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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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se mit Energie zu versehen und ermög­licht damit, daß diese ablaufen können. Zusätzlich wird angenommen, daß der Akku auch diese Koordination vornimmt (Westhoff 1991).

Bekanntlich gibt es unterschiedlich star­ke Akkus. Stärkere Akkus können in kürzerer Zeit mehr Aktionsmuster mit Energie versehen und sie dadurch ab­laufen lassen. Schwächere Akkus brau­chen zwischen den einzelnen Akti­vierungsvorgängen längere Erholungs­pausen. Jeder Akku ermüdet durch den Gebrauch, d.h. er braucht zunehmend längere Erholungspausen, aber er ist auch wieder aufladbar. Bei unterschiedlichen Bedingungen, Temperaturen z.B., arbei­ten Akkus unterschiedlich gut. Übertragen auf die menschliche Kon­zentration bedeutet dies, daß Menschen sich von Natur aus unterscheiden in der Stärke ihrer Konzentration. Zusätzlich gibt es bei jedem Menschen Schwan­kungen, die abhängen von den bisher geleisteten Arbeiten bzw. den Arbeits­bedingungen.

Unterschiedlich starke Akkus energeti­sieren nicht nur unterschiedlich viele Aktionsmuster pro Zeiteinheit, sondern die Energie kann pro Aktionsmuster hö­her oder niedriger sein. Zusätzlich kann die im Akku angenommene Koordinie­rungseinheit Fehler in der Koordination machen, d.h. zu einem bestimmten Zeit­punkt im Prozeß die falschen Aktions­muster aktivieren.

Nimmt man weiter an, daß die Kamera intern oder extern auch von anderen Quellen mit Strom versorgt werden kann, dann ist vorstellbar, daß diese Ströme ebenfalls die bereitliegenden Ak­tionsmuster energetisieren können. Dies kann dann geschehen, wenn die Ak­tionsmuster von diesen Strömen nicht richtig abgeschirmt werden. Wenn ein Aktionsmuster nur schwach energetisiert ist, dann kann ein anderes, das durch Fehlströme aktiviert ist, an seiner Stelle ablaufen. Das Akku-Modell der Kon­zentration erklärt also auch wichtige Aspekte von Konzentrationsfehlern. Weiter verdeutlicht das Akku-Modell der Konzentration die Belastbarkeit der Konzentration. Je länger ein Individu­um bei gleicher Geschwindigkeit und

Karl Westhoff* Diagnostik und Intervention bei Konzentrationsstörungen

möglichst wenig Fehlern arbeiten kann, um so belastbarer ist seine Konzentra­tion.

Eine Strategie für pädagogische Diagnostik und Intervention bei Konzentrationsproblemen in den Klassen 5 bis 10

Zunehmend klagen Lehrpersonen aller Schulformen über Konzentrationsmän­gel und-störungen bei den Schülerin­nen und Schülern. Die Anzahl der be­klagten Schwierigkeiten ist allerdings so hoch, daß es bei weitem nicht genü­gend Psychologinnen und Psychologen für Diagnostik und Intervention gibt. Auch in Zukunft werden also zunächst die Lehrpersonen versuchen müssen, die Bedingungen für die Konzentrations­schwierigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler zu erkennen und sie mit diesen und deren Eltern gemeinsam zu verrin­gern. Die im folgenden beschriebene Strategie soll dabei den Lehrpersonen helfen, alle relevanten Bedingungen zu beachten, die sie in der Schule beein­flussen können.

Die vorgeschlagene Strategie hat das Ziel, Lehrpersonen im pädagogischen Umgang mit Schülerinnen und Schü­lern zu helfen, die zu wenig konzen­triert arbeiten. Sie dient nicht dazu, ei­nem Kind eine mehr oder weniger hohe Konzentrationsfähigkeit zuzuschreiben. Vielmehr soll sie partnerschaftliche Ge­spräche zwischen Lehrpersonen und den Kindern und Jugendlichen erleichtern und die gemeinsame Suche nach Lö­sungen für Konzentrationsprobleme sy­stematisieren und erleichtern.

Beschreibung des Verhaltens

Viele Schwierigkeiten im Umgang mit Konzentrationsproblemen ergeben sich daraus, daß Lehrpersonen nur einen klei­nen Ausschnitt der erwünschten bzw. unerwünschten Verhaltensweisen eines Kindes in der Schule spontan beschrei­ben können. Hieraus erwachsen dann Probleme im Gespräch mit den Kindern und Jugendlichen, die ihr Verhalten oft

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993

anders beschreiben als die Lehrperso­nen. Hier kann man die von Westhoff, Rütten& Borggrefe(1990) entwickel­ten Fragebögen zu Hilfe nehmen, die in sich entsprechenden Formen für Lehre­rinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler vorliegen.

In demFragenbogen zur Einschätzung von mehr oder weniger konzentriertem Verhalten in der Schule für Lehrperso­nen aller Schulformen für die Klassen 5 bis 10(FBL) werden im TeilI kon­zentrierte und unkonzentrierte Verhal­tensweisen beschrieben. Im Teil I sind solche Bedingungen zusammengestellt, die das konzentrierte Arbeiten beein­flussen können. Durch die Beantwor­tung der Aussagen und Fragen für ein bestimmtes Kind können Lehrpersonen feststellen, was sie wie oft beobach­ten. Sie können dabei aber auch viel­leicht feststellen, daß allesgar nicht so schlimm ist.

DerFragebogen zur Selbsteinschätzung von mehr oder weniger konzentriertem Verhalten in der Schule für Schülerin­nen und Schüler der Klassen 5 bis 10 (FBS) ist genauso aufgebaut wie der FBL. Er enthält die gleichen Fragen und Aussagen, sie sind nur entsprechend um­formuliert. Hier können die Schülerin­nen und Schüler einschätzen, wie häu­fig sie in einem bestimmten Fachun­terricht die im Fragebogen beschriebe­nen Verhaltensweisen zeigen.

In den Fragebögen sind nur Items zusammengetragen, die aus der Sicht von Lehrpersonen mit Konzentration zu tun haben. Die folgenden Items beschrei­ben z.B. konzentriertes Arbeiten:2. Ich höre aufmerksam zu.4. Auch wenn andere stören, achte ich auf den Unter­richt. Unkonzentriertes Verhalten be­schreiben Items wie17. Ich spiele rum.33. Ich gebe Antworten, die nichts mit dem Thema zu tun haben. Zu jeder in den Items beschriebenen Verhaltensweise soll das Kind angeben, wie häufig es diese in einem bestimm­ten Fachunterricht bei sich beobachtet. Dabei kann es die Kategorienfast nie, manchmal,oft,sehr oft undweiß nicht verwenden.

Im Teil II des Fragebogens wird nach Bedingungen gefragt, die das konzen­

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