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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Diagnostik und Intervention bei

Konzentrationsstörungen

Von Karl Westhoff

Zuerst wird aufgezeigt, daß Aufmerksamkeit und Kon­zentration zwei verschiedene Konzepte sind. Konzentra­tion kann als Zustand und als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet werden. Zentrale Aspekte der Konzentration werden beschrieben und anhand des Akku-Modells der Konzentration veranschaulicht. Als zweites wird eine Strategie zur Diagnostik und Intervention für Lehrper­sonen vorgestellt, deren Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben, konzentriert zu arbeiten. Eine entscheidungsorientierte psychologisch-diagnostische Strategie wird im dritten Teil des Artikels vorgeschla­gen. Im letzten Teil werden Interventionen beschrieben, die Kindern mit Konzentrationsproblemen helfen kön­nen.

First the terms attention and concentration are shown as different concepts. Concentration can be conceived as state and as trait. Central aspects of concentration are described and illustrated by the accumulator model of concentration. Secondly a diagnostic and inter­ventional strategy is presented for teachers whose pupils have difficulties to work in a concentrated manner. A decision oriented psychodiagnostic strategy is given in the third part of this article. In the last part interventions are described which can help children suffering from concentration problems.

Konzentrationsstörungen von Kindern sind der Gegenstand vieler Gespräche von besorgten Eltern, Erzieherinnen und Erziehern. Dabei stellt sich die Unklar­heit der Begriffe Aufmerksamkeit und Konzentration immer wieder als hinder­lich heraus. Deshalb sollen im ersten Teil dieses Beitrags zuerst diese Begrif­fe geklärt werden. Da Konzentration so­wohl einen Zustand als auch ein Per­sönlichkeitsmerkmal bezeichnen kann, wird dann diese Unterscheidung erläu­tert, um darauf die zentralen Merkmale der Konzentration zu beschreiben. Mit dem Akku-Modell der Konzentration soll dann für praktische Zwecke veran­schaulicht werden, wie man sich die Ar­beitsweise des Koordinationsmechanis­mus Konzentration vorstellen kann.

Meist fallen Konzentrationsschwierig­keiten zuerst in der Schule auf, deshalb wird im zweiten Teil dieses Beitrags eine Strategie für pädagogische Dia­gnostik und Intervention bei Konzen­trationsproblemen am Beispiel der Klas­sen 5 bis 10 vorgestellt. Erst wenn die

pädagogischen Bemühungen in der Schule und in Zusammenarbeit mit den Eltern nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben, wenden sich die Eltern an eine Psychologin oder einen Psychologen. Die notwendige psycho­logische Arbeit kann sich an der ent­scheidungsorientierten psychologisch­diagnostischen Strategie bei Konzentra­tionsproblemen in den Klassen 5 bis 10 orientieren, die im dritten Teil dieses Beitrags beschrieben wird. Der vierte und letzte Teil ist den Interventions­möglichkeiten bei Konzentrationsstö­rungen gewidmet.

Die Begriffe Aufmerksamkeit und Konzentration

Im Alltag werden die Begriffe Aufmerk­samkeit und Konzentration zumeist we­der klar voneinander unterschieden noch in eindeutiger Weise definiert. Geht man allerdings wie Freyberg(1989) von ei­ner etymologischen Analyse aus, so stellt

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993

man fest, daß Aufmerksamkeit sich im­mer auf das Wahrnehmen bezieht und Konzentration auf das Arbeiten.

Seit dem Beginn der wissenschaftlichen Psychologie wird der Begriff Aufmerk­samkeit(attention) in vielfältigen Be­deutungen verwendet. Allen Bedeutun­gen gemeinsam ist die Feststellung, daß von vielen gleichzeitig vorhandenen In­formationen nur eine beschränkte An­zahl bewußt ist und deren Verarbeitung das Individuum anstrengt(Johnston& Heinz 1978; Johnston& Dark 1986; Pos­ner& Boies 1971).

Die selektive Aufmerksamkeit(selective attention) gibt es als fokussierte Auf­merksamkeit(focused attention) und ge­teilte Aufmerksamkeit(divided attent­ion). Die Daueraufmerksamkeit(sustain­ed attention) wird auch als Vigilanz (vigilance) bezeichnet.

Das Cocktail-Party Phänomen veran­schaulicht die beiden Formen der selek­tiven Aufmerksamkeit(Johnston& Dark 1986). Man kann bei einer Cocktail­Party an einem bestimmten Gespräch

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