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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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lieren beide, ob sie sich an die gemein­sam festgelegte Vereinbarung gehalten haben.

Ist das Problem nicht allein in der Schu­le zu lösen, so kann die Lehrperson die Eltern zu einem Gespräch einladen. Vielleicht liegen häusliche Bedingun­gen für das unkonzentrierte Verhalten vor und können gefunden und geändert werden. Sind diese Bemühungen erfolg­los und das Kind aus kinderärztlicher Sicht gesund, so sollte fachpsycholo­gische Hilfe gesucht werden.

Das diagnostische Vorgehen kann sy­stematischer und effizienter sein, wenn eine entscheidungsorientierte diagno­stische Strategie bei Konzentrations­problemen verfolgt wird. Hier soll nun beispielhaft eine solche Strategie vor­gestellt werden für Konzentrations­probleme in den Klassen 5 bis 10.

Eine entscheidungsorientierte psychologisch-diagnostische Strategie bei Konzentrationsproblemen

in den Klassen 5 bis 10

Die Fragestellung, mit der sich Eltern an Psychologinnen und Psychologen wenden, kann lauten:Unser Kind kann sich schlecht konzentrieren. Was kön­nen wir tun? Um diese Frage beant­worten zu können, müssen die Bedin­gungen untersucht werden, von denen man weiß, daß sie einen Einfluß auf die Konzentrationsleistung haben können. Diese Bedingungen werden zu Psycho­logischen Fragen(= Hypothesen) um­formuliert. Ihre Beantwortung hilft, die Fragestellung zu beantworten und mög­lichst zufriedenstellende Entscheidungen vorzubereiten.

Psychologische Fragen (= Hypothesen)

Körperliche Voraussetzungen: 1. Eine unabdingbare Voraussetzung für konzen­triertes Arbeiten ist körperliche Gesund­heit. Wie ist der Gesundheitszustand des Kindes, und welche körperlichen Beein­trächtigungen liegen vor?

Karl Westhoff+ Diagnostik und Intervention bei Konzentrationsstörungen

2. Die im Laufe eines Tages auftreten­den geistigen und körperlichen Höhen und Tiefen wirken sich auf die Kon­zentrationsleistung aus. Zu welcher Ta­geszeit hat das Kind seine Leistungs­höhen und-tiefen?

3. Eine Grundvoraussetzung für kon­zentriertes Arbeiten ist ausreichender und erholsamer Schlaf. Wie sehen die Schlafgewohnheiten des Kindes aus?

Motivationale Bedingungen: 1. Kon­zentriertes Arbeiten fällt viel leichter, wenn sich jemand für das interessiert, was zu lernen ist. Für was interessiert sich das Kind?

2. Wünsche, Ängste und Befürchtun­gen können zu Leistungen motivieren oder diese hemmen und blockieren. Welche Wünsche, Ängste und Befürch­tungen hat das Kind?

3. Die Vorstellungen eines Kindes von seiner nahen und ferneren Zukunft be­stimmen sein Leistungsverhalten mit. Wie sehen die Zukunftsvorstellungen des Kindes aus?

Äußere Bedingungen: 1. Lernt und ar­beitet ein Kind in einer Umgebung, die es stört, dann fällt es ihm schwerer, sich zu konzentrieren, als in einer ruhigen, ungestörten Umgebung. Unter welchen äußeren Bedingungen lernt das Kind?

Intellektuelle Leistungsfähigkeit:

1. Ein Kind kann dem Unterricht auf Dauer nur dann konzentriert folgen, wenn es intellektuell weder unter- noch überfordert wird. Daher ist die intellek­tuelle Leistungsfähigkeit des Kindes festzustellen.

2. Um erfolgreich arbeiten zu können, muß ein Kind gewohnheitsmäßig ange­messen arbeiten können, d.h., einen an­gemessenen Arbeitsstil zeigen. Wie sieht der Arbeitsstil des Kindes aus, d.h., wie arbeitet es gewöhnlich?

3. Spezielle Probleme, z.B. mit dem Lesen, Schreiben oder Rechnen, kön­nen das konzentrierte Arbeiten beein­trächtigen. Hat das Kind Schwierigkei­ten beim Lesen, Schreiben oder Rech­nen?

4. In der Schule ist es häufig erforder­lich, daß ein Kind ihm wohlvertraute

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993

Tätigkeiten möglichst schnell und feh­lerfrei, oft auch über eine längere Zeit hinweg, ausführen kann, d.h., daß es sich konzentrieren kann. Daher ist die Konzentrationsfähigkeit des Kindes fest­zustellen.

Soziale Bedingungen: 1. Ein Kind ori­entiert sich in seinen Verhaltensweisen an dem, was es bei anderen ihm wichti­gen Personen wie Eltern, Lehrern oder Freunden beobachtet. Welche anderen für das Kind wichtigen Personen gibt es, und welche Einstellung zum Lernen und zur Leistung haben sie?

2. Lassen die Verpflichtungen einem Kind zu wenig freie Zeit, dann kann dies das Kind überfordern und zu un­konzentriertem Verhalten führen. Wel­che Verpflichtungen hat das Kind?

3. Die Wünsche und Erwartungen der Eltern wirken sich auf das Verhalten zu ihrem Kind aus. Unter- oder überfor­dern sie ihr Kind, so kann dies die Arbeitsweise des Kindes beeinträchti­gen. Welche Wünsche und Erwartun­gen haben die Eltern an das Kind?

Emotionale Bedingungen: 1. Bei per­sönlichen Problemen, z.B. mit sich selbst, mit Freunden, in der Familie oder in der Schule, kann ein Kind sich in Gedanken oft mit diesen Schwierigkei­ten beschäftigten, und es fällt ihm dann schwer, konzentriert zu arbeiten. Wel­che persönlichen Probleme hat das Kind? 2. Es gibt Menschen, die sich durch auftretende Schwierigkeiten schnell überfordert fühlen und nicht mehr kon­zentriert arbeiten können, während an­dere für sich darin eine Herausforde­rung sehen und weiter konzentriert ar­beiten. Wie stark ist das Kind emotional belastbar, und wie geht es mit Schwie­rigkeiten um?

Informationsquellen

Zur Beantwortung der Psychologischen Fragen können folgende Personen bzw. Personengruppen mit Informationen hel­fen:(1) Kind bzw. Jugendlicher selbst, (2) seine Eltern,(3) Lehrerinnen und Lehrer,(4) sonstige Personen, die das

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