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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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wahrgenommene Unterstützung kon­zipiert und untersucht.

Richtung: Betrifft die Unterscheidung zwischen dem Geber und dem Emp­fänger sozialer Unterstützung. Meist wird soziale Unterstützung vom Emp­fänger her definiert.

In jüngster Zeit wird stets stärker darauf

hingewiesen, daß die Annahme, die der

sozialen Unterstützungsforschung häu­fig implizit zugrundeliegt, soziale Inter­aktion wirke im Wesentlichen positiv, nicht unbedingt stimmen muß(siehe hierzu besonders Schwarzer& Leppin

1989; Sommer& Fydrich 1988 und

1991). Netzwerkmitglieder leisten nicht

nur soziale Unterstützung, sondern kön­

nen auch als Quelle sozialer Konflikte fungieren(Die Beziehung zu einer Per­son kann gleichzeitig durch höchste

Zufriedenheits- und höchste Konflikt­

werte gekennzeichnet sein). Besonders

viel soziale Unterstützung muß nicht besonders adaptiv sein, auch wenn sie vom Empfänger als positiv erlebt wird; anhaltende Unterstützung bringt zwar aktuell Entlastung, gleichzeitig besteht aber die Gefahr, daß auf lange Sicht die

Bewältigungskompetenzen des Empfän­

gers reduziert werden(siehe oben:

überfürsorgliches Verhalten der Mitmen­schen eines Späterblindeten).

Bei der Diagnostik sozialer Beziehun­

gen dominieren bislang Fragebogen und

weitgehend standardisierte Interviews, ausgesprochen selten werden qualita­tive Verfahren eingesetzt(Richter&

Schumacher 1993; Sommer& Fydrich

1988). Dieses Vorgehen erfährt aber ten­

denziell eine kritische Bewertung, denn

quantitative Ansätze können den Ge­genstandsoziale Beziehungen nicht in seiner ganzen Komplexität erfassen.

Soziale Beziehungen behinderter Menschen

Mit der Bedeutung von Sozialbezie­hungen bei der Bewältigung von chro­nischen Krankheiten und Behinderun­gen beschäftigten sich zunächst im We­sentlichen sozialepidemiologische Un­tersuchungen in den USA. In der BRD gibt es vergleichsweise wenige Unter­

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Katrin Georgieff und Gisela Friedrich+ Soziale Beziehungen Späterblindeter

suchungen, die die Beschaffenheit so­zialer Netzwerke behinderter Menschen und die Bedeutung sozialer Beziehun­gen im Prozeß der Bewältigung einer Behinderung zum Gegenstand haben (Kniel& Windisch 1987). Die vorhan­denen Untersuchungen können 3 Grup­pen zugeordnet werden: Untersuchungen von sozialen Bezie­hungen behinderter Kinder Studien über soziale Beziehungen von Familien mit einem behinderten Kind Forschungen zu Netzwerken und Unterstützungspotenzialen behinder­ter Erwachsener. Kniel& Windisch (1987) weisen. darauf hin, daß zu die­sem Problemkreis sehr wenige Un­tersuchungsergebnisse vorliegen. Schiller(1987) erhob im Rahmen einer vergleichenden Untersuchung, in die Sehgeschädigte und Körperbehinderte einbezogen wurden, supportive Leistun­gen sozialer Netzwerke behinderter Men­schen. Studien, die die sozialen Beziehungen Späterblindeter zum Gegenstand haben, sind den Verfasserinnen bislang nicht bekannt.

Methodik der Untersuchung

Das Ziel unserer Untersuchung bestand darin, anhand der Betrachtung einer sehr kleinen Stichprobe erste Informationen darüber zu gewinnen, welche Zusam­menhänge zwischen einer im Erwach­senenalter eingetretenen Erblindung und dem Erleben ausgewählter Aspekte so­zialer Beziehungen bestehen könnten. Dabei wurde im Rahmen eines retro­spektiven Untersuchungsdesigns aus­schließlich von der subjektiven Sicht­weise der Erblindeten ausgegangen.

Beschreibung der Stichprobe

Zunächst wurden mehrere Kriterien er­stellt, anhand derer die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer erfolgen soll­te: So sollten die Befragten späterblindet sein. Der Eintritt der Erblindung sollte mindestens 3, aber nicht länger als 15 Jahre zurückliegen; damit sollte gewähr­

leistet werden, daß der Späterblindete einerseits(wieder) in einem stabilen so­zialen Beziehungsgefüge lebt, anderer­seits sollte sich der Betroffene noch möglichst gut an die Zeit vor der Erblin­dung erinnern können, um ausgewählte Aspekte sozialer Beziehungen verglei­chend einschätzen zu können. Eine wei­ter Forderung bestand darin, daß die Erblindung möglichst aus normalem Sehvermögen heraus erfolgt sein sollte; wenn vor der Erblindung bereits eine Sehbehinderung vorlag, sollte sich der Prozeß der Sozialisation des Betroffe­nen bis zum Eintritt der Erblindung nicht unter blinden- und sehbehindertenspe­zifischen Bedingungen(z.B entsprechen­de Schul- und Berufsausbildung) voll­zogen haben. Desweiteren sollte keine Zusatzbehinderung derart vorliegen, daß durch die Zusatzbehinderung die so­zialen Beziehungen stärker beeinflußt werden als durch die Blindheit(z.B. Schwerhörigkeit oder Körperbehin­derungen).

Es konnten schließlich die an 15 Spä­terblindeten erhobenen Untersuchungs­ergebnisse in die Auswertung einbezo­gen werden.

Erhobene Variablen

Die in der Untersuchung erhobenen Variablen lassen sich 3 Gruppen zu­ordnen:

Soziodemografische Variablen: Alter der Untersuchungsteilnehmer zum Zeit­punkt der Untersuchung; Alter beim Ein­tritt der Erblindung; Geschlecht; Her­kunft(aus den neuen oder alten Bun­desländern)

Behinderungsspezifische Variablen: z.B. Ursachen der Erblindung; zeitliche Erstreckung des Erblindungsprozesses; Vorhandensein, Qualität und Nutzung professioneller Rehabilitationsangebote nach der Erblindung; Beschreibung des eigenen Befindens während der Erblindung; vor der Erblindung vorhan­dene Einstellungen zu Behinderten bzw. Blinden

Ausgewählte Aspekte sozialer Beziehungen:

soziale Integration vs. soziale Isola­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993