teilnehmen und die anderen Gespräche „ausblenden,,. Dies ist der Aspekt der fokussierten Aufmerksamkeit. Taucht in den Gesprächen, die neben einem ablaufen, aber eine wichtige Information auf wie der eigene Name, so hört man diese unwillkürlich heraus. Dies ist der Aspekt der geteilten Aufmerksamkeit. Die langdauernde Beobachtung, z.B. eines Radarschirms, und die richtige Reaktion auf relativ seltene kritische Ereignisse unter ähnlichen, aber unkritischen Ereignissen verlangt Daueraufmerksamkeit oder Vigilanz.
Konzentration als Zustand und als Persönlichkeitsmerkmal
Schon die ersten Konzentrationstests wurden im vorigen Jahrhundert konzipiert und eingesetzt, um(1) Bedingungen menschlicher Leistungen zu untersuchen wie Übung, Ermüdung, Wirkung von Drogen und(2) um Persönlichkeitsmerkmale zu messen(vgl. Bartenwerfer, 1964). Konzentration wurde also seit Beginn der wissenschaftlichen Psychologie als momentaner Zustand eines Menschen und auch als stabiles, generelles und universelles Merkmal von Menschen angesehen. Konzentration ist ein Persönlichkeitsmerkmal, dessen aktuelle Ausprägung und dessen Messung von Bedingungen abhängen, die momentan beim zu messenden Individuum gegeben sind.
Zentrale Merkmale der Konzentration
Plude& Hoyer(1985, 49) berichten, daß schon James(1890)„effortful attention“ beschrieben hat und postulieren (S. 50f.) einen zentralen Prozessor oder eine allgemeine Kapazität, die kontrolliert und koordiniert. Voraussetzung dafür, daß etwas koordiniert werden muß, sind mindestens zwei miteinander konkurrierende Handlungsmöglichkeiten.
Pribram& McGuinness(1975) nehmen zwei grundlegende energetisierende Mechanismen an, von denen der eine sich auf den Input(arousal) bezieht und der
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Karl Westhoff+ Diagnostik und Intervention bei Konzentrationsstörungen
zweite auf den Output(activation). Gopher& Sanders(1984, 243) nehmen weiter einen koordinierenden Mechanismus an, dessen Einsatz anstrengt. Gopher& Sanders(1984, 243) betonen, daß der Einsatz von Anstrengung in starkem Maße von der Motivation im Sinne der Bewertung(evaluation) abhängt. Dieser Mechanismus einer willentlich kontrollierten Anstrengung für Koordination und Kontrolle ist für sie einem Ressourcen zuweisenden Mechanismus sehr ähnlich.
Seit Shiffrin& Schneider(1977) unterscheidet man in der Literatur die kontrollierte Verarbeitung von Informationen von der automatisierten. Dabei gibt es nach Norman& Shallice(1986, 1f.) folgende vier Bedeutungen von automatisch:(1) Aufgaben können ausgeführt werden, ohne daß das Individuum dies bemerkt.(2) Eine Handlung kann unabsichtlich begonnen werden.(3) Es handelt sich um eine Orientierungsreaktion ohne absichtliche Kontrolle über die Richtung der Aufmerksamkeit.(4) Eine Aufgabe kann erledigt werden, Ohne daß ihre Ausführung mit der anderer Aufgaben interferiert.
Die kontrollierte(controlled) Verarbeitung von Information zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie anstrengend ist(effortful)(Davies et al. 1984, 400; Hasher& Zacks 1979). Ackerman& Schneider(1985, 41) beschreiben:„Automatic processing is a fast, parallel, fairly effortless process that is not limited by short-term memory capacity, is not under direct subject control, and is used in performing well-developed skilled behaviors.... Controlled processing is a slow, effortful, capacitylimited, subject-controlled processing mode that is used to deal with novel, inconsistent, or poorly learned information‘“‘.
Norman& Shallice(1986) gehen davon aus, daß individuelle Handlungssequenzen aus einer Menge von aktiven Schemata bestehen. Diese Schemata werden für Handlungssequenzen ausgewählt, koordiniert aktiviert, und ihr Ablauf wird kontrolliert. Da der Begriff Aktionsmuster eher sich selbst erklärt, ist er dem Terminus Schema vorzuzie
hen, der in der psychologischen Literatur in mehreren Bedeutungen verwendet wird(Westhoff 1991).
Während die selektive Aufmerksamkeit häufig automatisch und unbewußt arbeitet, ist in vielen Situationen eine absichtlich kontrollierte Entscheidung zur Ausführung bestimmter Handlungen erforderlich. Dies beschreiben Posner und Rafal(1987, 185f.) an einem Beispiel und nennen es„effortful concentration“. Man kann daraus schließen, daß für Posner und Rafal Konzentration eine absichtliche, kontrollierende, anstrengende Koordination von Handlungen ist. Der zentrale Koordinationsmechanismus Konzentration läßt sich folgendermaßen kennzeichnen(Westhoff 1991):
Der Mechanismus Konzentration ist ein neuronal begründetes System, mit dem ein Individuum Aktionsmuster bewußt und absichtsvoll koordiniert. Dazu wählt es bereitliegende Aktionsmuster aus und versorgt sie mit Energie und kontrolliert ihren Ablauf über die Wahrnehmung. Das konzentriert arbeitende Individuum koordiniert, aktiviert und kontrolliert Aktionsmuster in zeitlich möglichst geringem Abstand. Diese Aktionsmuster beanspruchen sehr wenig Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses, da das Individuum sie immer wieder extern abrufen kann oder sie im Langzeitgedächtnis hoch verfügbar sind. Die zu koordinierenden Aktionsmuster können automatisiert sein, ihre Koordination erfolgt aber immer absichtsvoll und bewußt. Dieses konzentrierte Arbeiten erleben Menschen als anstrengend und ermüdend.
Das Akku-Modell der Konzentration
Die Arbeitsweise des zentralen Koordinationsmechanismus Konzentration kann man sich vorstellen wie einen Akku in einer modernen Kamera. Ein solcher Akku versorgt die in der Kamera programmierten Aktionsmuster mit Energie, z.B. das Blitzlicht. Ein solcher Akku hat aber nicht nur das Blitzlicht, sondern eine Reihe von Aktionsmustern der Kamera in einer koordinierten Wei
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993