more emotional support and significantly less social stress than prior to the onset of blindness;

that(2) those persons who prior to the onset of blind­ness had perceived a comparatively high/low measure of emotional support and social integration and who had frequently/rarely been asked by others for social support were perceiving a comparatively high/low measure of emotional support, social integration and reciprocity in social relations also at the time of the study;

that(3) frequently many supportive functions were persormed by only a small number of reference persons of the person questioned. The sense of security that these kinds of networks convey in terms of stability is deceptive;

that(4) all those questioned attached major importance to contacts with other blind people.

The results of this study can be used to generate hypo­theses to be tested in more extensive investigations.

In der BRD erblinden jährlich ungefähr 8.000 bis 10.000 Menschen. Die mei­sten Betroffenen(ca. 75%) haben zum Zeitpunkt der Erblindung bereits das Rentenalter erreicht. 20 bis 25% der jähr­lich Erblindenden befinden sich im erwerbsfähigen Alter. Nur 1-2% beträgt der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtanzahl aller Neuerblin­dungen pro Jahr.

Der Prozeß der Adaptation an eine neue Lebenssituation angesichts eines Kriti­

schen Lebensereignisses(wie zum Bei­spiel Erblindung) kann unter verschie­denen Aspekten betrachtet werden. Im vorliegenden Beitrag soll besonders der Zusammenhang zwischen dem Ereignis Erblindung und einem Lebensbereich thematisiert werden: den sozialen Be­ziehungen der Betroffenen.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993

Theoretische Grundpositionen Zum Begriff derSpäterblindung

Als blind gilt... der Behinderte, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch der Behinderte anzuse­hen, dessen Sehschärfe so gering ist, daß er sich in einer ihm nicht vertrauten Umgebung ohne fremde Hilfe nicht zu­rechtfinden kann. Dies ist im Allgemei­nen der Fall, wenn auf dem besseren

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