Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
164
Einzelbild herunterladen

Kinderpsychiatrische Erfahrungen mit der Behandlung von Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Sozialverhaltens

Von Wolfram Kinze und Harald Barchmann

In einem Überblick auf der Grundlage kinderpsych­iatrischer Erfahrungen wird ein integratives Modell der Behandlung von Kindern mit Störungen im Leistungs­und Sozialverhalten dargestellt. Es enthält unterschied­liche Verfahren: verhaltenstherapeutische Trainings­programme zur Verbesserung der Konzentrationslei­stungen sowie zur Bewältigung sozialer Konflikte, Ent­spannungsübungen, Pharmakotherapie mit Stimulan­tien bzw. Neuroleptika.

In dieses Programm werden die Kinder und ihre Be­zugspersnen einbezogen, wobei sich Art und Zeitraum der therapeutischen Kombinationen an den Bedingun­gen des Einzelfalles ausrichten. Nachuntersuchungen belegen, daß sich Erfolge erreichen lassen, wenn auch keineswegs immer eine Normalisierung.

An integrative model of treatment of children with disorders in concentration ability and social behaviour is given in clinical review. This model contents various therapeutic methods: programs to improve the concen­tration ability and the management of social conflicts on the base of behaviour therapy; relaxation training; treatment with drugs(stimulants/neuroleptics). Children with their parents and teachers are included in these therapeutic programs. The combination of va­rious components is oriented in individual conditions. Follow-up examinations demonstrate the effects of this program, but not the normalisation in all causes.

Vorbemerkungen

Werden Kinder mit Einordnungs- oder Leistungsschwierigkeiten zur kinder­psychiatrisch-psychologischen Untersu­chung vorgestellt, so sind diesem Ent­schluß erzieherische Bemühungen un­terschiedlicher Art und Intensität vor­ausgegangen, die eines gemeinsam hat­ten: Sie führten nicht zum gewünschten Erfolg. Nunmehr wird oft in einer schwierigen Mischung aus Resignation und unrealistischen Erwartungen von einerBehandlung die entscheidende Besserung erhofft, zugleich aber oft auch mehr oder weniger unbewußt eine Ent­lastung angestrebt durch Verlagerung des Problems vom erzieherischen in den medizinisch-psychologischen Verant­wortungsbereich.

Um zu verhindern, daß sich die Inter­aktionen auf gegenseitige Forderungen

164

und Schuldzuweisungen beschränken, ist es notwendig, das komplizierte Bedin­gungsgefüge der jeweiligen Schwierig­keiten diagnostisch aufzuhellen und die therapeutischen Möglichkeiten im Ein­zelfall offenzulegen. Dazu ist neben Sachkenntnis auch Geduld erforderlich, denn viele der tieferliegenden Zusam­menhänge erschließen sich erst im Lau­fe der therapeutischen Beziehung, so­fern es gelingt, das Kind, seine Eltern und Lehrer und die Therapeuten zu tragfähigem Zusammenwirken zu ver­binden und dann auch schmerzliche Wahrheiten über Leistungsbegrenzun­gen des Kindes und innerfamiliäre bzw. schulische Beziehungsstörungen bearbei­ten zu können.

Bei aller Komplexität der Symptomatik und ihrer Entstehungsbedingungen ist es aber für die praktische Behandlung unabdingbar,Zielsyndrome abzugren­

zen, die einen definierten therapeuti­schen Zugang ermöglichen. Hierbei hat sich eine Grobgliederung in Störungen des Leistungs- und des Sozialverhaltens der Kinder bewährt, auch wenn sich im therapeutischen Prozeß vielerlei Über­schneidungen ergeben.

Behandlung von Konzentrationsstörungen

Wenn Kinder trotz normaler Intelligenz den schulischen Anforderungen nur unzureichend genügen, spielen zumeist Konzentrationsstörungen als ursäch­liche Faktoren eine wesentliche Rolle. Lehrer und Eltern beklagen oberflächli­ches und überhastetes Arbeiten, man­gelndes Zuhören, Trödeln, leichte Ab­lenkbarkeit, Flüchtigkeitsfehler, gerin­ge Zielstrebigkeit und rasches Erschöpft­sein der Kinder.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993