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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Katrin Georgieff und Gisela Friedrich- Soziale Beziehungen Späterblindeter

Tabelle 1: Mittelwerte(früher und heute) und Pearson-Korrelatioonen

einiger Skalen des F-SOZU-A

früher heute X x

Skalenname

Emotionale Unterstützung(EU) Praktische Unterstützung(PU) Soziale

Integration(SI) Soziale

Belastung(BEL) Reziprozität(REZ)

Maß für den Zusammenhang zwischen den jeweilsfrüheren undheutigen Skalenwerten bestimmt.

In der obigen Tabelle sind die Para­meter einiger Fragebogenskalen zusam­mengefaßt.

Es zeigt sich, daß die in die Untersu­chung einbezogenen Späterblindeten heute signifikant mehr emotionale Un­terstützung und signifikant weniger so­ziale Belastung erleben als aus der gegenwärtigen Lebenssituation heraus eingeschätzt vor dem Eintritt der Erblindung.

Alle Befragten nahmen heute weniger bzw. genausoviel Reziprozität in ihren sozialen Beziehungen wahr, die Dif­ferenz zwischen den beiden Skalenmit­telwerten konnte aber aufgrund des ge­ringen Stichprobenumfanges nicht auf Signifikanz geprüft werden. Hinsichtlich weiterer mit dem Fragebo­gen erfaßter Aspekte sozialer Beziehun­gen ließen sich innerhalb dieser Stich­probe keine signifikanten Differenzen nachweisen.

Die hohen und auch hoch signifikanten Korrelationen zwischen den jeweils früheren undheutigen Scores der Skalenemotionale Unterstützung, Soziale Integration undReziprozität deuten darauf hin, daß Personen, die aus der gegenwärtigen Lebenssituation heraus einschätzen, vor der Erblindung überdurchschnittlich viel emotionale Un­terstützung erfahren zu haben, auch heu­te viel emotionale Unterstützung erle­ben im Vergleich zum Gruppendurch­schnitt. Diejenigen Untersuchungs­

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Signifikanz- Korrelation Signifikanz­niveau früher niveau mit heute

0,83 0,59 0,85

0,53 0,81

teilnehmer, die sich für die Zeit vor der Erblindung als überdurchschnittlich gut sozial integriert einschätzten bzw. mein­ten, bereits vor dem Eintritt der Er­blindung mehr um soziale Unterstützung gebeten worden zu sein, als es dem Gruppendurchschnitt entsprechen wür­de, weisen auch heute bezogen auf den Gruppenmittelwert überdurchschnittlich hohe Werte auf der Skalasoziale Inte­gration bzw,Reziprozität auf. Personen, die heute meinen, vor der Erblindung wenig emotional unterstützt worden zu sein, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der gegen­wärtigen Lebenssituation verhältnismä­Big wenig emotionale Unterstützung wahrnehmen, bezogen auf den Grup­penmittelwert. Diejenigen, die sich aus heutiger Sicht vor der Erblindung ver­gleichsweise wenig sozial integriert fühl­ten bzw. wenig Reziprozität in ihren sozialen Beziehungen erlebten, nehmen mit großer Wahrscheinlichkeit auch heu­te wenig soziale Integration bzw. Rezi­prozität wahr im Vergleich zum Grup­penmittelwert.

Die Korrelationskoeffizienten zwischen denfrüheren undheutigen Werten der Fragebogenskalenpraktische Un­terstützung undsoziale Belastung sind zwar signifikant, aber nur mäßig hoch.

Anhand der hier aufgeführten Korre­lationskoeffizienten können keine Aus­sagen über Kausalzusammenhänge ge­troffen werden!

Mit Hilfe des halbstandardisierten In­terviews wurden neben den behinde­

rungsspezifischen Variablen weitere Aspekte sozialer Beziehungen erfaßt: Einige Fragen des Interviews bezogen sich auf den Aspekt der Homogenität. Die meisten Personen(9) gaben an, daß sie mehr sehende als sehbehinderte/blin­de gute Freunde haben; die Befragten dieser Gruppe kannten zwar wie auch die übrigen Untersuchungsteilnehmer zahlreiche sehgeschädigte Menschen, jedoch nur zu wenigen bestanden freund­schaftliche Beziehungen. 4 Personen beschrieben ein annähernd ausgewo­genes Verhältnis zwischen der Anzahl sehender und sehbehinderter/blinder Per­sonen im Freundeskreis. Nur 2 Spät­erblindete nannten mehr blinde/seh­behinderte als sehende Freunde. Danach befragt, ob und inwiefern ihnen (auch weniger intensive) Kontakte zu anderen Sehbehinderten/Blinden wich­tig sind oder ob derartige Kontakte viel­leicht manchmal sogar für schädlich ge­halten werden, betonten alle Unter­suchungsteilnehmer, daß der(auch we­niger intensive) Kontakt zu anderen blin­den Menschen ausgesprochen wichtig ist. Folgende Faktoren wurden beson­ders häufig als Begründung dafür ange­

Das Erleben informationsbezogener Unterstützung. Nicht nur in der Zeit unmittelbar nach dem Eintritt der Erblindung, sondern auch innerhalb der gegenwärtigen Lebenssituation war es den allermeisten Untersu­chungsteilnehmern sehr wichtig, von anderen Blinden Informationen über das Vorhandensein und die Art und Weise der Handhabung von Blin­denhilfsmitteln sowie Hinweise für die praktische Bewältigung des Le­bensalltags zu erhalten, die Möglichkeit des sozialen Ver­gleichs(i.S. des kognitiven Aspekts sozialer Unterstützung). Viele Befrag­te gaben an, daß sie aufgrund des Wissens darüber, welche Fähigkei­ten und Fertigkeiten andere blinde Menschen besitzen, hoch motiviert seien, selbst auch derartige Leistun­gen zu erbringen. Auch sog.Ab­wertsvergleiche haben offenbar eine supportive Wirkung: So betonten ei­nige Untersuchungsteilnehmer, daß

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993