wünschten Verhaltensweisen vor der Durchführung von Elterntrainings Voraussetzung und Grundlage bleiben müßte. Erst entsprechende Hinweise auf eine gegenseitige Abhängigkeit der Problemverhaltensweisen von Kindern und Eltern lassen ein Elterntraining indiziert sein. Eine größtmögliche Flexibilität hinsichtlich der Trainingsinhalte und-Methoden sollte gewährleistet sein, wobei der nur verhaltenstherapeutische Rahmen u.U. zu eng ist. Zumindest sollten die großen Möglichkeiten der kognitiven Verhaltensmodifikation stärker als bisher einbezogen werden(s.u.; Meichenbaum 1979). Ein Training in Gruppen wird eher nur beraterische bzw. präventive Funktionen erfüllen, da hier Interaktionsbeobachtungen allenfalls eingeschränkt möglich sein werden. Eine Standardisierung ginge auf Kosten einer einzelfallorientierten Arbeit, die zudem am besten in der natürlichen Umgebung der Familie erfolgen kann. Allerdings sollte man der größeren Einwirkungsmöglichkeiten wegen auch standardisierte Angebote weiterentwikkeln.
Anhang
Unter dem Risiko, nun all diese komplizierte Wissenschaft doch sehr zu relativieren, sei es mir erlaubt, einen kleinen sehr„modern‘“ wirkenden Anhang zu präsentieren: Es sei erlaubt, einen historischen Fund aus den dreißiger Jahren mitzuteilen, der genau unser Thema zu treffen scheint: einen Text, der, lange vor jedem Gedanken an— etwa gar
Literatur
Ingeborg Wagner et al.* Hyperaktive Verhaltensweisen bei Kindern
kognitive— Verhaltensmodifikation entstanden, die Weisheit und die pädagogische Ökonomie eines großen Pädagogen widerspiegelt.
In den„Radioplaudereien des alten Doktors“ erzählt Janusz Korczak(1973, 180-181):
„Einmal kommt eine Mutter zu mir: sie hat drei Söhne. Buben so klar wie Kristall: einer geht für den anderen durchs Feuer. Aber... Beulen, Haarbüschel, Schöpfe, blaugeschlagene Augen, blaue Flecken, zerbrochene Stühle und Federhalter; schon beklagen sich die Nachbarn, daß die Decke einstürzt. Und ihre Mutter ringt die Hände: ‚Hilf uns, Psychologe.‘ Ich ließ die Buben sich vor mir aufstellen und beginne nachzuforschen.— Sie aber: ‚Er fängt immer an, soll ich mich denn geschlagen geben, er ist immer der erste.‘ Ich frage, wieviel Schlägereien es in einer Woche gibt. Sie wissen es nicht, sie zählen sie nicht. Das ist ein Fehler, man muß zählen: nach Punkten. Eine kleine Rauferei: ein Punkt, eine mittlere: zwei Punkte, eine erbitterte Schlägerei: drei Punkte. Wieviele Punkte braucht ihr, von Sonntag zu Sonntag? Immer aufschreiben und zählen, zählen. Wenn du dir zehn Punkte zubilligst, dann reicht das für fünf mittlere Raufereien. Ja, und? Du willst raufen, jetzt, auf der Stelle, aber du denkst: nein— schade darum, die Woche hat eben erst angefangen, ich spare mir den Punkt auf, für alle Fälle. Du sagst dir: ‚Heute nicht, morgen verprügle ich ihn.‘ Du hast riesengroße Lust, loszuschlagen, aber— du schiebst es auf (denn du zählst ja mit und willst dein
Konto nicht überziehen). Du hast dich noch kein einziges Mal geschlagen, und du möchtest dich nicht mit einer Hypothek belasten. Es ist schon Mittwoch, und du hast noch immer Anrecht auf fünf Schlägereien. Da— er hat schon wieder angefangen, er hat dich geärgert, dich beleidigt; die Hand juckt dir, wenn du nicht mitzähltest, hättest du auch schon angefangen; denn warum sollst du dir das alles gefallen lassen; aber du denkst: an Wochentagen fällt es leichter, weil Schule ist; dann bist du beschäftigt,— also schlagen wir uns ein für allemal am Sonntag. Oder du hast schon angefangen, dich zu prügeln, hörst aber plötzlich auf, um die Schlägerei noch als mittlere und nicht als erbitterten Kampf rechnen zu können. Oder der Sonntag kommt, und du denkst: ‚Ach, wozu denn?‘ Du bezähmst dich, mäBigst dich, hältst dich zurück und wirst weniger empfindlich. Und diese nicht wahrgenommenen Schlägereien legst du, verzeih den Vergleich, gleichsam auf die Postsparkasse, du sparst sie dir zusammen, wie ein Rentner— für spätere Zeiten. Du denkst: ‚Es ist besser, sich einmal richtig zu schlagen als dreimal nur eben so.‘ Du klimperst mit diesen gesparten Schlägereien wie mit Goldmünzen der Überlegenheit und der Selbstbeherrschung. Das Wasser läuft dir im Munde zusammen, eine solche Lust hast du aufs Raufen(denn du bist heftig), aber nein; was hast du schon davon; und daß er etwas abbekommt, das ist der einzige Gewinn; daß es ihn erwischt; aber dich erwischt es auch— auch dich.“
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