Katrin Georgieff und Gisela Friedrich+ Soziale Beziehungen Späterblindeter
wurden verschiedene Landesgeschäftsstellen des Deutschen Blindenverbandes angeschrieben mit der Bitte um Mithilfe bei der Suche nach geeigneten Probanden. Es wurden möglicherweise besonders jene Späterblindeten mobilisiert und motiviert, an der Untersuchung teilzunehmen, die sich— im Vergleich zu anderen Späterblindeten— in hohem Maße sozial integriert und sozial unterstützt fühlen, nur relativ wenig soziale Belastung erleben und verhältnismäßig zufrieden mit der sozialen Unterstützung sind. Es kann vermutet werden, daß Per
sonen, die ihre sozialen Beziehungen als nicht zufriedenstellend erleben, sich nicht freiwillig aufgrund des Aufrufs in der Zeitschrift oder aufgrund eines entsprechenden Schreibens von den Mitarbeitern der Landesgeschäftsstellen für diese Untersuchung zur Verfügung stellen. Die Annahme, daß es sich bei den befragten Späterblindeten größtenteils um sehr engagierte, mit ihren sozialen Beziehungen hoch zufriedene Personen handelt, wird zum einen durch die objektivierbaren Daten zur sozialen Integration und zur sozialen Aktivität er
härtet, zum anderen betonten mehrere Befragte, daß ihre Aussagen nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit aller Späterblindeten seien, denn man kenne viele, die heute weit weniger sozial integriert und in weit geringerem Maße sozial unterstützt seien als man selbst. Es wurde deutlich, daß es sich bei der vorliegenden Studie um eine Erkundungsuntersuchung handelt. Ihre Ergebnisse können der Generierung von Hypothesen dienen, deren Überprüfung umfangreicheren Studien vorbehalten bleiben muß.
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Anschrift der Autorinnen:
Dipl.-Psych. Katrin Georgieff
Dr. Phil. Gisela Friedrich
Fachbereich Psychologie der Universität Leipzig Tieckstraße 2
D-04275 Leipzig
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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 3, 1993