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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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schulischer Inhalte zur außerschuli­schen Realität einsichtig. Diese reale Welt ist für sie jedoch unattraktiv oder unaushaltbar von daher auch die sie in der Schule erwartenden In­halte. Sie wandern innerlich ab in selbst geschaffene oder virtuelle Rea­litäten. Zudem liegen für diese Grup­pe häufig Sozialisationsdefizite hin­sichtlich schulähnlicher Lernsituatio­nen vor. In beiden Fällen kann man keineswegs von einer generellen Störung der Kon­zentrationsfähigkeit sprechen. Es wäre angezeigt, Möglichkeiten der Motiva­tionssteigerung solcher Gruppen von Kindern und Jugendlichen zu erforschen. Mit diesem Ausflug in Hintergründe sind gesellschaftliche Themen berührt, die zu einer sorgfältigen Betrachtung des Phänomens der Konzentrations­schwierigkeiten gehören jedoch gleich­zeitig über den Rahmen des Themas selbst weit hinausreichen.

Maßnahmen

Wenn man Störquellen entdeckt hat, gilt es nach Möglichkeiten zu suchen, diese zu eliminieren oder abzuschwä­chen. Auch schon vorher können Maß­nahmen in präventiver Form erfolgen. Für die Lernsituation selbst ist zu über­prüfen, ob es genügend Raum gibt, da­mit die Lerner eigene Interessen umset­zen und Engagement entfalten können, ob sie nicht überlastet werden und ob es Möglichkeiten gibt, soziale und emo­tionale Probleme im Kontakt Schüler­Lehrer oder in der Klasse zu lösen. Im besonderen kommen weiterhin die fol­genden Möglichkeiten in Betracht: Konzentrationstraining: Aufgaben zum reinen Training der Konzentra­tion sollten nur in jenen Fällen ein­

Literatur

Abels, D.(1954): Konzentrationsverlaufslest, KVT. Göttingen.

Eduard W. Kleber und Roland A. Stein* Konzentrationsprobleme Fehldiagnose oder Zeitkrankheit

gesetzt werden, in denen tatsächlich die Konzentrationsfähigkeit selbst be­einträchtigt ist etwa bei leichten oder auch gravierenderen neurolo­gischen Ausfällen. Stehen Motiva­tions- oder Interessenskonflikte im Hintergrund, so sind die i.d.R. einge­setzten Konzentrationstrainings gera­dezu kontraindiziert, da sie eine grO­ße Nähe zu schulischen Inhalten und Formen aufweisen.

Möglichst weitgehende Ausrichtung des Unterrichtes an den Bedürfnissen und Interessen der Schüler sowie de­ren Wunsch nach Eigenverantwort­lichkeit. Hierzu dienen Freiarbeit und Wochenplan: Der tradierte Unterricht wird aufgelöst und der Unterricht in Teilen individualisiert. Schüler pla­nen selbst die Inhalte eines Teiles ihrer Schulstunden. Sie wählen eigen­ständig aus, wann und für wie lange sie welche Themen bearbeiten. Da­bei kann ein Teil der Inhalte frei ge­wählt, d.h. nicht curriculumbestimmt sein.

Ein ähnliches Vorgehen ist gestalt­pädagogischen Arbeitsweisen zu­eigen, vor allen Dingen die Ausrich­tung an den Interessen und Bedürf­nissen der Schüler.... All jene Me­thoden finden innerhalb des Gestalt­ansatzes Verwendung, die die Fähig­keit zur Selbstverantwortung, exi­stentielle Erfahrungen und Bewußt­werden des persönlichen Erlebens bei der Arbeit an einem Thema und in Beziehungen fördern.(Prengel 1989). Gestaltpädagogik zielt das Be­wußtmachen existentieller Konflikte an und empfiehlt sich, wenn solche als Ursache für Beeinträchtigungen der Konzentration vermutet werden und außerdem ein größerer Freiraum in der Gestaltung des Unterrichtes be­steht. Unterschiedlichste kreative Me­

Berg, D.(1991): Psychologische Grundlagen und Konzepte von Aufmerk- Stuttgart.

samkeit und Konzentration. In: Barchmann, H., Kinze, W.& Roth, N. (Hg.): Aufmerksamkeit und Konzentration im Kindesalter. Berlin. 3946.

Göttingen.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993

dien wie Rollenspiel, Zeichnen und Malen oder Puppentheater können Verwendung finden.

Der Einsatz themenzentrierter Unter­richtseinheiten im Sinne der Themen­zentrierten Interaktion(TZI)(Cohn 1978) ist in vielen Fällen ebenso sinn­voll wie die Verwendung verhal­tenstherapeutischer Techniken wie Verstärkerpläne oder Verträge zwi­schen Schüler und Lehrer,

Fazit: Zur Notwendigkeit und Einsetzbarkeit des Konzentrations-Begriffes

Das Konzept der Konzentration hat mehr beschreibenden denn erklärenden Cha­rakter, und ein angemessenes Modell muß, wie aufgezeigt, hochkomplex und multifaktoriell aufgebaut sein. Es soll­te, soweit irgend möglich, nicht mit all­zu fernliegenden, komplexen Konstruk­ten gearbeitet werden, sondern mit kon­kreten Begriffen was zunächst eine Betrachtung der Situation bedeutet, be­vor man sich dem Individuum des Lerners zuwendet. Dabei sollte sich ein praktisch tätiger Pädagoge von der hier dargestellten Komplexität nicht entmu­tigen lassen, sondern sich dieser stellen die Möglichkeiten des Lehrers, schu­lische Lernsituationen zu analysieren, sind selbstverständlich beschränkt. Dies darf allerdings nicht zur Folge haben, auf simplifizierende Modelle zurück­zugreifen, sondern all jene Faktoren in die eigenen Überlegungen miteinzu­beziehen, die potentiell verfügbar sind, um hieraus ein sorgfältiges Bild zu for­men. Ein solches, verantwortungsvolles Vorgehen wird die Zahl der falschen Diagnosen und unangemessenen Hand­lungen deutlich verringern können.

Cohn, R.C.(1978): Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion.

Janssen, J., Hahn, E.& Strang, H.(1991): Konzentration und Leistung.

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